Porträt

Die Kunst des Wagnisses

Chaos haben bei Tamara Krieger nur ihre Porträthelden im Kopf: Die Assistentin von Swiss Re mag die Organisation und den Weitblick in ihrem Beruf und sieht ihn als Basis, um im Privaten auch Projekte auszuprobieren, deren Ausgang wenig absehbar ist. Als Ladenbetreiberin, Künstlerin oder Bloggerin.

Es kommt schon mal vor, dass Tamara Krieger eine neue Vase für das Wohnzimmer kauft, und danach die ganze Wohnung umstellt. Auch ein neues Wohnaccessoire braucht eben seinen perfekten Platz. Meist aber, gibt die Assistentin zu, steht da schon etwas. Also kommt es zum grossen Sesselrücken der kleinen Dinge. Was wiederum dazu führt, dass auch die Möbel plötzlich falsch stehen. Zusammen mit ihrem verständnisvollen Lebenspartner verschiebt Krieger dann Schränke, rückt Stühle zurecht und dreht das Sofa. Ein, man könnte sagen, gewöhnlicher Feierabend im Hause Krieger. Und selbst wenn am Schluss alles wieder am alten Platz steht, ist ihr Mann ihr nicht böse. Sie ist die Landhaus-Diva – nicht nur für ihn. 

Tamara Krieger trägt den Titel sozusagen offiziell, seit sie 2011 ihren Blog landhausdiva.ch ins Leben gerufen hat. Darin geht sie einer ihrer grössten Leidenschaften nach: dem Wohnen. Für Homestorys hat sie Politikerinnen und Adelige besucht, präsentiert Flohmarktstücke und stellt schöne Möbelgeschäfte vor. «Wohnen ist wahnsinnig wichtig», sagt sie mit Nachdruck. Wenn die Umgebung nicht schön sei, fühle sie sich nicht wohl. Regelmässig stellt sie darum auch Hotelzimmer um, in denen sie schläft. Mit einer guten Entschuldigung: «Was für das Auge harmonisch ist, wirkt auch auf die Seele harmonisch.» Diesen Zusammenhang hat sie früh verstanden und schon für ihre erste Wohnung im Verhältnis zum Lohn zu viel bezahlt. «Es war mir immer viel wert. Auch meiner Mutter«, erzählt sie. «Aber es ist auch mit sehr kleinem Budget möglich, sehr schön zu wohnen.»

Keine Frage des Geldes also, sondern des Stils. Und der ist selbstverständlich höchst individuell. Ihren eigenen beschreibt die Landhaus-Diva als urchig-elegant, bodenständig, ein bisschen glamourös und sehr eklektisch. In ihrem Blog sind aber auch hochmoderne, cleane Wohnungen zu finden. «Ich mache alles, was mich interessiert und in sich stimmig ist», beschreibt sie. Heraus kommen witzige Texte und viel Inspiration. Das hat ihr unter anderem auch Beratungsanfragen und Dekorationsaufträge eingebracht. «Das Wichtigste ist meist, zu reduzieren – Farben, Möbel, Accessoires. Das bringt schon viel Ruhe rein.» Und Familien sollten aufhören, ihre Häuser mit Kinderzeichnungen zu tapezieren.» Die müssen zwar nicht ganz verschwinden. «Auch die Sammlung von Porzellan-Büsi nicht, wenn’s sein muss. Aber alles braucht einen passenden Rahmen für den gelungenen Auftritt.»

Lieber exzentrisch als bescheiden

Gelungene Auftritte liegen Tamara Krieger nicht nur im Wohnbereich. Der Name für den Blog war von Anfang an klar. «Warum? Weil ich eine Diva bin und mich auch gerne so verhalte.» Die Meinung anderer ist für sie nur selten ausschlaggebend, der erste Eindruck muss sitzen und der ist besser etwas zu exzentrisch als zu bescheiden. Freundlichkeit gehört dazu, aber nicht unter allen Umständen. «Ich weiss, wann es darauf ankommt. Aber es kommt nicht immer darauf an. Manchmal ist Vehemenz die bessere Lösung.» Untypische Worte für eine Assistentin, doch wer ihr gegenübersitzt, schmunzelt. Sie hat Selbstironie, Humor und legt gerne eine unterhaltsame Theatralik auf. Man würde ihr auch eine humoristische Sendung im Fernsehen abnehmen, obwohl sie sich eher zum geschriebenen Wort zugetan fühlt. Lange wollte Krieger Journalistin werden. «In mancher Hinsicht entspreche ich nicht dem klassischen Bild unseres Berufes und ich habe überhaupt keine Probleme mit der Bezeichnung Vorzimmerdrache», sagt die Assistentin.

