Brief- und E-Mail-Sprache

Die Briefelemente und ihre Funktion

Ist der Brief vom Aussterben bedroht? Im privaten Bereich scheint er bereits tot zu sein – wer schreibt heute noch Briefe, ausser bei der Kündigung der Wohnung oder der Arbeitsstelle? Wann haben Sie den letzten Liebesbrief auf Papier erhalten?

Je nach Branche spielt aber der Brief in der Geschäftskorrespondenz immer noch eine wichtige Rolle. Beispielsweise, wenn Muster verschickt werden. In einem von mir geleiteten Firmenkurs haben sich die Mitarbeitenden der «Musterabteilung» darüber beklagt, dass ihre tagelang in Handarbeit entwickelten Muster vom Sekretariat mit einem lapidaren Standardbrief verschickt würden. «Beiliegend erhalten Sie das gewünschte Muster», stand da emotionslos – kein Wort davon, wie viel Herzblut in diesen exklusiven Mustern steckt! Dabei: Was wäre das für eine Chance gegenüber den Kunden, ihnen eben aufzuzeigen und zu beschreiben, wie mit Hingabe und Begeisterung an diesen Mustern gearbeitet wurde. Ein gutes Beispiel auch dafür, wie trist und öde eine Firma kommuniziert, wenn sich niemand darum kümmert!

Jedes Briefelement hat eine wichtige Funktion

Die Adresse

«Müssen wir jetzt Zeit verlieren, um über eine simple Adresse zu reden?», höre ich in meinen Kursen ab und zu. Ja, wir müssen, weil die Adresse der allererste Kontakt ist, wenn der Brief aus dem Briefkasten genommen wird. Wenn es um den eigenen Namen geht, sind wir sehr sensibel. Mich stört es, wenn ich mit Gerold Br?tsch*Pr&ev#ot angeschrieben werde, nur weil die Newsletter-Software nicht in der Lage ist, Umlaute und Sonderzeichen zu erkennen. Dieser Brief landet ungeöffnet im Altpapier. Was kann eine Firma schon bieten, die nicht mal in der Lage ist, meinen Namen richtig zu schreiben?

Eine Einzelperson wird so angeschrieben:

Herr
Hans Muster
Musterstrasse 7
8000 Muster 

Ein Ehepaar oder im gleichen Haushalt lebende Personen so:

Frau Ursula Muster
Herr Hans Muster
Musterstrasse 7
8000 Muster 

«Familie Muster» eignet sich nur für gewisse Absender – zum Beispiel für ein Familienhotel, wenn die Ferien für eine ganze Familie bestätigt werden.

Geschäftsadressen:

Diese Adresse wird verwendet, wenn mit der Ansprechperson bereits ein persönlicher oder telefonischer Kontakt stattgefunden hat:

Herr
Hans Muster
Stadtwerke Muster AG
Musterstrasse 7
8000 Muster 

Diese Briefe sind aber nicht persönlich und dürfen auch von Arbeitskollegen und -kolleginnen geöffnet werden. Manchmal ist das ja nötig, wenn der Adressat im Stau steht oder krank ist (ausser es ist intern anders geregelt). Wenn man die Ansprechperson nicht persönlich kennt und zum Beispiel auf der Website nachgeschaut hat, wer für diesen Bereich zuständig ist, wird diese Adresse verwendet (darf von anderen Mitarbeitenden geöffnet werden):

Stadtwerke Muster AG
Herr Hans Muster
Musterstrasse 7
8000 Muster 

Achtung: «z. Hd. Herrn Hans Muster» wurde längst aus der modernen Korrespondenz verbannt! Wenn der Brief vertrauliche Informationen enthält und nur für den Adressaten bestimmt ist, wird diese Adresse verwendet:

Persönlich

Herr
Hans Muster
Stadtwerke Muster AG
Musterstrasse 7
8000 Muster

Auch am Arbeitsplatz gilt das Postgeheimnis; Briefe mit erkennbar privatem Inhalt (zum Beispiel eine Todesanzeige oder ein handschriftlich adressierter Brief) muss ungeöffnet an Sie weitergeleitet werden. Wird das Postgeheimnis Ihrer Meinung nach verletzt, können Sie eine Strafanzeige einreichen. Gerichte haben aber auch schon entschieden, dass das Postgeheimnis, vor allem in Grossunternehmen, in der Praxis nicht gewährleistet werden könne. Private Post hat ja am Arbeitsplatz auch nichts zu suchen.

Die Ländercodes im grenzüberschreitenden Briefverkehr sind nicht mehr nötig (D-8000 München, A-1013 Wien). Der Ländername wird in der Landessprache, in Englisch oder Französisch unter die Adresse gesetzt. Diese nun nutzlosen Ländercodes müssen auch aus den Drucksachen und den Websites -entfernt und mit dem Ländernamen ersetzt werden.

Herr
Hans Muster
Musterstrasse 7
20144 Hamburg
Deutschland 

Das Datum

Die Ortschaft vor dem Datum ist nicht nötig (der Empfänger sieht ja, wo Sie wohnen). Der Monat muss zwingend ausgeschrieben werden: 2. Juni 2016

Falsch:

Zürich, den 2. Juni 2016 (ohne «den»)
Zürich, 02. Juni 2016 (ohne 0)
Zürich, 8.6.2016 (Monat muss ausgeschrieben werden)

Schlecht:
Zürich, im Juni 2016

Ist das Datum nicht genau, nimmt der Empfänger, die Empfängerin an, dass der Inhalt auch nicht besonders wichtig ist. 

Der Betreff (Infozeile)

Der Betreff (oder die Infozeile, wie man sie in der modernen Korrespondenz nennt) sagt schlicht und einfach, worum es im Brief geht. Ausser Sie wollen damit überraschen oder neugierig machen – das empfiehlt sich aber nur in einem Werbebrief. Das Wort «Betreff» (oder die Abkürzung «Betr.») ist veraltet und wird nicht mehr verwendet. Die Infozeile wird fett hervorgehoben (sie darf aber nicht grösser als die Grundschrift sein) und darf höchstens bis zu zwei Zeilen umfassen. Wenn Sie einen Reisekatalog verschicken und als Betreff «Reisekatalog» hinschreiben, ist das ziemlich fantasielos und nützt dem Empfänger, der Empfängerin nichts. Besser wäre – Sie ahnen es sicher … Texten Sie die Infozeile erst am Schluss, wenn Sie den genauen Inhalt des Briefes kennen. Natürlich nur, wenn der Inhalt komplexer ist, als wenn nur ein Termin verschoben wird.

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Gerold Brütsch-Prévôt, eidg. dipl. Kommunikationsleiter, ist Partner der Text- und Werbeagentur Wortstark 
in Zürich und unterrichtet an verschiedenen Schulen. An der KVZ Business School lehrt er das Fach «Kommunikation 
in der Muttersprache» im Lehrgang «Direktionsassistent/-in mit eidg. 
Fachausweis».

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