«Ich habe mich selbst beschränkt»

Ihr Job ist für viele Assistentinnen eine Berufung. Doch was passiert, wenn sich die eigene Persönlichkeit oder die Lebensumstände ändern und der Job plötzlich nicht mehr passt? Wir haben mit aktuellen und ehemaligen Assis-tentinnen gesprochen, die sich zu neuen Ufern aufgemacht haben. 

Allein als Allrounderin

Olivia Yakoubi, 37
Personalvermittlerin für Assistentinnen bei Yakoubi Associates

«Als Assistentin des Gründers und Geschäftsführers einer Finanzboutique hatte ich eine wirklich attraktive und vielseitige Assistenzrolle mit einem breiten Aufgabenspektrum. Neben der persönlichen Assistenz und Office-Management-Tätigkeit habe ich auch Marketing- und HR-Aufgaben übernommen und hatte viele Einblicke ins Tagesgeschäft. Aber der Wunsch nach mehr Selbständigkeit wuchs mit den Jahren immer mehr in mir. Selbst zu entscheiden und eine noch flexiblere Arbeitsgestaltung sprachen mich an. Als Assistentin konnte ich meist nur die Informationen sammeln und aufbereiten, selten die finale Entscheidung treffen. 

Den entscheidenden Impuls, den Schritt zu wagen, gab dann das Angebot eines Headhunters, dessen Kunden ihn immer wieder auch um die Vermittlung von Assistentinnen baten. Weil er diese Zielgruppe aber weder kannte noch das entsprechende Netzwerk hatte, bot er mir eine Kooperation an. Ich sagte zu, gründete meine eigene Firma und rekrutiere heute Assistentinnen für Firmenkunden im Finanzdienstleistungsbereich. Dass ich sozusagen noch vor Beginn ein potenzielles Kundennetzwerk hatte, erleichterte mir den Schritt in die Selbständigkeit natürlich enorm. Als Assistentin war ich eine totale Allrounderin. Das hilft mir heute, denn mit einer Einzelfirma bin ich für sämtliche Aspekte der Tätigkeit selbst verantwortlich. 

Nach fünf Jahren als Selbständige geniesse ich heute natürlich die freie Zeiteinteilung, insbesondere lässt sich meine Tätigkeit aufgrund der flexiblen Arbeitszeitgestaltung gut mit meiner anderen Aufgabe als Mutter von zwei Kindern vereinbaren. Ich vermittle Menschen in einen Job, den ich selbst gut kenne, weiss also genau, wo die Hürden und Knackpunkte liegen. Das hilft mir im Alltag sehr. Für den Moment passt mir meine Arbeit sehr gut. Ob ich mit meiner beruflichen Tätigkeit angekommen bin, lässt sich nicht abschliessend definieren, denn angekommen ist man nie. Egal was man tut, sich weiterzuentwickeln und teils auch komplett neue Wege einzuschlagen, ist unabdingbar und kann sehr erfüllend und spannend sein.»

yakoubi.ch                                                                                                                                                                                                                                                                       

100 Ideen im Kopf

Andreia Fernandes, 34
Geschäftsleiterin von Seabrand und Medica Mondiale Foundation Switzerland sowie Gründerin von Sexy Little Bag

