Persönlichkeit

Authentisch und professionell – ein Balanceakt

Sich selbst bleiben und dennoch professionell agieren – ein Widerspruch, so scheint es. Wie man mit diesem Spannungsfeld umgeht, ohne sich selbst zu verbiegen.

«Authentizität ist ein Thema, das die Leute stark bewegt», berichtet Petra Wüst, Expertin für Self Branding, aus ihrer Coaching-Praxis. Einerseits will und kann sich niemand dauerhaft verbiegen, nur um einer beruflichen Rolle gerecht zu werden. Andererseits wird im Job Professionalität erwartet. Da scheinen Probleme vorprogrammiert. Daher kommt der verbreitete Gedanke, dass es im Berufsleben nur möglich sei, entweder authentisch oder professionell zu sein. Weit gefehlt – die Balance aus beidem zu finden, ist der Schlüssel zum Erfolg.

Authentizität kommt von innen. Sie bedeutet, «echt» und so sich selbst zu sein, dass es beim Gegenüber glaubwürdig ankommt. Natalie Schnack, die sich selbst als Sichtbarkeits-Coach bezeichnet, hilft Menschen, wahrgenommen zu werden. Authentizität definiert sie so: «Das, was ich denke, was ich fühle, muss mit dem, was ich tue und sage, übereinstimmen.» Dazu muss man sich selbst aber gut kennen und sich seiner selbst bewusst sein. Selbst- und Fremdbild decken sich schliesslich nicht immer. Wüst empfiehlt ihren Klientinnen daher, sich regelmässig von vertrauten Kolleginnen Feedback einzuholen. Keinesfalls meint authentisch sein, stets unbefangen seine Meinung zu äussern oder gar die Kollegen  über alle Einzelheiten des Privatlebens auf dem Laufenden zu halten. «Authentisch im Job ist man, wenn man persönlich, aber nicht privat ist. Man darf und soll sich in Bezug auf den Beruf als Person zeigen. Dazu gehört es auch, in angemessener Weise seine Meinung zu äussern und sie zu vertreten», so Coach Schnack weiter.

«Innen» gegen «aussen»

Während Authentizität von innen kommt, werden die Erwartungen an Professionalität von aussen an uns herangetragen. «Professionalität ist kulturell definiert», so Petra Wüst. «Verhaltensweisen wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Höflichkeit entscheiden darüber, ob jemand als professionell empfunden wird oder nicht.» Im Beruf wird situationsbezogenes, angemessenes Verhalten erwartet, das dem Umfeld angemessen ist. Berechenbares, konsistentes Verhalten ist eine Tugend im Berufsleben. Es gibt kaum etwas Unangenehmeres als eine Kollegin, bei der man nicht weiss, wie sie heute drauf sein und auf vorgebrachte Wünsche reagieren wird. «Dabei muss das Verhalten, das für eine Mitarbeiterin in einer Werbeagentur als durchaus passend empfunden wird, sich nicht mit dem einer Angestellten einer Privatbank decken», so Natalie Schnack.

Authentizität bedeutet nicht, jedes Gefühl auszuleben. Wer seinem Ärger mit Herumschreien Luft macht, kommt damit im Job nicht gut an. Dennoch spricht nichts dagegen, denjenigen, der den Ärger verursacht hat, darauf anzusprechen, dass man aus diesem und jenem Grund verärgert sei, die Ursache dafür im Gespräch zu erörtern und nach Möglichkeit zu beseitigen. Wüst bestätigt ihren Klientinnen immer wieder: «Es ist professionell, in solch einem Fall seine Gefühle nicht herunterzuschlucken, sondern sie demjenigen, der sie verursacht hat, sachlich mitzuteilen.»

