Eigenmarketing

Jeden Tag ein Eigenlob

Eigenlob stinkt? Ganz und gar nicht, findet Petra Wüst, Expertin für Selbstmarketing. Wie sollen andere uns wertschätzen, wenn wir es selbst nicht tun?

In unserer Umfrage zum Thema Selbstmarketing haben viele Leserinnen angegeben, dass sie Angst davor haben, arrogant zu wirken, wenn sie ihr Können ins rechte Licht rücken. Woher kommt das?

Petra Wüst: Das ist besonders für Frauen ein Problem, denn sie werden tendenziell noch mehr zu Bescheidenheit erzogen als Buben. Mädchen wird vermittelt: «Schau, dass es den anderen gut geht». Selbstbewusstsein wird ihnen eher negativ ausgelegt.

Was entgegnen Sie auf solche Befürchtungen?

Zwei Dinge: Erstens laufen gerade diejenigen, die sich die meisten Gedanken darüber machen, am wenigsten Gefahr, auch tatsächlich arrogant zu wirken. Statt ihre Zeit für solche Gedanken zu verschwenden, sollten sie lieber darüber nachdenken, wie sie selbstbewusster auftreten können. Und zweitens müssen wir lernen zu akzeptieren, dass wir nie allen gefallen werden. Das ist Teil des Spiels. Wer alles für alle sein will, ist nichts für niemanden. Je mehr Profil jemand also hat, desto mehr eckt er auch an. Es gibt wirklich Schlimmeres, als von einigen Menschen als arrogant angesehen zu werden. Erst wenn die Leute keine Meinung über mich haben, habe ich ein Problem. 

Wieso?

Weil ich dann kein Profil habe, die Leute kalt lasse und sie nicht wissen, wofür ich stehe. Leider neigen gerade Frauen dazu, möglichst bei allen beliebt sein zu wollen. Ich hatte gerade eine junge Frau im Coaching, die zur Teamleiterin aufgestiegen war und nun Angst hatte, nicht mehr die gleiche kollegiale Beziehung zu ihren früheren Gspändli aufrechterhalten zu können. 

Was ist eine persönliche Marke überhaupt?

Eine Marke steht immer für bestimmte Eigenschaften und weckt bei anderen Emotionen. Die Menschen in unserem Umfeld kennen diese Eigenschaften und verbinden Emotionen mit uns, oft sogar dann, wenn sie uns noch nicht einmal persönlich getroffen haben. Das ist das, was wir als Ruf bezeichnen. Wer keine Emotionen weckt, ist ein No-Name. 

Petra Wüst

Petra Wüst ist Expertin in Sachen Self Branding und international als Beraterin, Trainerin und Referentin tätig. Zudem unterrichtet sie an verschiedenen Hochschulen, unter anderem an der Universität Lau-sanne und der Universität Basel. Mehrere ihrer Bücher zum Thema sind Bestseller. In ihren Workshops und Vorträgen ins-piriert und unterstützt sie ihre Kundinnen und Kunden dabei, für sich selbst eine unverwechselbare Marke zu gestalten und zu leben. Petra Wüst ist Ökonomin mit einem Doktorat der Universität Zürich. wuest-consulting.ch

Braucht jeder Mensch eine eigene Marke?

Jeder Mensch hat eine Marke, denn unsere Marke entsteht letztendlich immer im Auge des Betrachters. Die Frage ist, ob man die hat, die man will. 

Kann ich mir meine Marke einfach selbst verpassen? 

Nein, persönliche Marken sind kein Wunschkonzert. Sie können nicht einfach versuchen, Heidi Klum zu kopieren, weil Sie die vielleicht toll finden. Sie haben Ihre eigene Marke. Die können Sie nicht neu gestalten, aber Sie können sie steuern. Denn Sie entscheiden, welche Elemente Ihrer Persönlichkeit Sie gegen aussen zeigen wollen und wie Sie das machen. Diese Arbeit an der persönlichen Marke lohnt sich, denn das ist Arbeit an einem selbst. 

