Büroeinrichtung

Muss das hier so aussehen?

Büros, die in der Hauptsache zweckmässig sind, sind der Standard. Mittlerweile erkennen aber immer mehr ­Unternehmen, dass es sinnvoll ist, wenn sich Mitarbeiter am Arbeitsplatz auch wohlfühlen. Produktivität und ­Inspiration entstehen nun einmal nicht im Grau-in-Grau. 

Aktenschrank. Ak-ten-schrank. Allein das Wort. Es klingt wie: Tja, das ist halt nicht schön, das ist nur funktional. Da kann man leider nichts machen. Kann man nicht? Nun, vielleicht nicht an jedem einzelnen Einrichtungsgegenstand. Aber es geht anders. «Vielen Büros fehlt es an Wohlfühlfaktoren», sagt Martin Kleibrink, Inhaber des Architekturbüros Kleibrink. Smart in Space, Winterthur. Eine moderne Gestaltung von Arbeitsplätzen aber kann durchaus vorsehen, dass Mitarbeiter auch Menschen sind – Architekten holen sich dafür Ideen auch aus dem Wohnungsbereich.
Dass das nicht so einfach ist, weiss auch der Experte: «Was die meisten Büronutzer als schön empfinden, ist etwas anders als das, was Architekten schön finden. Zeitgenössische Büroarchitektur steht immer noch zuerst für klare Linien, viel Glas und eher nüchterne Innenausstattungen.» Ein angenehmes Ambiente muss aber mehr können als elegant aussehen. «Was hilft ein Designersofa, auf dem man sich nicht bequem ausstrecken kann, um eine Zeitung zu lesen? Der Normalbürger holt sich für 950 Franken ein Blümchensofa von Ikea – und wird glücklich.» In der Büroeinrichtung liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen.
 
 

Farbspiele bitte ohne Psychologie

Einer der wichtigsten Faktoren für eine wohlige Umgebung ist die Farbgestaltung. «Ein erster Schritt ist es, sich von der vermeintlich funktionalen Farbwelt zu entfernen, in der Schwarz, Weiss und Edelstahl dominieren», fordert der Architekt. Der klassischen Farbpsychologie steht er jedoch kritisch gegenüber. Rot mache aggressiv, Blau depressiv – für diese Lehren gebe es keinen Nachweis. Akzente zu setzen, auch in Anlehnung an die Unternehmensfarben, könne durchaus passen. Er gibt aber zu, dass bestimmte Farben mehr polarisieren als andere: «Mir persönlich gefällt Violett sehr gut – andere finden diese Farbe beängstigend oder zu sakral.» Er erinnert sich auch an den Versuch eines Kollegen mit einer pinkfarbenen Wand in einem Pausenraum, die sich schnell als Fehler herausstellte – als die Wand hellrot überstrichen wurde, stieg die Akzeptanz gleich merklich. Grün und Hellgelb wiederum, das gibt er zu, seien Farben, auf die sich die meisten Menschen einigen könnten. Aber sollte man deshalb nur noch grüne Büros planen?
 
Grün im Büro – da denkt man direkt an ein anderes Thema: Pflanzen. Diese sollten wirklich an keinem Arbeitsplatz fehlen, da sind sich alle einig. Doch auch hier hat Martin Kleibrink einen Tipp: «Statt der einsamen Alibi-Pflanze in jedem zweiten Raum die Begrünung an ausgewählten Stellen verdichten.» So entstehe eine Art Garten, an dessen Rand man sich wähne – mitten im Büro. Überhaupt sieht er den Erfolg eines modernen Bürodesigns in einer vielfältigen Gestaltung und Ausstattung. «Wo Vielfalt an die Stelle monofunktionaler Arbeitsplätze tritt, werden unterschiedliche Prozesse optimal unterstützt und Menschen inspiriert.» 
 

Trendige Büroeinrichtungen

  • officesnapshots.com
  • achitonic.com
  • buzzi.space

 

Viel Aufmerksamkeit widmet Martin Kleibrink den Gemeinschaftsflächen. Dort sollte man sich gut austauschen können – sich also auch gerne dort aufhalten. «Am häufigsten trifft man die Kollegen in der Teeküche, aber das sind oft kleine dunkle Räume ohne Fenster. Wenn wir so etwas in einem Bauplan entdecken, machen wir Abstellkammern draus.» Stattdessen sollte die Teeküche seiner Meinung nach zur «Kaffee-Lounge» werden und dort liegen, wo es die schönste Aussicht gibt. «Sie sollte hell, wohnlich und zum Beispiel mit Sofas und Stehtischen ausgestattet sein.» Besonders beliebt seien derzeit Angebote nach der Art von American Diners mit Sitznischen. «Dort kann man sich nicht nur in der Kaffeepause treffen, sondern auch zwanglose, informelle Meetings durchführen.» 
 
