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Ach du liebe (Arbeits-) Zeit

Die eigene Arbeitszeit ist nicht immer planbar. Das gilt umso mehr für Assistenzberufe, bei denen die Arbeit in hohem Grad von der Arbeitszeit und von den Ansprüchen anderer abhängt. 

Von flexiblen Stunden bis hin zu spätabendlichen E-Mails: Über­stunden und Wochenendarbeit sind längst keine Seltenheit mehr. Assistenzkräfte jonglieren nicht nur mit Kalendern und To-do-­Listen, sondern auch mit den ständig wechselnden Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit. Doch wie sieht es eigentlich rechtlich aus in diesem ganzen Durcheinander? 

Normalarbeitszeit und Überstunden

Die Normalarbeitszeit umschreibt die konkrete zeitliche Bean­spruchung der/des Arbeitnehmenden pro Tag, Woche, Monat oder Jahr. Festgelegt wird sie entweder im Einzel- oder Gesamtarbeitsvertrag, sofern ein solcher für die betroffene Branche gilt. Was als Normalarbeitszeit gilt, kann sich aber auch aus einem Personalre­glement oder der betrieblichen Übung ergeben. Meist wird sie aber im individuellen Arbeitsvertrag als eine bestimmte Anzahl Stunden pro Tag beziehungsweise Woche vereinbart. Grundsätzlich müssen Angestellte nur die vereinbarte Normalarbeitszeit leisten. Unter gewissen Voraussetzungen besteht aber die Pflicht, zusätzliche Überstunden zu leisten. Also Stunden, die den Umfang der Normalarbeitszeit übersteigen.

Angestellte sind nur dann verpflichtet, Überstunden zu leisten, wenn sie betriebsnotwendig und zumutbar sind. Letzteres hängt von ­verschiedenen Faktoren wie der Anzahl und dem Zeitpunkt der Überstunden, aber auch von der familiären und gesundheitlichen Situation der Betroffenen ab. Dabei dürfen Überstunden die physische und die psychische Leistungsfähigkeit der Angestellten nicht übersteigen.

Notwendig sind Überstunden etwa bei ausserordentlich grossem Arbeitsanfall, dringenden Arbeiten oder bei der Überbrückung von Engpässen. Nicht betriebsnotwendig sind sie, wenn sie durch bessere Organisation oder Beizug weiterer Arbeitskräfte hätten vermieden werden können oder sofern Arbeitnehmende sie ausschliesslich im eigenen Interesse leisten. Eine konkrete Aufforderung zu Überstunden braucht es nicht: Es reicht aus, wenn die/der Vorgesetzte davon Kenntnis hat oder haben sollte und nicht einschreitet.

Welche Schutzvorschriften kennt das Arbeitsgesetz?

Die Vorschriften des Arbeitsgesetzes (ArG) beschränken Über­stunden und die Normalarbeitszeit durch eine sogenannte Höchstarbeitszeit. Dabei werden verschiedene Branchen unterschieden: In industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte inklusive des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit 45 Stunden. Für alle übrigen Arbeitnehmenden hingegen 50 Stunden (Art. 9 ArG).

Sobald die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wird, spricht man nicht mehr von Überstunden, sondern Überzeit. Diese ist nur ausnahmsweise in gesetzlich vorgeschriebenen Situationen zulässig. Dazu gehört zum Beispiel Dringlichkeit der Arbeit oder ausserordentlicher Arbeitsandrang. Nach Gesetz darf Überzeit, ausser in Notfällen oder an arbeitsfreien Werktagen, zwei Stunden am Tag nicht überschreiten (Art. 12 ArG). In einem Kalenderjahr dürfen gesamthaft nicht mehr als 170 Stunden (bei 45 Stunden Höchstarbeitszeit) beziehungsweise 140 Stunden (bei 50 Stunden Höchstarbeitszeit) Überzeit geleistet werden.

Überstunden oder Überzeit?

