Special

Niemals 08/15

Der Beruf der Assistentin ist extrem vielfältig. Und nicht nur das: Auch die Wege, die in diesen Job führen, sind oft verschlungen. Wir haben sechs Frauen gefragt, wie sie zu ihrem Job gekommen sind und warum sie ihn gern ausüben.

 

Spitalluft geschnuppert
Laura Rombouts, 35
Arztsekretärin im Kantonsspital Winterthur

«Zum Assistenzjob kam ich auf sehr verschlungenen Wegen. Nach meinem Abitur in der Slowakei wusste ich nicht genau, was ich studieren sollte, und ging stattdessen erst einmal mit einer Musikgruppe im Ausland auf Tournee. So landete ich irgendwann als Sängerin in der Schweiz – mit rudimentären Deutschkenntnissen. Schnell entschied ich mich zu bleiben – doch mit meinem Migrationshintergrund und meinem slowakischen Abitur hatte ich hierzulande nicht sehr viele Möglichkeiten. Es folgten Jobs als DJ und hinter einer Bar. Mit 25 war mir klar, dass es das nicht gewesen sein konnte. Kurz darauf traf ich meinen Mann und wurde schwanger. In etwa gleichzeitig erkrankte mein Mann schwer und brauchte eine Lebertransplantation. Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade als Geschäfts-führerin in einem Café angefangen, mir wurde aber wegen der Schwangerschaft noch in der Probezeit gekündigt. In dem Moment war das eine Erleichterung, denn so konnte ich meinem Mann im Spital beistehen. Sein Leben hing an einem seidenen Faden. Ich verbrachte zahllose Stunden im Spital, nicht wissend, ob wir unser Kind gemeinsam würden in den Armen halten können. Natürlich machte ich mir auch Gedanken, wie ich mein Kind und mich im Notfall allein durchbringen könnte. Die Antwort drängte sich mir quasi auf: Trotz all der schlimmen Erfahrungen faszinierte mich das Spitalleben und fühlte ich mich zur Medizin hingezogen. Ich wollte dort arbeiten, wollte Ärzte bei ihrer Arbeit unterstützen und auf diesem Weg etwas zurück-geben. Ich habe dann die Weiterbildung zur Arzt- und Spitalsekretärin absolviert und mich dann zur Chefarztsekretärin weitergebildet. Nach etlichen Absagen wegen mangelnder Erfahrung konnte ich vor sechs Jahren ein Praktikum in einem Kliniksekretariat absolvieren und mich als Sekretärin einarbeiten. Nach einem halben Jahr erhielt ich einen Vertrag als Assistentin des leitenden Arztes und übe den Job noch heute mit grosser Begeisterung aus.»

Aus der Luft in die Stadt
Manuela Leonhard, 51
Assistentin der Stadtpräsidentin von Zürich

«Schon als Kind hatte ich den Traum, eines Tages Flight Attendant zu werden. Vor meinem Schulabschluss haben meine Eltern bei der Swissair nachgefragt, welche Ausbildung eine gute Grundlage sei, um später in diesem Beruf zu arbeiten. Das KV, hiess es, sei eine gute Basis, damit könne man später auch noch am Boden arbeiten. Gesagt, getan. Nach dem KV ging ich für ein halbes Jahr nach Kanada, um Englisch zu lernen. Zurück in der Schweiz wollte ich noch etwas Zeit überbrücken und habe im Hotel Hilton als Telefonistin gearbeitet. Doch dann kam alles anders als gedacht. Mit 20 habe ich meinen Mann getroffen, blutjung geheiratet und vier Kinder bekommen. An Fliegen war erst mal nicht zu denken. Mit 32, als das jüngste Kind in den Chindsgi kam, habe ich mir meinen Traum dank der Unterstützung meines Mannes doch noch verwirklicht: Sieben Jahre lang bin ich für die Crossair und Swiss geflogen – meine schönsten Jahre. Als meine älteren Kinder in die Pubertät kamen, kam ich buchstäblich auf den Boden zurück. Durch Beziehungen habe ich meinen ersten Job bei der Stadt Zürich gefunden: als Assistentin des Direktors Kultur. Als Corine Mauch vor sieben Jahren gewählt wurde, hat sie mich gefragt, ob ich ihre Assis-tentin werden würde, wenn die aktuelle Assis-tentin in Pension ginge. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und bin es noch heute. Meine Chefin und ich sind ein absolutes Dreamteam. Mittlerweile habe ich im Job ein riesiges Beziehungsnetzwerk aufgebaut. Erst dadurch, dass ich so viele Menschen kenne, wird mein Job so richtig interessant. In dieser Position kann ich vielen Leuten weiterhelfen und das macht mir riesigen Spass. Noch hat sich Frau Mauch nicht entschieden, ob sie sich zur Wiederwahl stellt. Aber mein Job ist politisch neutral, ich könnte auch für einen allfälligen Nachfolger arbeiten. Ob ich das möchte, weiss ich allerdings noch nicht. Im Januar nehme ich mir erst mal eine Auszeit und reise für zwei Monate mit dem Rucksack durch Südamerika. Und wer weiss: Vielleicht habe ich dort eine Erkenntnis darüber, was ich in meinem Leben noch erreichen will. Als Beizertochter kann ich mir auch sehr gut vorstellen, wieder in der Hotellerie oder Gastronomie zu arbeiten. Ich nehme es, wie es kommt.»

