Karriere

Die dunkle Seite der (Ohn-)Macht

Manche Menschen sind charakterlich einfach weniger für Führung geeignet und sollten keine Führungsrolle übernehmen. Woran das liegt und wie schlechte Führung zustande kommt, beschäftigt auch die Forschung – und zwar unter dem Begriff «Bad Leadership». Entscheidend ist jedoch vor allem, wie man sich im Angesicht von Führungsversagen verhält. Die Assistenz befindet sich dabei in einer heiklen Rolle. 

Die Frage, wie man die Motivation von Mitarbeitern hochhält, ist noch immer nicht leicht zu beantworten. Dass es nicht nur darum geht, Motivation zu fördern, ist als Antwort ein «alter Hut». Viel seltener wird darüber gesprochen, wie sich schlechte Führung auf die Leistung, das Wohlbefinden und die Gesundheit von Mitarbeitenden auswirken kann. 

Führungskräfte und Führung werden gerne heroisiert – je weiter oben in der Hierarchie, desto mehr. Dabei wäre es für Unternehmen und den Einzelnen lohnenswert, Führung ihr funkelndes Mäntelchen für einen Moment abzunehmen, um einen nüchterneren Blick auf nicht ausschliesslich positive Verhaltensweisen zu werfen. 

Ganz nah dran an der Führung sind Assistentinnen und Assistenten. Sie sind zum einen sehr klar von ihren Chefs abhängig. Zum anderen können aber gerade sie die wesentliche Quelle für ein Feedback an ihre Chefs sein, von dem langfristig alle profitieren.

Schlecht geführt oder gar nicht?

Es werden verschiedene Erscheinungsformen «schlechter Führung» unterschieden, die von «laissez faire» über Bossing bis hin zur Anstiftung zu Verstössen gegen die Compliance reichen. Fehlende Führung bedeutet, dass Führungskräfte ihren Aufgaben nicht nachkommen (können), im einfachsten Fall beispielsweise deshalb, weil sie zeitlich überlastet sind. Als «schlechte Führung» im engeren Sinne wird dem gegenüber «unethische» oder «destruktive Führung» bezeichnet. 

Unethische Taktiken zeigen sich auf ihrer weichen Seite als gar nicht so selten akzeptierte Mikrotaktiken, beispielsweise in Form von Schmeicheleien. Ein Beispiel bezieht sich auf eine Assistentin, die zwei Personen unterstützt: Sie sieht dem überschwänglichen Lob ihrer Arbeitsweise durch den einen Chef nicht an, wenn dieser auf diese Weise ihre Ressourcen für seine eigenen Aufgaben abziehen kann und so absichtlich seinen Konkurrenten blockiert. Sie reichen auf der harten Seite bis hin zu ungerechtfertigten Bestrafungen – so kann der Vorgesetzte zum Beispiel Verantwortung entziehen, ein Beförderungsversprechen zurücknehmen – oder sie zeigen sich als Einschüchterungsversuche oder im Ausspielen von Mitarbeitenden gegeneinander. 

Als richtiggehend «destruktiv» wird Führung bezeichnet, wenn die Mitarbeitenden über einen längeren Zeitraum durch Handlungen, der Führungskraft oder Erfahrungen mit ihr wiederholt so beeinflusst werden, dass sie das Verhalten der Führungskraft als behindernd oder feindselig betrachten (Helfrich/Steidle 2017; Schyns/Schilling 2013). Von aussen erkennt man eine solche vorgesetzte Person nicht unbedingt an schlechten Leistungsergebnissen: Auch über Manipulation und Druck lässt sich Leistung einfordern und kurzfristig erzielen. Erst mit einem scharfen Blick und auf die Dauer wird erkennbar, wie eine solche Führung auf Menschen und Zusammenarbeit wirken kann. 
Langfristig kann das Verhalten neben den Interessen des Einzelnen auch die Interessen der Organisation verletzen, indem es die Organisationsziele, die Effektivität, die Motivation, das Wohlbefinden oder die Arbeitszufriedenheit der Nachgeordneten untergräbt und/oder sabotiert (Einarsen et al. 2007).

    
Die dunkle Triade 

Wie kommt es also zu solch schlechter Führung? Als ursächlich gelten die Persönlichkeitseigenschaften, die unter dem Begriff «dunkle Triade der Persönlichkeit» zusammengefasst werden (Paulhus/Williams, 2002): Machiavellismus1, Psychopathie und Narzissmus. Egozentrisches Denken und ein rücksichtsloses Durchsetzen der eigenen Interessen umfassen eine hohe Bereitschaft, andere zu manipulieren, und geringe moralische Zweifel. Sie werden ergänzt um einen Hang zur Selbstdarstellung und Selbstüberhöhung und nicht zuletzt ein auf die eigenen Interessen bezogenes Anspruchsdenken (Helfrich/Steidle 2017).

Die Eigenschaften treten zunächst oft nicht direkt negativ zum Vorschein, stattdessen werden oft deren positiven Aspekte wie etwa Charisma oder Durchsetzungsfähigkeit wahrgenommen. Häufig sind es erst Stresssitua-tionen, Verunsicherung und Angst, die sie bei einem ausgeprägten Karrierestreben deutlich zu Tage fördern.
Schlechte Führungskräfte können in aller Regel nur wirken, wenn einerseits das Umfeld ihr Verhalten begünstigt und andererseits empfängliche Geführte vorhanden sind (Padilla et al. 2007): 

  • 
Ist ungerechtes und destruktives Verhalten in den oberen Führungsriegen verbreitet, orientieren sich einige Führungskräfte an ihrem Modell. 
  • Wird entsprechendes Verhalten der Vorgesetzten toleriert, tragen «empfängliche» Geführte zum Missstand bei. 