«Nach dem KV arbeitete ich einige Jahre lang als Team Assistant und Executive Assistant. Irgendwann kam dann der Moment, wo ich dachte, ich will selbst die Chefin sein und selbst Entscheidungen treffen. Es hat mich gestört, dass ich das als Assistentin nicht konnte. Also habe ich begonnen, Internationales Management zu studieren. Nach meinem Bachelor fing ich in einer Unternehmensberatung als Consultant an. Aber auch dort fehlte mir die Verantwortung für etwas Eigenes. Mir war langweilig. Also habe ich berufsbegleitend ein MBA absolviert und bin dann in ein Start-up in der Medizinaltechnik als globale Produktmanagerin eingestiegen und konnte dort endlich mitgestalten. Nach dreieinhalb Jahren und drei verschiedenen Chefs kam dann aber der Punkt, an dem ich mich entschloss, mich selbständig zu machen. Heute habe ich meine eigene Coaching- und Beratungsfirma, um anderen zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten. Mein emotionales Hauptprojekt ist aber mein zweites Unternehmen Sexy Little Bag – ein kleines soziales Unternehmen, das aus nicht mehr benötigten BHs und Bikinioberteilen kleine Taschen fertigt. Die Idee kam mir, als ich meinen neuen Lieblings-BH nicht wegwerfen wollte, obwohl er mir nicht passte. Da merkte ich, dass man BHs und Bikinioberteile wunderbar zu kleinen Taschen umfunktionieren kann. Am besten nachhaltig und mit einem sozialen Touch. Fast zwei Jahre lang habe ich dann nach einem Partner gesucht, der mir die Taschen näht. Mittlerweile arbeite ich unter anderem mit der Nähstube der Caritas zusammen, wo Menschen auf dem zweiten Arbeitsmarkt wie Langzeitarbeitslose oder Flüchtlinge eine sinnvolle Beschäftigung erhalten. Die BHs erhalte ich von allen Seiten. Zuerst habe ich natürlich meinen Freundinnen von diesem Projekt erzählt. So und durch verschiedene Medienberichte wurde die Idee immer grösser. Heute erreichen mich BHs und Bikinioberteile aus allen möglichen Quellen. Manche Frauen schicken mir ihren Lieblings-BH und wünschen diesen als eigenes Sexy Little Bag zurück zu kaufen, ein Wunsch den ich herzlich gerne erfülle! Ich verhandle gerade auch mit einigen Herstellern, damit diese mir unverkaufte Kollektionen, die sonst vernichtet würden, zum Upcycling überlassen. Die Taschen verkaufe ich in meinem Online-Shop.» 

sexylittlebag.com, seabrand.com
Andreia Fernandes ist vom 3. bis 6. -November mit ihren Produkten an der Designgut-Messe in Winterthur, wo nachhaltige Produkte ausgestellt werden. Wir verlosen zwei Tickets für die Messe unter marketing@missmoneypenny.ch

Mehr gute Gefühle

Carmen Fries, 43
Assistentin der Geschäftsleitung, iba AG und Gründerin von feelgood@office

«Ich bin vor drei Jahren 40 geworden. Und wie immer bei einem runden Geburtstag, habe ich mich gefragt, ‹Wie geht es jetzt weiter mit dir, Frau Fries? War es das jetzt oder was kann da noch kommen?› Mein Job als Assistentin machte mir viel Spass und ich bekam die Rückmeldung, dass ich gut darin bin. Und dennoch fehlte mir damals etwas und das liess mir keine Ruhe. Bis zu jenem Zeitpunkt musste ich vor allem funktionieren, weil ich als alleinerziehende Mutter lange Jahre finanziell nicht nur für mich, sondern auch für meine Tochter verantwortlich war. Doch sie steht jetzt auf eigenen Beinen und ich habe wieder Kapazitäten für meine eigene Weiterentwicklung.

Ein Thema, das mich schon lange interessierte, war Mitarbeiterzufriedenheit. Die Ausbildung zur Feel Good Managerin war da genau das Richtige. Sie hat mir die Augen geöffnet. Erstmals in meinem Leben ging es nicht mehr darum, fachlich besser zu sein. Bisher habe ich mich immer mit dem Ziel weitergebildet, dann eine Managementfunktion ausüben zu können. Jetzt ging es vor allem darum, mich persönlich weiterzuentwickeln. Genau das brachte mir den Durchbruch und den Mut, mein eigenes Projekt ins Leben zu rufen.

Natürlich ging das nicht von jetzt auf gleich. Die Idee für mein Projekt lag erst einmal neun Monate in der Schublade. Mein erster Mann war selbständig und ist damit bankrott gegangen. Natürlich hatte ich Angst. Aber die Vision liess mich nicht los. Ich möchte Assistentinnen sagen, dass sie einen grossen Einfluss darauf haben, wie gut es den Mitarbeitern im Betrieb geht. Und dass sie durch die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit einen grossen Einfluss auf den Geschäftserfolg nehmen können.

In meinem Job als Assistentin bin ich immer wieder an Wachstumsgrenzen gestossen – mittlerweile glaube ich aber, dass ich mich vor allem selbst in meiner Rolle beschränkt habe. So nach dem Motto: ‹Eine Assistentin darf bis hierher und nicht weiter. Alles andere ist Aufgabe des Managements.› Ob das wirklich so ist und wo die Grenzen einer Assistentin liegen, hat so niemand je gesagt. Aber das war mein Verständnis des Jobs: Es gibt ein klar abgestecktes Territorium für Assistentinnen und das dürfen diese nicht verlassen.

