Probezeit

Einfach mal machen

Natürlich gibt es gute Gründe, eine neue Stelle kurz nach dem Antritt wieder hinzuschmeissen. Doch oftmals werden Problemchen zu Problemen aufgeblasen und es fehlt der Wille, sich auch einmal durchzubeissen und Widerstände aus dem Weg zu räumen. Ein Plädoyer für mehr Durchhaltevermögen. 

Der Arbeitsvertrag ist unterschrieben – Freude herrscht auf beiden Seiten: Der Arbeitgeber hat eine neue Mitarbeiterin gefunden, von der er sich erhofft, dass sie Arbeitsabläufe optimiert und mit Schwung neue Aufgaben in Angriff nimmt. Die Kandidatin wiederum freut sich auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem neuen Chef und darauf, neue Themengebiete kennenzulernen. Als Personalagentur hören wir von den Bewerberinnen nicht selten, dass sie sich an einer neuen Stelle nicht bloss fachlich weiterentwickeln wollen, sondern die Herausforderung auch darin besteht, einmal eine andere Unternehmensstruktur oder Industrie kennenzulernen sowie ihr Können an einem neuen Ort erfolgreich in die Praxis umzusetzen.

Was ist der Dealbreaker?

Der anfänglichen Euphorie folgt dann jedoch allzu oft: nichts. Ernüchterung macht sich breit und nicht selten resultiert daraus eine überhastete Kündigung. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen: Wann sind Arbeitsbeziehungen eigentlich so abbruchfreundlich geworden? Wo bleibt denn «sein Bestes geben» und eine gewisse Freude über eine neue Arbeitsstelle? Vor einigen Jahren noch war die Probezeit mehr oder weniger Formsache. Heute werden Jobs oft schon fast wie Aktien gehandelt und abgestossen, sobald sich zeigt, dass sie nicht sofort die erwartete Performance bringen. Also: Was ist bei einem neuen Job ein Dealbreaker?

Machen wir uns auf Spurensuche: Im besten Fall sind der Vertragsunterschrift einige Gespräche vorausgegangen. Man war sich vermeintlich so sicher. Oder gab es vielleicht doch Bedenken? Und zwar von allen Beteiligten, beispielsweise ein etwas ungutes Bauchgefühl bei der Kandidatin, das diese jedoch geflissentlich übersehen hat? Oder hat der Arbeitgeber vielleicht doch etwas zu spät mit der Rekrutierung begonnen und geriet dann unter Zugzwang, weil die Stelle längst hätte besetzt sein sollen? Und ein weiteres Phänomen beobachte ich: Was im Briefing zwischen Agentur und Auftraggeber oder aber im Vorstellungsgespräch zwischen Kandidatin und Arbeitgeber besprochen wurde, ist eine Sache. Eine andere ist, was Vorgesetzte und Arbeitnehmer in der Praxis voneinander erwarten. Da tauchen plötzlich Hürdenauf, die nie thematisiert wurden.

Aber muss das zur Folge haben, dass man gleich aufgibt? Wenn man am neuen Arbeitsplatz beginnt, darf man mit einer Übergabe rechnen, auch damit, dass der Arbeitsplatz parat ist. Doch das klappt nicht immer. Das ist nicht ideal, aber auch kein Drama. Hier darf aus meiner Sicht von einer versierten Assistentin mit vielen Jahren Erfahrung erwartet werden, dass sie ihre Einarbeitung selbst managt. Das braucht Eigeninitiative, klar. Man muss auf Menschen zugehen, sich informieren, was wo wann zu bekommen ist. Und ganz ehrlich: War das denn nicht eine der im Interview genannten eigenen Stärken? Danach befragt, erhalte ich in neun von zehn Fällen genau diese Antworten: Ich bin organisationsstark, ich bin flexibel, ich bin anpassungsfähig.

Ein herausforderndes Umfeld oder die eine oder andere Schwierigkeit, die es zu überwinden gilt, ist genau der richtige Zeitpunkt, um das unter Beweis zu stellen. Aber Achtung: Wir sprechen hier nicht von Dingen, die nicht verhandelbar sind. Dazu gehört respektloses Verhalten oder Missachtung der Persönlichkeit. Unbestritten ist auch, dass Themen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die im Einstellungsgespräch vereinbart wurden, im Grossen und Ganzen mit der Realität übereinstimmen sollten. Ich spreche hier vielmehr Dinge an, die den Arbeitsalltag nicht gerade angenehm machen – zugegeben. Mit denen man aber leben kann. Die perfekte Stelle gibt es nämlich selten.

Nachsicht walten lassen

Zurück zu unseren Aktien: Ich möchte an dieser Stelle dazu ermutigen, eine Aktie nicht gleich abzustossen, sondern ihren Wert zu steigern, indem man sich entschlossen daran macht, am neuen Arbeitsplatz Netzwerke aufzubauen, Arbeitsabläufe zu verstehen, aber auch hie und da etwas Nachsicht walten lässt, wenn am Anfang noch nicht alles wie am Schnürchen klappt. Es lohnt sich, daran zu glauben, mit dem eigenen Verhalten auch das Verhalten anderer beeinflussen zu können und daran festzuhalten, dass sich Dinge positiv entwickeln können, auch wenn der Start etwas holprig war. Und wenn noch nicht alles passt, so rate ich dazu, ein klärendes Gespräch mit dem Vorgesetzten zu führen. Manchmal lassen sich Schwierigkeiten nämlich auch lösen. Durch geschicktes Verhandeln und ein wenig Geduld beginnen die Aktien möglicherweise wieder zu steigen. Und auch hier sind erneut beide Seiten gefragt. Zu Beginn investierte Zeit zahlt sich immer aus. Das hat mit Wertschätzung, Interesse und Respekt zu tun – und bitte sehr, wer wünscht sich das nicht? Die Zeit gleich am Anfang sinnvoll nutzen, das ist mein Ratschlag. Hintergründe und Zusammenhänge in Erfahrung bringen. Das geht nicht in vier Wochen.

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Ute Barnickel ist als Beraterin bei DA Unternehmens­beratung in Personalfragen, Zürich, im ­Bereich ­Segment ­Executive ­Assistants/Office ­Management ­tätig.

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