Wo fängt man damit an?  

Als erstes geht es darum, herauszufinden, was das Zentrale an einem selbst ist. Die eigene Marke baut immer auf dem auf, was man bereits hat. Der erste Schritt ist darum immer der Blick nach innen auf die wichtigsten eigenen Stärken. Die überlegen wir uns nämlich viel zu selten und das ist so schade. Denn verkaufen können wir nur unsere Stärken. 

Wie finde ich die denn heraus?

Indem ich mich frage, welche Ressourcen ich habe und was ich besonders gut kann. Viele haben dann erst mal das Gefühl: Ich bin doch ganz normal und habe gar nichts Besonderes zu bieten. Ich höre dann Sachen wie: «Das kann doch jeder» oder «Das wissen doch alle». Aber damit liegen wir meistens falsch. 

Haben Sie Beispiele, nach welchen Stärken wir bei uns suchen sollten? 

Es gibt vier Arten von Stärken: fachliche, methodische, soziale und individuelle. Zu den fachlichen Stärken gehört alles, was wir uns während Aus- und Weiterbildungen oder on the Job fachlich angeeignet haben, methodi-sche Stärken können zum Beispiel so etwas wie Projekt- oder Zeitmanagement sein. Zu den sozialen Stärken gehören Kommunika-tion, Umgang mit Konflikten und mit anderen, und die individuellen Stärken beziehen sich auf den Umgang  mit sich selbst, zum Beispiel Selbstmotivation oder Frustrationstoleranz.

Was mache ich, wenn ich meine Stärken kenne? 

Ganz wichtig ist es, die Stärken zu gewichten. Dann ergibt sich sozusagen die Essenz von einem selbst und man kann das in einen persönlichen Leitsatz packen. Dabei ist Fokus ganz wichtig, denn Menschen «kaufen» nur, was sie einfach und schnell erfassen können. Indem wir uns im Alltag konsequent nach unserem Leitsatz verhalten und ihn für andere erlebbar machen, formt sich mit der Zeit in der Wahrnehmung der Menschen ein entsprechendes Bild. 

Wie könnte ein solcher Leitsatz lauten? 

Mein persönlicher Leitsatz, ich nenne dies das Marken-Mantra, lautet: «Ich verbinde Management mit Menschlichkeit.» Das sind grosse Begriffe. Deshalb ist es wichtig, dass ich genau weiss, was ich unter Menschlichkeit verstehe. Das ist nicht für alle Leute das Gleiche. Und je konsequenter ich mich in meinem Sinne «menschlich» verhalte, desto klarer wird das Bild, das die anderen von mir haben. 

Brauche ich einen beruflichen und einen persönlichen Leitsatz? 

Nein, denn meine Persönlichkeit ist nicht teilbar. Meine Stärken und Werte sind immer die gleichen, ob ich nun privat oder beruflich unterwegs bin. Ich zeige diese etwas anders, passe mich bis zu einem gewissen Grad an mein Umfeld an. Aber ich bin doch immer dieselbe Person. 

Die meisten Menschen haben überhaupt keine Mühe, auf die Schnelle ganz viele Schwächen aufzuzählen. Warum ist das so?

Unser Gehirn ist nicht modern. Banal ausgedrückt, funktioniert es sogar noch ziemlich dinosauriermässig. Um zu überleben, war es damals wichtig, Gefahren zu erkennen, und die sind nun einmal nie positiv. Heute funktioniert das Gehirn noch genauso und darum können wir uns so schwer von den Gedanken befreien, was alles schief laufen könnte oder schief gelaufen ist. 

Was nun?

Wir müssen uns gedanklich zwingen, über diesen Schatten zu springen. Gerade Frauen neigen dazu, misserfolgsorientiert zu denken. 

Das heisst?

