Portrait

Mit Hund im Heck und PS unter der Haube

Eigentlich wollte Corina Seidl Automechanikerin werden, doch es kam anders. Trotzdem hat sie jetzt ihren Traumjob: Seit fast einem Jahr ist sie Assistentin bei der Porsche Schweiz AG. Privat fährt die Autoliebhaberin noch nicht ihren Favoriten, den 911 Carrera 4 GTS. Aber der wäre aus gutem Grund sowieso nur Zweitwagen.

Das erste Wort, das Corina Seidl sprach, war nicht «Mama», nicht «Papa», sondern «Auto». Ihre Mutter hat das nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil. Es war der frühe Beweis, dass sie ihre Faszination für Autos an ihre Tochter weitergegeben hatte. Corina Seidls Mama war die erste Autolackiererin in Zürich.

«Auch mein Vater, mein Halbbruder und mein Grossvater haben bei uns im Garten ständig an Autos rumgebastelt», erzählt Seidl, die im Valle Maggia im Tessin aufgewachsen ist. Im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester, die gerne mit Puppen spielte und der Mutter beim Kochen half, war sie am liebsten draussen bei den Jungs. «Ich finde Autos so toll, dass ich mir nichts Schöneres vorstellen konnte, als Mechanikerin zu werden», sagt die heute 32-Jährige. Das war den Eltern dann aber doch ein bisschen zu viel des Guten. Sie fanden den Beruf zu männerlastig. Also fing Corina Seidl das KV auf einer Bank an und wurde später Assistentin.

Noch während ihrer Lehre, als Seidl 18 Jahre alt war, zog die Familie vom Tessin nach Zürich zurück. «Ein Kulturschock und eine schwierige Zeit», erinnert sie sich. Von der Piazza Grande in Locarno auf den Paradeplatz in Zürich zu wechseln, war kein Zuckerschlecken. «Im Herzen bin ich definitiv Südländerin, obwohl ich Zürich inzwischen liebe», sagt Seidl. Es habe sie anfangs verstört, dass die Leute in der Limmatstadt immer gestresst wirkten, so reserviert seien und man nicht einfach auch mal mit Fremden ein bisschen plaudern kann. Doch es gab einen Trost: Seidl konnte nun die Autoprüfung in Zürich machen. Was andere sicher noch im eher beschaulichen Tessin hinter sich gebracht hätten, sah die Fahrschülerin als riesige Chance: «Es war mir immer wichtig, sehr gut autofahren zu lernen, und der Verkehr in Zürich ist in dieser Hinsicht anspruchsvoller als im Tessin.» Den ersten Moment alleine im Auto wird sie nie vergessen. «Diese Freiheit, diese Unabhängigkeit!», schwärmt sie. Zum ersten Mal am Steuer sass sie natürlich schon viel früher – auf den Knien ihrer Eltern.

Ungeliebter ÖV

Trotz ihrer Entscheidung mit 16 Jahren, nicht Mechanikerin zu werden, zog es Corina Seidl in die Autobranche. Doch sie musste Umwege machen. «Die Bankenwelt war nichts für mich», sagt sie rückblickend. Zu wenig emotional. Ihre zweite Stelle bei Feldschlösschen gefiel ihr besser, doch die Firma zog bald nach Biel um und Corina Seidl war gezwungen zu pendeln – damals mit dem öffentlichen Verkehr. Schwierig für die Autoliebhaberin. «Mit dem ÖV fühle ich mich weniger flexibel. Ausserdem mag ich es nicht, mich in einen vollern Zug zu quetschen.» Dabei ist sie sonst gar nicht zimperlich und mag es unkompliziert. Sie ist gerne draussen, hat keine Probleme mit Motorenöl und schmierigen Händen. Klassische Frauenthemen interessieren sie wenig. «Wenn ich wählen kann zwischen einer Männergruppe, die Bier trinkt, und einer Damenrunde mit Prosecco, stell ich mich zu den Männern.» Zu gross seien die Bedenken, dass sie bei Themen wie Make-up und Klamotten nicht mitreden könne. «Ich habe erst vor Kurzem in einem Kurs gelernt, mich etwas aufwändiger zu schminken», gibt sie zu und lacht.