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Überstunden und Überzeit vor allem hinsichtlich ihrer Vergütung: Wenn es keine Vereinbarung gibt, kein Gesamtarbeitsvertrag gilt und die Überstunden nicht mit Freizeit kompensiert werden, so besteht für sie ein Anspruch auf Lohnzuschlag im Umfang von 25 Prozent (Art. 321c Abs. 3 OR).

Im Arbeitsvertrag kann aber auch festgelegt werden, dass Überstunden weder zu entschädigen noch durch Freizeit zu kompensieren sind. Das Bundesgericht lässt den Ausschluss der Vergütung für Überstunden aber nur sehr restriktiv zu. Die/Der Arbeitnehmende darf einerseits nur auf die Bezahlung von künftigen, nicht aber für bereits geleistete Überstunden verzichten. Zudem ist ein Verzicht auf jegliche Kompensation nur dann möglich, wenn der Grundlohn bereits eine pauschale Entschädigung für Überstunden enthält.

Die Abgeltung von Überzeit ist dagegen gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Der/Dem Arbeitnehmenden ist dabei für die geleistete Überzeit ein Lohnzuschlag von mindestens 25 Prozent zu bezahlen. Dabei ist zu beachten, dass die zwingende Vergütung bei Büro­personal erst dann gilt, wenn die Überzeitarbeit in einem Kalenderjahr 60 Stunden übersteigt.

Wird der Überzeitzuschlag der/dem Arbeit­nehmenden vorsätzlich vorenthalten, ist das strafbar (Art. 59 Abs. 1 lit. b ArG). Alternativ zur monetären Abgeltung kann Überzeit im Einverständnis mit der/dem Arbeitnehmenden aber auch innert angemessener Zeit durch Freizeit gleicher Dauer ausgeglichen werden (Art. 13 ArG).

Zeit für eine Pause

Nebst der maximalen Arbeitszeit regelt das Arbeitsgesetz auch die Mindestdauer von Pausen pro Tag (Art. 15 ArG). Die Arbeit ist dabei durch Pausen von folgender Mindestdauer zu unterbrechen:

  • 15 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 5,5 Stunden;
  • 30 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 7 Stunden;
  • 60 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden.

Gemäss Gesetz sind die Pausen im Sinne einer Mittagspause um die Mitte der Arbeitszeit anzusetzen. Dabei dürfen die Pausen nur dann an die Arbeitszeit angerechnet werden, wenn die Arbeitnehmenden ihren Arbeitsplatz nicht verlassen dürfen.

Pflicht zur Zeiterfassung

Gegenüber den Behörden sind Arbeitgebende zur Führung von Unterlagen zur Arbeitszeit verpflichtet. Diese müssen dabei systematisch und lückenlos erfasst werden. Da sich viele berufliche Tätigkeiten heute durch örtliche und zeitliche Flexibilität wie auch grosse Selbstständigkeit seitens der Arbeitnehmenden auszeichnen, ist die umfassende Arbeitszeiterfassung nur schwer realisierbar. Die Verordnung zum Arbeitsgesetz (Art. 73a ArGV 1) ermöglicht ­deshalb bei entsprechender Vereinbarung unter gewissen Bedingungen eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung.

Arbeitnehmende mit einer gewissen Autonomie in der Festsetzung ihrer Tätigkeit müssen dann nur noch die täglich geleistete Arbeitszeit erfassen. Bei Mitgliedern des oberen Kaders mit grosser Gestaltungsautonomie kann unter gewissen Voraussetzungen auch vollkommen auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet werden. Eine eigenständige Dokumentation lohnt sich aber dennoch: Im Streitfall obliegt der Nachweis, wie viele Überstunden geleistet wurden und ob diese tatsächlich angeordnet beziehungsweise genehmigt und betriebsnotwendig waren, nämlich der/dem Arbeitnehmenden. 

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Alexandra Williams-Winter ist Rechtsanwältin bei der Winterthurer Anwaltskanzlei Probst Partner AG. Sie berät und vertritt schweizerische und ausländische Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen in wirtschaftsrechtlichen Fragen. Nebst dem Gesellschafts- und dem allgemeinen Vertragsrecht ist sie spezialisiert im öffentlichen Beschaffungsrecht.
probstpartner.ch

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