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Geldanlage für alle, die nicht wissen, wo sie anfangen sollen

Keine Ahnung vom Investieren? Warum man sich unabhängig vom Geschlecht und von der Höhe des Einkommens mit dem Thema Geldanlage ­beschäftigen sollte, erklärt Finanz­blogger Reto Stalder in seinem Gastbeitrag.

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Reto Stalder

Foto: zVg

Spätestens wenn sich ein grösserer Betrag auf dem eigenen Bankkonto angesammelt hat, sollte man sich Gedanken darüber machen, wie eine Bank eigentlich funktioniert. Denn wer sein Geld zur Bank bringt, wird zum ­Gläubiger und die Bank zum Schuldner. ­Vereinfacht gesagt: Sie geben Ihrer Bank einen Kredit und diese gibt Ihnen dafür bestenfalls einen mickrigen Zins auf Ihr Erspartes zurück.

Nun haben wir im März dieses Jahres einmal mehr erfahren müssen, dass auch Grossbanken ab und zu wanken. Immerhin sind in der Schweiz Kundengelder bis 100 000 Franken im Falle eines Bankenkonkurses durch die Einlagensicherung geschützt.

Aber auch kleinere Beträge sind auf dem Bankkonto nicht so sicher, wie viele glauben. Erst in den letzten eineinhalb Jahren machte sich die Inflation in der Schweiz wieder verstärkt bemerkbar. Für den gleichen Warenkorb bezahlen wir an der Kasse des Detailhändlers unseres Vertrauens eineinhalb Jahre später plötzlich deutlich mehr.

Dem Geld auf dem Bankkonto geht es nicht besser. Aber dort spüren wir es weniger direkt: Wenn Ihr Guthaben von 50 000 Franken zwei Jahre lang zinslos auf dem Konto liegt und die Inflationsrate drei Prozent beträgt, bleiben Ihnen nur noch 47 000 Franken an realer Kaufkraft.

Eine weitere Herausforderung ist die demografische Entwicklung. 1955 lag die Lebenserwartung bei 80 Jahren, der Ruhestand machte etwa 19 Prozent des Lebens aus. Im Jahr 2020 betrug die Lebenserwartung bereits 88 Jahre und der Ruhestand 26 Prozent des Lebens. Der prozentuale Anteil des Erwerbslebens wird dementsprechend immer geringer.

In der Phase des Erwerbs­lebens bauen wir mit der ersten Säule, der staatlichen Vorsorge, und der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge, unsere Altersversorgung auf. Die Höhe des Einkommens und die Anzahl der Beitragsjahre bestimmen massgeblich die Höhe der Altersrente. Ziel der beiden Säulen ist es, ein Renteneinkommen von rund 60 Prozent des letzten Lohns zu erreichen. Grosse Sprünge sind damit nicht möglich. Wir kommen also nicht umhin, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Womit anfangen?

Bevor Sie sich in das Abenteuer Geldanlage stürzen, sollten Sie sich Klarheit über die eigene finanzielle Situation verschaffen. Der erste Schritt dazu ist die Erstellung eines Budgets. Dabei werden die monatlichen Einnahmen den Ausgaben gegenübergestellt. Wenn Sie nicht genau wissen, wohin Ihr sauer verdientes Geld fliesst, hilft es, eine Zeit lang akribisch Buch zu führen. Sind die Einnahmen höher als die Ausgaben, können Sie monatlich etwas zur Seite legen – eine wichtige Voraussetzung für die Geldanlage. Ist das nicht der Fall, sollten Sie versuchen, entweder die Einnahmen zu erhöhen oder (und) die Ausgaben zu senken.

In einem zweiten Schritt listen Sie alle­ Vermögenswerte, die Sie besitzen, in einer Vermögensaufstellung auf. Wie in einer Bilanz führen Sie unter «Aktiven» Lohnkonto, Sparkonto, 3a-Konto und allenfalls Wertschriftendepot, Lebensversicherung und Immobilien auf. Vergessen Sie nicht, Ihr angespartes Altersguthaben aus der zweiten Säule aufzulisten, denn auch dieses gehört Ihnen.