Assistentin auf Zeit
Bettina Schlumpf, 33
selbständige Assistentin bei Professional Assistance Schlumpf

«Ich war mehr als zehn Jahre lang Assistentin von CEOs und Verwaltungsräten. Zum Assis-tenzjob kam ich per Zufall: Ich arbeitete als Projektassistentin in einer Eventagentur, als mich der Chef dort fragte, ob ich mir auch vorstellen könne, seine Assistentin zu werden. Von selbst wäre ich vermutlich nicht auf diese Idee gekommen, denn unter dem Assistenzjob konnte ich mir damals wenig vorstellen. Er scheint aber schon damals erkannt zu haben, dass ich die nötigen Qualitäten für den Job mitbringe. Und so war es dann auch. Ich wurde im zarten Alter von 20 Jahren seine Assistentin und bin seither glücklich in diesem Job. Ich mag das Gefühl, nicht einfach eine von vielen Mitarbeitenden zu sein, sondern eine etwas spezielle Position zu haben: diejenige, die vorsondiert, wer mit dem Chef reden darf und wer nicht. Diejenige, die dafür sorgt, dass der Chef den Rücken frei hat und sich in Ruhe seinen Aufgaben widmen kann. 2004 habe ich dann auch den eidg. Fachausweis zur -Direktionsassistentin absolviert. Das hat mir sozusagen die nötige Hardware vermittelt. Die Software bringt man, denke ich, besser von Natur aus mit. Auf die Idee mit der Selbständigkeit kam ich, als ich einmal sehr kurzfristig eine Recherche für meinen damaligen Chef machen sollte und diejenigen Assistentinnen, deren Hilfe ich dazu brauchte, in den Ferien waren. Da gab es nirgends eine Stellvertretung und so war die Idee geboren: Ich wollte Assistenzdienstleistungen stunden- oder tage-weise oder eben als Ferienvertretung anbieten. Als mein Chef letztes Jahr kündigte, nutzte ich gleich die Gelegenheit und setzte meine Idee in die Tat um. Seit gut einem halben Jahr bin ich jetzt selbständige Assistentin. Ich biete alle Dienstleistungen an: von der einfachen Terminkoordination über Recherchen bis hin zum Aufsetzen und Bewirtschaften von Facebook-Accounts. Meine Kunden werden sehr schnell süchtig, wenn sie sehen, wobei ich sie alles entlasten kann. So kommt die Bestätigung jetzt nicht mehr von einem Chef, sondern von ganz vielen Seiten. Das ist auch sehr schön.»