Ihre erste Assistenzstelle hatte sie bei einer Personalberatungsfirma – bis sie eine offene Stelle bei  DaimlerChrysler Schweiz sah. Damals waren dort auch die Marken Jeep und Dodge vertreten, für die Seidl dann neben Chrysler als Assistentin des Verkaufsleiters zuständig war. «Dodges gehörten schon immer zu meinen amerikanischen Lieblingsautos.» Sie hat allgemein ein Flair für die USA, hat mehrere Monate in Texas und Florida verbracht und reist regelmässig in die Staaten. Nicht nur wegen der Autokultur, aber auch. «Ich liebe die grossen Highways und die Offenheit der Amerikaner. Sogar die Pizza mag ich in Amerika lieber als in Italien. Das darf ich als Tessinerin gar nicht sagen.»

Aufgrund einer Umstrukturierung entschied sich Seidl, eine neue Stelle zu suchen. Sie bewarb sich in der Pharmabranche und wurde später Direktionsassistentin und Leiterin eines Sekretariats mit fünf Sekretärinnen und einem Praktikanten am Unispital Zürich. Doch die Leidenschaft für Autos verleitete sie immer wieder dazu, auf die Internetseite der Porsche Schweiz AG zu schauen. Dort war vor rund einem Jahr auf einmal die Assistenzstelle von CEO und CFO ausgeschrieben. «Ich wusste, das ist mein Job und habe mich sofort beworben.» Ihr Dossier fand Anklang, fast kam sie aber zu spät zum Bewerbungsgespräch. «Mein altes Auto hatte ausgerechnet an diesem Tag eine Panne. Ich liess es stehen, fuhr mit dem Taxi zum Flughafen und mietete dort einen Wagen, um nach Rotkreuz zu kommen.»

Das Engagement hat sich gelohnt, Seidl bekam den Job. «Es ist meine absolute Traumstelle», sagt sie. «Wer kann schon jeden Morgen auf einen Platz fahren, auf dem so viele Porsches stehen?» Ihre Faszination für die Autos ist ansteckend. Es geht um Linienführung, Design, die Traditionsmarke und vor allem um Sound und Kraft: «Wer einmal in einem Porsche sass und den Schlüssel umdreht, will das wieder tun», ist die Assistentin überzeugt. In ihrem Job hat sie leider nicht direkt mit den Autos zu tun. «Ich mache klassische Assistenzaufgaben: die Agenda meiner beiden Chefs, das Office Management und sonstige administrative Aufgaben.» Vieles an ihrer Arbeit sei kurzfristig und spontan. «Meine Chefs und das Team haben viel Drive. Das gefällt mir sehr.» Und wenn der Praktikant der Abteilung Ferien hat, übernimmt sie noch so gerne seinen Postdienst. Dafür schnappt sie sich einen Porsche. «Wir haben die tollsten Postautos der Welt», lacht Seidl.

Ausser Dienst

Dafür habe ich einmal viel Mut gebraucht: Um in Texas einen Kanister Benzin zu klauen, als ich mit meiner Gastfamilie vor dem Hurrikan Katrina flüchtete.

Dieses Ritual ist mir wichtig: Drei fixe Mahlzeiten im Tag und das Naschen zwischendurch. Ich habe immer Süssigkeiten im Büro.

Das hat mich geprägt: Der Tod meines Vaters und meines Grossvaters.

Das bringt mich zum Staunen: Der Regenwald, die Tierwelt und die Unterwasserwelt. Ich schnorchle sehr gerne und liebe das Meer.

Das macht mich nachdenklich: Die Abholzung des Regenwaldes und unser Umgang mit Ressourcen.

Das möchte ich gerne noch lernen: Richtig gut zu kochen und mit dem Auto zu driften. Generell möchte ich meine Fahrkünste immer weiter verbessern.