Unter «Passiven» listen Sie alle Schulden wie ­Darlehen oder Hypotheken auf. Wenn Sie nun die Passiven von den Aktiven abziehen, ist das Resultat hoffentlich positiv. Mehr als Plus- und Minusrechnen brauchen Sie also nicht zu können. Um bei unvorhergesehenen Ausgaben nicht ins Minus zu rutschen, sollte man sich zunächst einen Notgroschen zulegen, der jederzeit verfügbar ist. Die meisten Menschen fühlen sich mit einem Notgroschen von drei bis sechs Monatsausgaben wohl.

In was investieren?

Aufgrund des meist langen Anlagehorizonts und der Steuerersparnis lohnt sich ein Blick auf die gebundene Vorsorge, die Säule 3a. Diese kann nicht nur in Form eines Kontos, das in der Regel keine nennenswerten Zinsen abwirft, sondern auch in Form eines Wertschriftendepots geführt werden. Dafür brauchen Sie keine Millionen, viele Säule-3a-Anbieter ermöglichen die Anlage bereits ab wenigen Franken.

Zu Beginn füllen Sie einen Fragebogen aus, der Ihr Risikoprofil ermittelt. Dieses setzt sich zusammen aus der Risikofähigkeit, das heisst, der wirtschaftlichen Fähigkeit, Risiken zu tragen, ohne in finanzielle Bedrängnis zu geraten, und der Risikobereitschaft, das heisst, wie gut man vorübergehende Kursverluste emotional verkraften kann.

Die Anbieter der Säule 3a stellen Ihnen dann ein Portfolio zusammen, das in der Regel aus Aktien und Obligationen besteht. Je mehr Risiko man eingehen kann, desto höher ist der Aktienanteil. Je höher der Aktienanteil, desto höher sind einerseits die zu erwartenden Renditen, andererseits aber auch die zu erwartenden Schwankungen.

Hat man den Säule-3a-Maximalbetrag von derzeit 7056 Franken für Erwerbstätige mit Pensionskasse ausgeschöpft und noch Geld übrig, kann man sich im weiten Feld der freien Vorsorge umsehen. Damit Sie sich dabei nicht verirren, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  • Achten Sie auf die Kosten: Im Gegensatz zu den möglichen Gewinnen sind die Kosten das einzig Sichere. 
  • Wenn Sie etwas nicht verstehen, fragen Sie nach. Die Chancen stehen gut, dass es nicht an Ihnen liegt, sondern am intransparenten oder unnötig komplizierten Finanzprodukt.    
  • Sind die versprochenen Renditen zu hoch, ist meist auch das Risiko zu hoch. Als Anhaltspunkt können Sie sich an der annualisierten Durchschnittsrendite des Schweizer Aktienmarkts orientieren. Diese lag in den letzten rund 100 Jahren bei etwa 7 Prozent.     
  • Wenn Sie sich in Geldfragen beraten lassen: Fragen Sie sich, welche (finanziellen) Interessen Ihr Gegenüber hat, und prüfen Sie, ob diese mit Ihren Interessen übereinstimmen.

Und zu guter Letzt: Nur das Geld an der Börse anlegen, das Sie in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren nicht brauchen. Es wäre schade, wenn Sie das Geld benötigen, die Börse aber gerade auf Talfahrt ist. Bilden Sie für jedes Ziel einzelne «Kassen» und investieren Sie entsprechend dem Anlagehorizont. Wenn Sie beispielsweise in drei Jahren auf Weltreise gehen wollen, sollten Sie die dafür benötigten 15 000 Franken konservativ anlegen. Das gute alte Sparkonto oder Kassenobligationen könnten die richtige Wahl sein.

Wenn Sie jetzt enttäuscht sind, dass Investieren viel langweiliger ist als eingangs beschrieben, dann habe ich mein Ziel erreicht. Suchen Sie sich ein spannendes Hobby oder einen herausfordernden Job, aber lassen Sie Ihr Geld in Ruhe für sich arbeiten.

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Reto Stalder absolvierte ursprünglich eine Lehre als Konstrukteur und ­besuchte anschliessend die Schauspielschule. Seit 2020 betreibt er den ­Finanzblog Finanzdepot und hat sich zum Vermögens- und Finanzberater ­ausbilden lassen.
finanzdepot.ch

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