«Ich habe keine Probleme mit der Bezeichnung Vorzimmerdrache.»

Trotzdem arbeitet sie sehr gerne im Job und wird auch von ihrem Chef geschätzt: Seit 15 Jahren sind die beiden ein Team, Krieger hat sogar mit ihm den Arbeitgeber gewechselt. 13 Jahre arbeiteten sie zusammen bei Credit Suisse, seit vier Jahren sind sie nun bei Swiss Re. «Er vertraut mir, für mich das A und O in der Chef-Assis-tentinnen-Beziehung. Es erleichtert die Zusammenarbeit enorm.» Neben den klassischen Assistenzaufgaben organisiert sie mindestens zwei grössere Events pro Jahr und ist für ein Charity-Projekt in Afrika und neu den Philippinen zuständig. «Wir schicken jedes Jahr Fachkräfte nach Kenia, um jungen Menschen zu zeigen, wie man erfolgreich einen Businessplan erstellt. Damit geben wir ihnen die Grundlage, ein eigenes Geschäft zu gründen. Ein tolles Konzept, weil die Unterstützung so konkret und direkt ist.» Krieger ist für den reibungslosen Ablauf der Reise verantwortlich, organisiert Briefings und Telefonkonferenzen, koordiniert die Abläufe in Kenia und auf den Philippinen und macht die ganze Dokumentation sowie das interne Reporting für das Projekt. Generell gefällt ihr die Arbeit beim Rückversicherer besser als bei der Bank. «Die Mentalität ist anders, die Atmosphäre ist bedächtiger.»

Wedding Planner und Sängerin

Was Tamara Krieger im beruflichen Umfeld mag, eine gewisse Beständigkeit, wohlüberlegte Handlungen, eine vorausschauende Planung, wirft sie privat bei eigenen Projekten oft bewusst über den Haufen. «Mein Job war immer meine stabile, sichere Basis. Darüber hinaus probiere ich gerne aus. Da lebe ich mehr nach dem Motto: Mach einfach!» Veränderung, findet sie, gehört zum Leben. Angefangen bei der Wohnungseinrichtung, die nie über Monate konstant ist. Wenn sie eine Idee hat, packt sie an, probiert aus. Sie war, inspiriert von ihrem Jahr in Amerika und der Freude am Organisieren, nebenberuflich einmal Wedding Planner, «als hierzulande noch niemand wusste, für was man die braucht». Später war sie zwar noch oft an Hochzeiten, aber in anderer Funktion: als Solosängerin für einen Gospelchor. Gleichzeitig hatte sie die Administration dieser Fünferformation übernommen, die «schlicht nicht vorhanden war». Als nächstes grösseres Projekt hat sie zusammen mit ihrer Mutter in Zürich ein Geschäft für Wohnaccessoires eröffnet und nach einem guten Jahr wieder geschlossen, und sie ist Begründerin der Moneypenny Society in Zürich. «Ich engagiere mich für Dinge, die mir am Herzen liegen», erklärt sie die Auswahl. 

Vor allem die Moneypenny Society war ihr ein Anliegen. «Als Assistentinnen sehen wir den ganzen Tag, wie gut sich unsere Chefs vernetzen, welch grossen Teil ihrer Zeit sie für Networking aufwenden und wie sie davon profitieren. Eine solche Plattform müssen Assistentinnen auch haben.» Ziel sei neben dem Austausch auch gewesen, das Standing von Assistentinnen in den Firmen zu verbessern.