Das einzig Stete ist der Wandel
Christine Grevink Hofer, 51
Assistentin Geschäftsführer Jardin Suisse

«Seit 2007 arbeite ich als Assistentin bei JardinSuisse, dem Unternehmerverband Gärtner Schweiz. Dies ist meine erste Stelle als Assis-tentin. Der Weg zu diesem Job war selten geradlinig. Nach der Schule wollte ich zuerst eine Ausbildung als Krankenschwester absolvieren. Während eines Sprachaufenthalts entschloss ich mich jedoch kurzfristig, die Lehrstelle nicht anzutreten. Innert kürzester Zeit musste ich Ersatz suchen. So trat ich – quasi als Verlegenheitslösung – eine Ausbildung als Baumschulistin an. Noch während der Abschluss-phase der Lehre konnte ich jedoch im Lehrbetrieb aufs Büro wechseln, dort den Engros-Verkauf verantworten, die Grosskunden betreuen und die EDV-Administration leiten. Sechs Jahre später stieg ich im Gartenbaubetrieb meines damaligen Mannes ein und übernahm die Leitung der Administration. In Teilzeit habe ich als Schwesternhilfe in der psychiatrischen Klinik gearbeitet – und mir so doch noch ein wenig meinen Traum erfüllt. Als die Kinder grösser waren, stieg ich bei Planzer Transport in der Disposition als Sachbearbeiterin ein und wechselte ein Jahr später zu Terre des hommes ins Fundraising. Dort hielt ich auch Vorträge über die von Terre des hommes unterstützten Projekte, organisierte Sponsorenläufe an Schulen, um Spenden zu sammeln, und kümmerte mich um die tradi-tionellen Weihnachtskarten: suchte die Künstler, die die Karten gestalteten, wählte Sujets aus, verhandelte mit den Künstlern, und kümmerte mich um den Verkauf der Karten. 2001 konnte ich beim Verband Schweizerischer Baumschulen als Sekretariatsmitarbeiterin einsteigen. Zurück zu den Wurzeln also. Als 2007 fünf Verbände der Gartenbranche fusionierten, fragte mich der neue Geschäftsführer an, ob ich seine Assistentin werden wolle. Ich sagte zu. Mein Job ist jedoch keine klassische Assistenzstelle; ich bin vor allem für verschiedene Sonderprojekte zuständig. Unter anderem kümmere ich mich um den -Messeauftritt an der öga, der grössten Fachmesse der Grünen Branche. Daneben bin ich Projektleiterin beim brancheninternen Unternehmerforum, ich organisiere nationale und internationale Konferenzen und Versammlungen, betreue und verantworte Webseiten und bin zuständig für das Sekretariat der Stiftung Grüner Bundesplatz. Doch nun geht es noch einen Schritt weiter. Ab September starte ich einen neuen Abschnitt: Ich beginne an der Universität Fribourg ein Studium in Soziologie und Erziehungswissenschaften. Bei reduziertem Pensum studiere ich berufsbegleitend. Ziel ist es, in spätestens fünf Jahren mit dem Bachelor abzuschliessen. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.»

Chefsekretärin als Vorbild
Rita Müller, 58
Assistentin des Chairman/CEO Geberit International AG