Den eigenen Stil finden

Authentizität im professionellen Umfeld meint auch, einen eigenen Stil zu entwickeln. «Wer erfolgreich sein will, muss ein Profil haben. Das heisst auch, es ab und zu in Kauf zu nehmen, anzuecken», räumt Petra Wüst ein. Es sei nicht das Ziel, von allen gemocht zu werden. Sonst ähnele man schnell dem Wattebausch, der zum Abschminken benutzt werde – er werde gebraucht und sei ungefährlich, aber im Grunde beachte und schätze ihn niemand.

Gerade für Teamassistentinnen ist es nicht immer einfach, die Balance zu finden. Sie sind in ein Beziehungsgeflecht eingebunden, bei dem von mehreren Seiten Aufgaben und ­Ansprüche an sie herangetragen werden. Da kann schon einmal das Gefühl aufkommen, nicht authentisch sein zu können, weil man nur eine Schachfigur ist, die beliebig herumgeschoben wird.

Schnack berichtet aus ihrem Coachingalltag: «Oft prasselt es da von allen Seiten auf eine Person ein. Dann braucht es viel Arbeit an ihr selbst, um sich klar zu werden, wie sie die ­Arbeit so gestalten kann, dass sie sich selbst gerecht wird.»

In solch einem Fall rät sie ihren Klientinnen, zu überlegen, wie sie ihren Job gestalten würden, wenn sie könnten. Dabei gibt es keine «Schere im Kopf», alles wird erst einmal gesammelt, ohne es zu werten. Oft genüge es, an kleinen Schräubchen zu drehen. So könne man sich, wenn gewöhnlich von allen Seiten Arbeit auf einen einprassle, Zeiten blocken, in denen man konzentriert an einer Aufgabe arbeiten wolle.

Zwei Seiten einer Medaille

Wie vertreten Sie eine Meinung, die nicht Ihre eigene ist?
Jeder hat zwei Rollen: die private und die professionelle. In einer solchen Situation tritt meine eigene Meinung in den Hintergrund.
Darf man zeigen, dass es einem schlecht geht?
Je höher jemand in der Hierarchie steigt, desto weniger Fehler darf eine Assistentin machen. Gerade als Assistentin eines CEO ist man sehr exponiert und andere spekulieren gern über das Privatleben. Darum gilt für mich hier: zusammenreissen und keine Angriffsfläche bieten. Ein privates Problem ist keine Entschuldigung für einen Fehler.
Wie grenzen Sie sich ab, wenn zu viel Arbeit auf Sie einprasselt?
In Situationen, in denen ich fürchte, den Überblick zu verlieren, schnaufe ich einfach kurz durch, gehe vielleicht einen Kaffee trinken und mache so einen kleinen Neustart.
Wie sprechen Sie es an, wenn jemand Sie wütend gemacht hat?
Bei meinem Chef spreche ich das gar nicht an. Bei mir gilt: Schwamm drüber. Es ist nicht persönlich gemeint, wenn mein Chef aufbraust. Im Gegenteil: Oft ist die Assistentin die einzige Person, bei der auch ein Vorgesetzter mal Luft ablassen kann, ohne sich zu schämen. Das spricht ja auch für das Vertrauensverhältnis.

Patricia Jacob, CEO-Assistentin Panalpina und Regionalleiterin Basel – EUMA Switzerland

Wenn man das Chef und Kollegen entsprechend kommuniziert, ändert dies auch die Selbstwahrnehmung – man bestimmt selbst über die Zeit. Und der Clou: Auf andere wirkt das souverän, weil es zeigt, dass hier jemand effizient und konzentriert anspruchsvolle Aufgaben erledigt und dafür klare Prioritäten setzt. Stück für Stück kann man sich so Raum für sich selbst erarbeiten, über den man selbst bestimmen kann.

Schnack meint abschliessend: «Der Trick besteht darin, dass ich selbst Verantwortung dafür übernehme, dass ich mich bei der Arbeit wohlfühle. Das ist der Boden, auf dem die ­Authentizität zusammen mit Professionalität gedeiht.»

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Alexandra von Ascheraden ist freie Journalistin.

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