Pimp my Art  

Neben all den Projekten begleitet sie ein anderes Hobby konstant seit ihrer Kindheit: die Kunst. «Ich habe mich schon früh für Kunst interessiert – hauptsächlich für die alten Meister – und schon immer gemalt.» Ihren persönlichen Durchbruch schaffte sie vor drei Jahren, als sie eine Idee hatte, die sie seither nicht mehr loslässt. «Ich habe eine grosse Faszination für Gesichter und fühlte mich immer schon zu alten Porträtmalereien hingezogen. Leider sind die aber nicht mehr so zeitgemäss», erzählt Tamara Krieger und lacht. Oft stöbert sie auf Flohmärkten und ist angetan von den Unbekannten, die sie von den Leinwänden anstarren. «Ein solches Bild hing bei mir im Bad und mein Mann beschwerte sich, weil er es so hässlich fand.» Da hat sie der werten Dame in Form einer Collage kurzerhand eine passende Kopfbedeckung verpasst, eine Badehaube. «Hulda» ist jetzt kein verstaubtes Mütterchen mehr, sondern eine aussergewöhnliche Badenixe. «Es hat mich anfangs viel Überwindung gekostet, ein fremdes Bild zu überkleben. Aber die Freude am Neuen, das entsteht, überwiegt inzwischen.» Pimp my Art nennt Krieger die Serie, die schon viele Werke umfasst. Eine Gegenbewegung zu den Selfies, eine Renaissance von Zurückgelassenem. Und ein aussergewöhnliches Wohnaccessoire.

Ausser Dienst

Dafür habe ich einmal viel Mut gebraucht: Um das erste Mal in einem vollen Haus als Gospel-Solistin auf der Bühne zu stehen
Das bringt mich zum Lachen: Die unbedarfte Situationskomik, die der Alltag uns täglich beschert
Das wollte ich als Kind werden: Investigative Journalistin. Ich war fasziniert von den Protagonisten in der Fernsehserie «Lou Grant», wo es um einen Zeitungsredaktor ging, der mit seinen Reportern einen Skandal nach dem anderen aufdeckte.
Das bringt mich zum Staunen: Die Kunstszene. Täglich setzen Künstler neue Ideen in die Tat um und erschaffen unglaublich fantasievolle Werke. Das ist grossartig!
Das macht mich nachdenklich: Die Vorstellung, dass Donald Trump der nächste Präsident der USA werden könnte
Das würde ich gerne können: Abwarten, geduldig sein und die Contenance nie, aber auch gar nie verlieren
Diese Person würde ich gerne kennenlernen: Den Schweizer Künstler Urs Fischer

 

Trotzdem arbeitet sie sehr gerne im Job und wird auch von ihrem Chef geschätzt: Seit 15 Jahren sind die beiden ein Team, Krieger hat sogar mit ihm den Arbeitgeber gewechselt. 13 Jahre arbeiteten sie zusammen bei Credit Suisse, seit vier Jahren sind sie nun bei Swiss Re. «Er vertraut mir, für mich das A und O in der Chef-Assis-tentinnen-Beziehung. Es erleichtert die Zusammenarbeit enorm.» Neben den klassischen Assistenzaufgaben organisiert sie mindestens zwei grössere Events pro Jahr und ist für ein Charity-Projekt in Afrika und neu den Philippinen zuständig. «Wir schicken jedes Jahr Fachkräfte nach Kenia, um jungen Menschen zu zeigen, wie man erfolgreich einen Businessplan erstellt. Damit geben wir ihnen die Grundlage, ein eigenes Geschäft zu gründen. Ein tolles Konzept, weil die Unterstützung so konkret und direkt ist.» Krieger ist für den reibungslosen Ablauf der Reise verantwortlich, organisiert Briefings und Telefonkonferenzen, koordiniert die Abläufe in Kenia und auf den Philippinen und macht die ganze Dokumentation sowie das interne Reporting für das Projekt. Generell gefällt ihr die Arbeit beim Rückversicherer besser als bei der Bank. «Die Mentalität ist anders, die Atmosphäre ist bedächtiger.»