Diese Person würde ich gern einmal kennenlernen: Den Extremsportler Felix Baumgartner, der den Fallschirmsprung aus der Stratosphäre wagte. Ich habe Höhenangst und es würde mich interessieren, was ihm beim Sprung durch den Kopf ging.

Vor Kurzem hatte sie die Möglichkeit, das Porsche Museum in Stuttgart zu besuchen sowie ein paar Runden auf der hauseigenen Rennstrecke am Porsche-Werk in Leipzig zu drehen: «Die Rennstrecke war bis jetzt das tollste Erlebnis in meinem Leben.» Es fällt der kommunikativen 32-Jährigen schwer, das Gefühl dieser Fahrt in Worte zu fassen. «Ich bin auch mit einem Profi mitgefahren, der in jeder Kurve gedriftet ist. Das war unbeschreiblich.»

Vierbeiniger Mitfahrer

Klar hat Seidl in der Porsche-Flotte ihren Favoriten. «Den 911 Carrera 4 GTS», sagt sie, ohne zu zögern. Für die Autonärrin wäre das aber nur der Zweitwagen, neben dem 911 Carrera bräuchte sie einen Cayenne mit grossem Kofferraum für ihre andere grosse Liebe neben den Autos: «Sonst hat Eros keinen Platz.» Eros ist ein zweieinhalbjähriger schwarzer Labrador. Ein Energiebündel und Kuschelbär, Alleinunterhalter und Katzenfreund, oder besser: Untertan von Harley, Corina Seidls Katze. «Eigentlich bin ich eher der Hundetyp, aber Harley kam als kleines verletztes Kätzchen zu mir. Da konnte ich nicht nein sagen.» Heute gehört der Kater genauso zur Familie wie Hund Eros. Er ist auch keine gewöhnliche Katze: «Er meint wohl, er sei auch ein Hund», erzählt Seidl. Sie zeigt Fotos, auf denen die beiden eng beieinander liegen, und Videos, wie sie sich ärgern. «Sie bringen mich sehr oft zum Lachen.»

Seidl hat mit 14 Jahren ihren ersten Hund bekommen und kann sich seither ein Leben ohne Vierbeiner nicht mehr vorstellen – selbst wenn der Organisationsaufwand mit einer 100-Prozent-Stelle gross ist. «Eros geht vier Tage die Woche in die Hundekrippe und einen Tag schaut meine Mutter nach ihm.» Wenn sie aber frei hat, ist sie für lange Spaziergänge mit ihm draussen, oder die beiden machen eine Ausfahrt mit ihrem Golf. «Ich steige oft mit ihm ins Auto und wir fahren ohne Ziel irgendwo hinaus aufs Land. Da Eros Wasser sehr gerne mag, landen wir oft an einem See.» Diese ruhige Zeit draussen, die Natur und die Tiere seien ihr sehr wichtig. Ist das kein Widerspruch zur Autofaszination? «Nein», sagt Seidl, «beides gibt mir das Gefühl frei, unabhängig und mobil zu sein und lässt mich zur Ruhe kommen.»

Zur Person

Corina Seidl (32) wohnt in Niederhasli im Kanton Zürich. Nach dem KV auf einer Bank arbeitete sie bei Feldschlösschen. Bei einer Personalberatungsfirma stieg sie in die Assistenz ein, wechselte die Branche aber, als bei Daimler-Chrysler Schweiz eine Assistentin für den Verkaufsleiter gesucht wurde. Wegen einer Umstrukturierung verliess sie das Unternehmen nach zwei Jahren und wurde Assistentin des Medical Directors bei Bayer (Schweiz). Vier Jahre später wurde sie Assistentin des leitenden Professors für Gastroenterologie an der Universität Zürich und leitete ein Sekretariat mit sechs Angestellten – bis Porsche Schweiz eine Stelle für die Assistenz des CEO und des CFO ausschrieb. Seit bald einem Jahr ist Seidl nun bei der Porsche Schweiz AG in Rotkreuz.

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