Sexuelle Belästigung

Nicht mit mir

Die #metoo-Debatte hat einen grossen Stein ins Rollen gebracht. Nach Hollywood-Grössen wurden auch Vorwürfe gegen Manager laut, viele Frauen berichten von unangemessenem Verhalten am Arbeitsplatz. Es ist Zeit für klare Worte. Consultant und Profilerin Patricia Staniek aus Wien hat ein paar Tipps, wie man sich zur Wehr setzt.   

Manchmal sind es Berührungen, die zuerst wie zufällig erscheinen, und dann aber intensiver werden, wenn man nicht reagiert, etwa bewusstes Herandrängen im Aufzug. Manchmal sind es verbale Anzüglichkeiten wie: «Komm, beug' dich über den Tisch, wenn du den Kaffee einschenkst.» Oder Anrufe und SMS mit eindeutigen Inhalten. 

Bei einer Umfrage in der Deutschschweiz und der Romandie im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) von 2008 gaben 28,3 Prozent der Frauen und 10 Prozent der Männer an, während ihres Erwerbslebens schon mindestens einmal sexuell belästigt oder gestört worden zu sein. Eine Belästigung auch indirekt erlebt oder beobachtet haben demnach rund die Hälfte aller Befragten. 

Die am häufigsten genannten Formen der erlebten sexuellen Belästigungen waren abwertende oder obszöne Sprüche oder Witze, Nachpfeifen/Anstarren, obszöne Gesten sowie unerwünschte abwertende oder obszöne Telefonanrufe, Briefe oder E-Mails und auf die Befragten persönlich bezogene abwertende oder anzügliche Sprüche. 

Weiterhin genannt wurden unerwünschte pornographische Bilder, unerwünschter Körperkontakt, unerwünschte Einladungen mit sexueller Absicht und aufgezwungene Geschichten mit sexuellem Inhalt, gefolgt von Begrabschen oder Küssen. Seltener berichtet wurde von sexueller Erpressung, sexuellen Übergriffen oder Vergewaltigung. 

«Zudringlichkeiten kommen nicht aus dem Nichts», betont Consultant Patricia Staniek. «Viele bekommen die Vorzeichen nicht mit, können sie nicht deuten, wollen sie nicht deuten – schieben sie weg. Natürlich kann so etwas bei der ersten Begegnung ergeben, und die Zeit bis zur Handlung ist relativ kurz. In solchen Situationen kommt es dann logischerweise oft zu Überforderung.»

Wie kommt es, dass so viele Menschen wissen, wie man sich anderen gegenüber respektvoll verhält, während manche geradezu darauf zu warten scheinen, sich daneben benehmen zu können? Für die Expertin ist unangemessenes Verhalten dieser Art ein Anzeichen für ausgeprägten Narzissmus. «Viele narzisstische Persönlichkeiten befinden sich in hohen Positionen, und man sagt ihnen einen sehr hohen Sexualtrieb nach. Ihr Verhalten ist extrem Ich-bezogen: Mein Haus, mein Boot, mein Auto, meine schicke Freundin.» Mit anderen Worten: Sie deuten ihr eigenes Verhalten, das andere als unangemessen empfinden, selbst als lässig und souverän. 

Wer starke narzisstische Tendenzen hat, dem gibt zusätzliche Macht einen Kick. «Macht fühlt sich für den Mächtigen sehr faszinierend, hypnotisch an. Da kann dann Sex natürlich zu einem Teil eines Machtspiels gehören, genauso wie Geld und Status», erklärt Patricia Staniek. Auch wenn jemand, der in der Hierarchie an sich nicht höher steht als das Opfer, gegen dessen Willen zudringlich wird, «ist das immer Machtausübung.»

Sie rät in solchen Situationen: «Wenn man nicht schlagfertig sein kann, dann lohnt es sich, zur offenen Fragetechnik überzugehen: Ich verstehe nicht, was du gerade meinst. Erklär mir das.» So zwinge man den anderen in den Dialog.