 

Einfach nur schön

Doch der Wunsch, Mitarbeitern ein schönes Umfeld zu bieten, kann auch nach hinten losgehen. Ein Beispiel aus dem Kollegenkreis: Die Redaktion einer Immobilienzeitschrift zog in neue, repräsentativere Räume. Innenstadt, gepflegter Altbau, hohe Fenster fluteten die Räume mit Tageslicht – wunderbar. Besonders edel und trotzdem warm wirkten die Büros durch einen durchgehenden alten Parkettboden. Nach einer Woche im neuen Domizil war die Euphorie aber schon verflogen: Ausgerechnet das Parkett stellte sich als der schlimmste Feind von konzentrierter Arbeit heraus, weil es jeden noch so vorsichtigen Schritt in ohrenbetäubendes Gedonner verwandelte.   
 
Wie viel der Bodenbelag ausmacht, weiss auch Martin Kleibrink. «Parkett ist toll, aber das setzen wir nur in Pausenbereichen ein, in denen es ohnehin lauter zu- und hergeht.» Unternehmensräume, betont er, würden generell durch unterschiedliche Böden anregender – wieder das Stichwort «inspirierende Vielfalt». Das klingt gut, erfordert aber trotzdem Überzeugungsarbeit: «Wenn man etwas verschiedene Belagsarten mischt, kommt meist ein Bedenkenträger, der entgegnet: Aber wie soll man das putzen? Es wird also mehr an die Putzfrau gedacht als an die Mitarbeiter.» Doch selbst wenn sich solche Vorschläge durchsetzen, ist die Diskussion noch nicht zu Ende. Und zwar dann, wenn nur wenig, natürlich möglichst günstige, Materialien, zur Auswahl stehen, wie sie zum Beispiel Generalunternehmer gerne anbieten. Dann wird in der Regel für den anthrazitgrauen Standardteppich entschieden. Martin Kleibrink hat da andere Vorstellungen: «Der Boden soll ausstrahlen, dass man nicht in einem normalen Arbeitsbereich ist. Wir arbeiten deshalb lieber mit Strukturen und Farben – vielleicht auch mal mit Grau, aber dann in einem warmen Ton.» 
 
 

Liebe Kollegen: Bitte ausmisten!

Und dann gibt es noch einen Faktor, der Büros eine deprimierende, weil typisch büroartige Wirkung verleiht. Einer, der theoretisch leicht zu beseitigen wäre, in der Praxis aber sehr schwer zu vermitteln ist, ohne dass man sich Feinde macht. Die Rede ist von Krimskrams. Das schön gerahmte Foto von der Familie auf dem Schreibtisch ist eines. Manche Kollegen verwandeln ihren Arbeitsplatz aber in eine Art Dauerausstellung des schlechten Geschmacks. Von solchen Sammelsurien hat Martin Kleibrink eine ganze Fotosammlung: Auf einem Bild sieht man ein Zweierbüro, in dem die eine Hälfte unter Pokalen, Schals und Riesenpostern eines Fussballvereins verschwindet. Ein anderes zeigt einen Schreibtisch voller bunt zusammengewürfelter Froschfiguren und -stofftiere. Auf dem nächs­ten sieht man eine offene Regalwand mit Büchern, in dem an jeder freien Stelle teils volle, teils leere Flaschen, Getränkekartons oder Frühstückszubehör abgestellt sind. All diese Bilder strahlen alles andere als Wohl­befinden aus, sondern: einfach nur Unordnung.
 
Bei solchen Anblicken reagiert Martin Kleibrink rigoros: «Ich glaube nicht, dass es zu den einforderbaren Rechten von Arbeitnehmern gehört, dafür Flächen vorzuhalten.» Sicherlich gehört es zum Wohlbefinden im Büro, dass man etwas Persönliches und seine Individualität einbringt. Doch das lasse sich anders erreichen als durch die Anhäufung von Plunder, findet er. Er regt zum Beispiel einen Fotowettbewerb unter Mitarbeitern an, bei denen die Teilnehmer Dinge oder Orte, die ihnen wichtig sind, attraktiv in Szene setzen können. Die besten Bilder werden dann in gemeinschaftlich genutzten Räumen ausgestellt. Kurz: Wenn das Büro schöner werden soll, muss man sich von so manchen althergebrachten Denkweisen und Gewohnheiten verabschieden. Und zwar nicht nur der Arbeit­geber – sondern alle. 
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