Wedding Planner und Sängerin

Was Tamara Krieger im beruflichen Umfeld mag, eine gewisse Beständigkeit, wohlüberlegte Handlungen, eine vorausschauende Planung, wirft sie privat bei eigenen Projekten oft bewusst über den Haufen. «Mein Job war immer meine stabile, sichere Basis. Darüber hinaus probiere ich gerne aus. Da lebe ich mehr nach dem Motto: Mach einfach!» Veränderung, findet sie, gehört zum Leben. Angefangen bei der Wohnungseinrichtung, die nie über Monate konstant ist. Wenn sie eine Idee hat, packt sie an, probiert aus. Sie war, inspiriert von ihrem Jahr in Amerika und der Freude am Organisieren, nebenberuflich einmal Wedding Planner, «als hierzulande noch niemand wusste, für was man die braucht». Später war sie zwar noch oft an Hochzeiten, aber in anderer Funktion: als Solosängerin für einen Gospelchor. Gleichzeitig hatte sie die Administration dieser Fünferformation übernommen, die «schlicht nicht vorhanden war». Als nächstes grösseres Projekt hat sie zusammen mit ihrer Mutter in Zürich ein Geschäft für Wohnaccessoires eröffnet und nach einem guten Jahr wieder geschlossen, und sie ist Begründerin der Moneypenny Society in Zürich. «Ich engagiere mich für Dinge, die mir am Herzen liegen», erklärt sie die Auswahl. 

Vor allem die Moneypenny Society war ihr ein Anliegen. «Als Assistentinnen sehen wir den ganzen Tag, wie gut sich unsere Chefs vernetzen, welch grossen Teil ihrer Zeit sie für Networking aufwenden und wie sie davon profitieren. Eine solche Plattform müssen Assistentinnen auch haben.» Ziel sei neben dem Austausch auch gewesen, das Standing von Assistentinnen in den Firmen zu verbessern.

Pimp my Art  

Neben all den Projekten begleitet sie ein anderes Hobby konstant seit ihrer Kindheit: die Kunst. «Ich habe mich schon früh für Kunst interessiert – hauptsächlich für die alten Meister – und schon immer gemalt.» Ihren persönlichen Durchbruch schaffte sie vor drei Jahren, als sie eine Idee hatte, die sie seither nicht mehr loslässt. «Ich habe eine grosse Faszination für Gesichter und fühlte mich immer schon zu alten Porträtmalereien hingezogen. Leider sind die aber nicht mehr so zeitgemäss», erzählt Tamara Krieger und lacht. Oft stöbert sie auf Flohmärkten und ist angetan von den Unbekannten, die sie von den Leinwänden anstarren. «Ein solches Bild hing bei mir im Bad und mein Mann beschwerte sich, weil er es so hässlich fand.» Da hat sie der werten Dame in Form einer Collage kurzerhand eine passende Kopfbedeckung verpasst, eine Badehaube. «Hulda» ist jetzt kein verstaubtes Mütterchen mehr, sondern eine aussergewöhnliche Badenixe. «Es hat mich anfangs viel Überwindung gekostet, ein fremdes Bild zu überkleben. Aber die Freude am Neuen, das entsteht, überwiegt inzwischen.» Pimp my Art nennt Krieger die Serie, die schon viele Werke umfasst. Eine Gegenbewegung zu den Selfies, eine Renaissance von Zurückgelassenem. Und ein aussergewöhnliches Wohnaccessoire.

Zur Person

Tamara Krieger (47) lebt in Birr AG und arbeitet seit 2012 als Assistentin des CFO Reinsurance bei Swiss Re. In den Assis-tenzjob eingestiegen ist sie bei Body Shop, wo sie in jungen Jahren engagiert die Werte und Kampagnen des Unternehmens unterstützte. Dann wechselte sie in eine Anwaltskanzlei, bis sie feststellte, dass sie nicht mehr wahrnahm, was sie den ganzen Tag vom Band tippte. Darauf hatte sie für kurze Zeit ihre vermeintliche Traumstelle: Sie wurde Assistentin beim Auktionshaus Christie’s, noch ohne Mail und Internet. Die Kunst alleine war aber auch nicht alles. Krieger ging zurück in eine Anwaltskanzlei und machte einen Abstecher in die Industrie, nur um festzustellen, dass das gar nicht ihre Welt ist. Sie ging zu Credit Suisse und begleitete ihren Chef nach 13 Jahren zu Swiss Re. 

 

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