«Während meiner Lehrzeit bei der Stäubli AG war die Sekretärin des Chefs eine Art Vorbild für mich. Sie genoss ein besonderes Ansehen im Betrieb, weil sie direkt für den Chef arbeitete. Das gefiel mir. Meinen ersten Job als Sekretärin habe ich 1978 direkt nach meinem Englandaufenthalt angetreten. Am Hauptsitz von Dow Chemicals in Horgen erledigte ich als eine von vielen Sekretärinnen Korrespondenz und Schreibarbeiten. Meine Mutter hatte damals das Stelleninserat gesehen und weil sie sich Sorgen darüber machte, ob ich eine Stelle finde, hat sie mich gedrängt, mich dort zu bewerben. Am Donnerstag habe ich mich vorgestellt, am Montag darauf schon angefangen. 1985 bekam ich zu Hause einen Anruf vom Inhaber eines Schweizer KMU, das Rollläden herstellte. Er hatte mich empfohlen bekommen und fragte, ob ich nicht als Sekretärin für ihn arbeiten wolle. Weil ich nicht zu Hause war, ging mein Mann ans Telefon und vereinbarte kurzerhand einen Vorstellungstermin für mich. So kam ich zu meiner nächsten Stelle. Natürlich war der Assistenzjob damals ganz anders als heute. Während der Lehrzeit gab es ausser Telefon und Schreibmaschine keine Technik. Die sogenannte Typenradschreibmaschine war da schon eine echte Steigerung. Die Korrespondenz wurde postalisch versendet, so war natürlich der Geschäftsgang viel langsamer. Als das erste Telefaxgerät kam, war das eine echte Sensation. Seither hat sich vieles in unserem Job gewandelt: Ich finde, dass Assistentinnen heute viel selbständiger arbeiten und auch ohne permanenten Zuruf des Chefs erkennen müssen, was es zu tun gibt. Oft muss ein Stichwort reichen. Bei Geberit bin ich jetzt seit 17 Jahren. Als ich mich damals als Assistentin des CEO bewarb, hatte ich keine Ahnung, was es heisst, in einem internationalen Unternehmen in einer solchen Position zu arbeiten. Ich kam aus einem kleineren Schweizer Unternehmen und hatte mir vorher gar nicht so viele Gedanken gemacht. Letztlich war es ein sehr grosser Unterschied, Mitarbeiter aus der ganzen Welt anzutreffen. Aber nach so langer Zeit ist das für mich heute Alltag. Ich liebe meinen jetzigen Job und fühle mich bei Geberit sehr wohl.»

Wissen, was im Unternehmen läuft
Irène Brun, 35
Executive Assistant des Eigentümers/Präsidenten sowie der Geschäftsleitung bei Robatech AG

«Direktionsassistentin ist mein absoluter Traumberuf. Ich liebe meinen Job über alles. Bei meiner aktuellen Firma arbeite ich seit fast vier Jahren. Es ist ein eigentümergeführtes Industrieunternehmen mit Mitarbeitern in 61 Ländern. Zur Assistenz kam ich schrittweise. Das KV habe ich bei der Raiffeisenbank absolviert; das wäre auch heute wieder meine erste Wahl. Punkto Diskretion und Genauigkeit lernte ich dort viel für meinen jetzigen Job. Nach dem KV arbeitete ich dort einige Jahre, bevor es mich in die Ferne zog. Auf Malta, in Málaga und in Lausanne lernte ich Englisch, Spanisch und Französisch. Der internationale Aspekt in meinem jetzigen Job ist mir extrem wichtig, so kann ich meine Sprachkenntnisse im Alltag jederzeit anwenden. Wieder zurück begann ich in der Sprachschule Berlitz zu arbeiten. Ich war für die Administration der Schule mitverantwortlich, der Chef übergab mir aber nach und nach Assistenzaufgaben. So habe ich zum ersten Mal ‹Vorzimmerluft› geschnuppert. In meinem nächsten Job war ich als Verkaufs- und Marketingassistentin in einem internationalen Industrie-Unternehmen tätig und bin dort später Direktionsassistentin geworden. In dieser Position hat man die meisten Einblicke, was im Unternehmen läuft. Berufsbegleitend absolvierte ich die Weiterbildung zur Direktionsassistentin mit eidg. Fachausweis. Speziell im Bereich Informatik hat mich diese extrem weitergebracht. Mittlerweile bildete ich mich zum ICT-Power User weiter und supporte heute die Mitarbeiter im Unternehmen bei Fragen zu Powerpoint, Excel und Word. Als Expertin im Fach Informationsmanagement unterstütze ich das Prüfungsteam des KV Schweiz. Der Assistenzjob ist niemals 08/15, sondern jeden Tag anders. Ich liebe es, im Background zu operieren, und bekomme meine Bestätigung dadurch, dass alles wie am Schnürchen läuft. Im letzten Jahr zum Beispiel organisierte ich das vierzigjährige Jubiläum unserer Firma. Daran arbeitete ich mehr als ein Jahr. Für diesen Anlass charterte ich ein Kreuzfahrtschiff und liess 424 Teilnehmer aus 42 Ländern nach Griechenland einfliegen. Vorher hatte ich natürlich schlaflose Nächte, aber es klappte letztlich alles wunderbar.»

 

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