Mittlerweile sehe ich das differenzierter. In meinem aktuellen Job verlasse ich auch nach und nach meinen selbst abgesteckten Garten und erweitere mein Handlungsfeld so, dass ich das Management und die Mitarbeiter bestmöglich unterstütze, um das Unternehmen mit einem glücklicheren Team erfolgreicher zu machen. Die meisten kennen mittlerweile den Begriff Feel Good Management und wissen, dass ich mich dafür engagiere. Immer mal wieder kommen die Mitarbeiter mit ihren Sorgen und Problemen auf mich zu.

Mit meiner Firma bin ich jetzt im zweiten Jahr. Ich habe ein Dossier zum Thema veröffentlicht, entwickle gerade für einen deutschen Wirtschaftsverlag einen Fernkurs für Assistentinnen zur Feel Good Managerin, der ab Oktober 2016 angeboten wird, und halte am Assistenz-Gipfel in Zürich im November einen Vortrag zu meinem Thema. Im Moment tue ich all das neben meinem Job, ich kann mir aber auch sehr gut vorstellen, mich irgendwann ausschliesslich um die Weiterentwicklung anderer Assistentinnen zu kümmern und ihnen zu zeigen, was sie mit dem Feel Good Management zum Unternehmenserfolg beitragen können.»

feelgood-at-office.com
Das Miss Moneypenny Dossier «Feelgood Management und Corporate Happiness» von Carmen Fries und Oliver Haas können Sie auf missmoneypenny.ch/angebote bestellen.                                                                                                                                                                                              
                                                                   

Mehr Materie

Ursula Odermatt, 31
HR Manager ad interim and on assignments

«2012 habe ich mit der Weiterbildung zur eidg. dipl. Direktionsassistentin begonnen. Nach einem Jahr, mit noch nicht mal 30 Jahren, war mir klar, dass ich nicht weitere 35 Jahre als klassische Assistentin arbeiten möchte. Damals arbeitete ich bereits für einen CEO in einer internationalen Organisation und habe festgestellt, dass keine gezielte Weiterentwicklung oder Weiterbildung möglich war. Mir fehlte eine Spezialisierung, eine bestimmte Materie, ein gezielter Austausch mit Menschen und die Mitarbeit in Projekten. Die Ausbildung habe ich dann aber beendet, weil ich schon viel Zeit investiert hatte und nicht einfach abbrechen resp. aufgeben wollte.

Im Nachhinein hat mir die Ausbildung einiges gebracht. Gerade in der IT und in anderen Bereichen habe ich vieles dazugelernt. Kommunikations- und Informationsaustausch, unternehmerische Aufgaben, komplexe administrative Belange, rasche Veränderungen und Ad-hoc-Aufgaben kann ich heute gelassener und auch professioneller angehen und umsetzen.  Noch parallel zum eidgenössischen Diplom habe ich mir im Selbststudium das Wissen für die HR-Assistentinnen-Prüfung angeeignet und diese auch abgelegt. So konnte ich nach meinem Abschluss 2014 das nächste eidgenössische Diplom zur HR-Fachfrau anschliessen. Seit Oktober 2015 habe ich diese Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen und arbeite im Human Resources Bereich. Mit der HR-Fachrichtung kann ich mich später weiterentwickeln und spezialisieren; zum Beispiel im Bereich Learning & Development oder Compensation & Benefits, Global Mobility etc. Bisher habe ich in mehreren zeitlich befristeten Stellen Erfahrungen sammeln können. Zuerst habe ich bei einer internationalen Handelsgesellschaft das HR auf- und ausgebaut, dann in der Pharmabranche eine Mutterschaftsvertretung im HR-EMEA-Bereich gemacht. Im Moment bin ich bei einer internationalen Stiftung in Zug tätig und unterstütze während einer Übergangsphase (transformation process). Ich bin gespannt, was danach kommt. Auf jeden Fall sollte es eine Stelle sein, in der ich meine Berufserfahrung und Fachkenntnisse einbringen und dabei Neues erlernen kann.»

 

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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