Die Unternehmensstrukturen und -kulturen spielen eine Rolle, wie sich andere Führungskräfte in der Organisation verhalten, aber auch, wie wir uns selbst verhalten.

Je nach Erscheinungsformen und Ursachen schlechter Führung liegt es anteilig in der Hand des Einzelnen, auf die Situation Einfluss zu nehmen. Nachfolgend einige beispielhafte Situationen:

Hoher Druck

Wenn Mitarbeitende von Vorgesetzten mit Arbeit zugedeckt werden, müssen sie sich vergegenwärtigen, dass zunächst «nur» sie selbst ein Interesse haben, die Situation zu ändern. Passivität und das Verhalten «ertragen» bringen auf die Dauer nichts, ausser steigenden Stress. In einem ersten Schritt ist zu analysieren, wodurch die Arbeitsflut verursacht wird. Sind zu wenig Ressourcen da? Werden Arbeiten einseitig vergeben? Können die Betroffenen ihre Arbeitseffizienz selber verbessern? 

Im Weiteren sollten die Situation konkret angesprochen und die konkreten Erwartungen des/der Vorgesetzten geklärt werden. Ziel sollte ein machbares Niveau an zu erledigenden Aufgaben sein und in diesem Zusammenhang eine Klärung der prioritären Aufgaben mit dem Vorgesetzten. In der Folge ist es günstig, in engem Kontakt mit der Führungskraft zu bleiben und regelmässig frühzeitig zu informieren. 

Bossing oder wenn der Chef mobbt!

Wenn eine vorgesetzte Person Direktunterstellte absichtlich mit Arbeit überlädt oder schikaniert, um die eigene Macht zu erweitern, ist es schwer, sich selbst zur Wehr zu setzen oder Verbündete zu finden. Viele Mitarbeitende leisten wie erwähnt keinen Widerstand oder beteiligen sich sogar an destruktivem Verhalten. Die Gründe von Mobbing und Bossing liegen oft in Antipathie, Neid oder Frust. Oftmals sind Überforderung, mangelnde Kommunikation und autoritäre Führungsstile begünstigende Faktoren. Auch ist bekannt, dass Unternehmen mit konstruktiver Streitkultur wesentlich weniger Mobbing- und Bossing-Vorfälle verzeichnen.

Zunächst sollte das Gespräch mit dem/der Vorgesetzten gesucht und aufgezeigt werden, welches Verhalten besteht und was die Wirkungen davon sind. Die Betroffenen sollten erklären, wie die Handlungen für sie wirken, und aufzeigen, dass sie sich eine konstruktive Zusammenarbeit wünschen. Zeigt dies wiederholt keinen Erfolg, dann sollten die Betroffenen ein Tagebuch führen. Je nach Verschärfung der Situation sind die Vorkommnisse zu dokumentieren und wenn möglich mit Belegen zu untermauern. Unter Umständen bleibt den Betroffenen nur der Weg zu einer übergeordneten Instanz oder das Ergreifen von rechtlichen Schritten. 

Mein Boss behandelt mich gut – führt aber was im Schilde

Wenn der Chef Anzeichen eines destruktiven Führers aufzeigt – also aus Eigeninteresse nicht im Sinne der Organisation handelt, kann es gut sein, dass er sich der Assistenz gegenüber sehr loyal und zuvorkommend verhält. Gerade Assistentinnen und Assistenten stehen nun in einer besonders herausfordernden Situation. Nicht selten wird von der so genannten «rechten Hand» uneingeschränkte Loyalität gefordert. Wenn Vorgesetzte mehr dem Eigen- als dem Unternehmensinteresse zugetan sind, ergeben sich Gewissenskonflikte für Assistentinnen und Assistenten. Loyalität gegenüber Vorgesetzten, die dem Unternehmen direkt oder indirekt schaden, lässt die Assistenz zum Komplizen werden und macht sie allenfalls auch erpressbar. Wenn eine vorgesetzte Person ohne Grund regelmässig auf Geschäftskosten nobel mittagessen geht und dazu von Zeit zu Zeit auch seine Assistentin einlädt, kann bereits ein solcher Konflikt entstehen. 

Es kann hilfreich sein, wenn sich die Betroffenen über das Unwohlsein gegenüber ihren Vorgesetzten äussern. Führungskräfte sind sich ihrer negativen Verhaltensweisen nicht unbedingt bewusst und nicht jedes Handeln ist in seinen Folgen immer gut durchdacht. Feedback ist daher wichtig und kann wirklich etwas ändern. 
Auf jeden Fall ist es ratsam, sich wiederholende Vorgänge zu dokumentieren. Viele Firmen haben klare Vorschriften zur Abwehr von strafbaren Handlungen und Regelverstössen im Unternehmen, so genannte Compliance-Vorschriften, oder auch Ombudsstellen. Eine Strafanzeige sollte der letzte und hoffentlich vermeidbare Schritt sein. 

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Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock leitet das Kompetenzzentrum Leadership & Personalmanagement an der FHS St. Gallen. Forschungsschwerpunkte sind u. a. Personal- und Karriereentwicklung sowie nachhaltiges Human Resources Management.

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