Aber nicht nur das Opfer des Übergriffs ist oftmals überfordert. Nicht selten haben vor allem verbale Attacken auch Zeugen – die dann oft auch nicht reagieren, ausser mit betretenem Schweigen. «Wenn der Blick nach links geht, zeigt das Betretenheit und Scham an. Geweitete Pupillen zeigen Schreck», weiss die Profilerin. Es komme bei vielen auch die Befürchtung dazu, dass es nicht gewünscht sein könnte, dass man sich einmischt. «Es kann auch passieren, dass der Betroffene dann sagt: Danke, dass du das für mich tust, aber ich mache das lieber selbst.» Deshalb sollte man zuerst abwarten. «Wenn aber offensichtlich wird, dass jemand nichts für sich selbst tun kann, dann sollte das Umfeld schon dazwischen gehen.»

Was man im Nachgang selbst tun sollte, wenn man bedrängt wurde, dazu hat die Expertin eine klare Meinung: «Man sollte vor allem zeitnah reagieren. Passiert es das erste Mal, sollte man mit der Person reden und klar machen, dass man das nicht will.» Wird die Person, trotz Ansprache, ein zweites Mal übergriffig, sollte man sich bei der Personalabteilung beschweren. 

Wie gut eine eindeutige Ansage unter vier Augen funktionieren kann, hat Patricia Staniek schon einmal selbst erlebt: «Ich war 16, als ich in eine Situation gekommen bin, in der mich ein Arbeitskollege in der Teeküche bedrängte. Er war über 1,90 Meter gross, ich 1,60 Meter. Alleine die Androhung, dass ich hier so laut brülle, dass es die anderen hören, und tobend, schreiend, hilfesuchend ins nächste Büro renne, hat gereicht, dass er sich von mir gelöst hat. Ich habe mich innerlich gross gemacht, damit ich aussen gross wirken konnte. Nachdem er von mir abgelassen hatte, sagte ich ihm, dass ich ihm in einer Woche Bescheid geben werde, wie ich mit ihm verfahre. Das führte dazu, dass er die Woche kaum schlief. Schon vor Ablauf der Frist stand er vor mir mit einem Blumenstrauss und entschuldigte sich reuig.»

Grundsätzlich rät die Expertin: «Verhalten Sie sich immer professionell, und lassen sie sich auch nicht auf kleine Flirt-Spielchen ein. Arbeiten Sie an Ihrem Selbstbewusstsein. Das macht es Ihnen dann leichter, wehrhaft zu sein. Je professioneller und wehrhafter ich wirke, umso weniger laufe ich Gefahr, belästigt zu werden.»


Verbale Abwehr von sexueller Belästigung – Ein paar Übungssätze

  • «Nein. Stopp. Ich will das nicht.»
  • «Das kommt bei mir ganz, ganz schlecht an.»
  • «Nein! Lassen Sie uns wieder auf das Meeting zurückkommen.»
  • «Bleiben Sie in Zukunft bitte bei beruflichen Themen.»
  • «Ich werde mit Ihnen einiges diskutieren – über dieses Thema gibt es nichts zu diskutieren.»
  • «Ich werde ihr übergriffiges Verhalten nicht akzeptieren. Stellen sie das sofort ein.»
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«Ich habe in keiner Form ein Interesse meinerseits an Ihnen signalisiert. Falls Sie etwas missverstanden haben, können Sie dies mit einer Entschuldigung korrigieren.»
  • «Ihr Verhalten ist ausgesprochen unprofessionell und letztklassig. Unterlassen Sie sofort solche Anmassungen bei mir.»
  • «Was würden Sie sagen, wenn dies jemand mit Ihrer Tochter/Frau macht? Was würden Sie da Ihrer Tochter oder Frau raten?»
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«Vielen Dank, jetzt haben sie mir genug Einblick in Ihren Charakter gegeben, lassen Sie das sofort.»
  • «Sie können es als Versprechen nehmen, dass ich gegen Sie vorgehen werde, wenn Sie dieses Verhalten nicht sofort einstellen.»

 

Buch-Tipp
Patricia Staniek
«Mein Wille geschehe – Macht und Manipulation entschlüsseln»
Goldegg Verlag 2017
 

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