Wenn etwas gut gelaufen ist, sagen sie: Ich hab halt Glück gehabt. Ist es schlecht gelaufen, suchen sie die Schuld bei sich. Dabei gibt es keinen Grund, warum wir immer so an uns zweifeln und unser Licht unter den Scheffel stellen. Wir sind ja keine Schaumschläger! Ich wünsche mir die Haltung «Ich darf das. Ich hab viel zu bieten».  

Sie betreiben auch optisches Branding und tragen immer Rot. Würden Sie Ihren Klienten dazu raten, sich ebenfalls eine «eigene» Farbe zuzulegen?

Ich finde das sehr wirkungsvoll und es bringt viel. Das Optische bestimmt immer den ersten Eindruck und schafft Wiedererkennung, ausser am Telefon natürlich. Solche Erkennungsmerkmale gibt es viele. Denken Sie nur an die deutsche Moderatorin, die lispelt …

Katja Burkard …

Genau. Jeder kennt deren Namen. Das Lispeln ist sozusagen ihr auditives Markenzeichen. Aber natürlich ist das nur ein Puzzleteil von sehr vielen. Wenn ich mich jetzt einfach rot kleide, bringt das noch gar nichts. Es kommt auf das Gesamtbild an. 

Muss die eigene Marke regelmässig überarbeitet und angepasst werden? 

Ab 30 ist unsere Persönlichkeit mehr oder weniger gefestigt. Man bleibt man selber, auch wenn sich das Umfeld ändert. Deshalb ist der Kern der Marke längerfristig stabil. Es ist jedoch klug, sich bezüglich der Elemente, die man nach aussen zeigt, in die eine oder andere Richtung anzupassen, man hat immer Optionen. Ich sehe das wie eine dreispurige Autobahn: Mal fährt man eher rechts, mal eher links, aber man verlässt die Autobahn nicht. Wer sich nur noch anpasst, hat kein Profil mehr. 

Viele wissen nicht, wann sie ihre Stärken wie kommunizieren sollen …

Am besten auf verschiedenen Kanälen. Der wesentlichste Aspekt dabei ist aber, wie Sie grundsätzlich über sich selbst reden und sich selbst darstellen. Sie entscheiden, ob Sie von sich als halbvollem oder halbleerem Glas reden. Wie soll jemand anders sehen, was Sie zu bieten haben, wenn Sie es selbst nicht wertschätzen? 

Haben Sie ein Beispiel? 

Wenn Ihnen Ihre Chefin ein Kompliment sagt, weil Sie etwas gut gemacht haben, können Sie entweder sagen: «Ach das ist doch nichts weiter, das war ganz einfach.» Oder sie können sagen: «Danke, das hab ich gern gemacht.» Schon allein die Sprache verändert vieles. Wir sind es gewohnt, immer alles runterzumachen oder kleinzureden: Da ist das Wetter schlecht, das Projekt harzt und so weiter. Wer stattdessen davon erzählt, woran er grad arbeitet, was alles gut läuft, vermittelt gleich eine ganz andere Botschaft. Und dafür gibt es jeden Tag unzählige Möglichkeiten. 

Konsequentes Eigenlob also? 

Ja. Ich rate allen dazu, sich jeden Tag mindes-tens einmal selbst zu loben. Nicht sich selbst gegenüber, sondern bei anderen. Wichtig ist, dass man dabei konkret wird. Einfach zu sagen, ich bin super, funktioniert nicht. Aber wenn ich zum Beispiel an dem Tag eine schwierige Kundin wieder zufrieden gemacht habe, kann ich erzählen, wie genau ich das geschafft habe. Ich rate auch dazu, ein Tagebuch über den eigenen Erfolg zu führen. Damit ist man vorbereitet und tappt nicht immer wieder in die Falle, zuerst das Negative zu erzählen. Und spätestens zum Jahresende, wenn es an die Mitarbeitergespräche geht, ist es extrem hilfreich, noch einmal nachzulesen, was in dem Jahr gut gelaufen ist. 

Kommentieren 0 Kommentare

Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

Weitere Artikel von Stefanie Zeng
Log in to post a comment.

KOMMENTARE

ADD COMMENT