Gestaltung von Korrespondenz

Visitenkarten, die feinen Duftmarken

Alle wollen sie. Alle brauchen sie. Alle sind stolz darauf, sie zu besitzen: Visitenkarten. Überbleibsel einer höflichen Zeit, in der Besuche durch die Visitenkarte auf dem Silbertablett angekündigt wurden. In der digitalen Welt ein dauerhafter und gefreuter Anachronismus.

Wozu braucht jemand, der seine Termine und Kontakte über Outlook und soziale Medien mobil bewirtschaftet und synchronisiert, eine Visitenkarte? Sind Visitenkarten nicht die letzten romantischen Zeugen einer längst vergangenen Zeit? Augenscheinlich nicht. Bei jedem Meeting werden auch heute noch zuallererst Visitenkarten ausgetauscht – ein Must. Sind die kleinen Dinger in unseren Breitengraden gar so etwas wie ein klitzekleines Statussymbol, welches das Fussvolk von jenen unterscheidet, die etwas zu sagen haben? 

Die meisten Visitenkarten werden wohl weggeworfen, und nur die wirklich wichtigen Personen werden (immer noch von Hand!) den bestehenden Kontakten beigefügt. 

Grössen und Papier

Die Grösse der Visitenkarte entspricht seit geraumer Zeit dem Kreditkartenformat der internationalen Norm ISO/IEC 7810. Das Format ist auf Zoll ausgerichtet und misst umgerechnet 85,6 × 53,98 mm. Da Karten in den gleichen Fächern wie Kreditkarten unterkommen, ist die Grösse auf 85 × 54 mm abzurunden.  

Visitenkartenpapiere wiegen zwischen 200 und 300 g/m2 – in unzähligen, auch kreativen Qualitäten. Die Karte soll nicht zu schlapp sein, aber auch nicht zu steif und brettig wirken, 250 g/m2 ist eine gute Papierdicke.

Viel wichtiger sind jedoch die Oberfläche und die Farbe des Papiers. Natürlich werden Visitenkarten mit Sorten produziert, mit denen Briefbogen, Kuverts oder Kurzmitteilungskarten hergestellt werden. Die Druckereien bieten aufeinander abgestimmte Papierkollektionen an. Naturpapiere haben eine etwas raue Oberfläche, gestrichene Papiere fühlen sich glatter und feiner an, und mit Recyclingpapieren beruhigt man in erster Linie das Gewissen. Die Farbe des Papiers ist in zig Weiss-tönen vorhanden, der Weissegrad hat nichts mit der Papierqualität zu tun. Vierseitige Karten sind nicht zu empfehlen, weil sie einfach zu dick – doppeldeutig – auftragen und in der Herstellung aufwendig sind.

Was kommt auf die Visitenkarte?

Eine Visitenkarte besteht aus den Unternehmenskontaktdaten mit dem Logo. Zusätzlich stehen persönliche Angaben der Karteninhaberin drauf. Das Ganze wird in die sonst verwendeten Designelemente wie Farbflächen, Linien, Schmuckelemente usw. eingebettet. In gewissen Fällen wird auch die Privatadresse angegeben oder ein Porträt verwendet. Was steht zuerst: Name oder Unternehmen? Beide Varianten sind vertretbar. Die Karte kann heute vor- und rückseitig bedruckt sein, vor allem, wenn noch andere Informationen wie Produkte, QR-Code, Öffnungszeiten oder das nächste Rendezvous wichtig sind.

Schrift

Es ist ganz einfach: Schrift, die nicht leserlich ist, erfüllt ihre Funktion nicht. Unleserlich sind Schriften, die zu fein oder zu klein sind oder sich farblich zu wenig vom Papier abheben. Schriften in der Feinheit Thin, Hairline, Light oder Semi Light eignen sich nicht für Visitenkarten. Die Schriftschnitte Regular, Book oder Text sind richtig. Die Schriftgrösse liegt etwa bei 7 Punkt, es kommt ganz auf die Schriftart an. Die Grössen sind bekanntlich nicht einheitlich gross. Will heissen, eine 7-Punkt--Futura wirkt kleiner als eine 7-Punkt-Frutiger. Bei der Visitenkartengrösse ist Platzsparen angesagt. Aber sind platzsparende Schriften auch leserlich? Mitnichten, denn Leserlichkeit hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Laufweite etwas weiter gehalten ist. Mit Laufweite werden die Zeichenabstände bezeichnet. In Word stellt man diese im Menü Format > Schriftart unter  «Erweitert» ein. Der Zeichenabstand kann mit «Gesperrt» zum Beispiel 0,6 Punkt betragen. Alle kleinen Schriften unter 8 Punkt sollten so gestaltet werden. Denken Sie an Fussnoten, Disclaimer, Packungsbeilagen usw. Die Schriftfarbe sollte immer Schwarz sein. Farbige oder graue Schriften sind schlechter leserlich als schwarze.

Druck und Bewirtschaftung

Visitenkarten werden heute digital auch in kleinen Auflagen gedruckt. Acht Stück passen in der Regel auf eine Seite A4; wer 25 Seiten digital drucken lässt, erhält so 200 Visitenkarten, die nach dem Druck aus dem Druckbogen herausgeschnitten werden. Pantonefarben können heute sehr gut im Druckmodus CMYK (Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz) simuliert werden. Wer aus Corporate-Design-Gründen auf Echt-Pantone besteht, muss die Karten im Offset drucken. Man kann Logos oder Farben im Offset in einer grösseren Auflage vorzudrucken und die personalisierten Angaben im Digitaldruck schwarz eindrucken. Viele Druckereien bieten heute die Bestellung über Web-to-Print-Portale an. Dort werden Templates eingerichtet, in die man über den Web-Browser nur noch die personalisierten Daten einzugeben hat. Bei allen Produktionswegen ist die Rechtschreibung bei Visitenkarten heikel. Wer weiss schon, wie Funktionen oder Titel richtig geschrieben werden: Heisst es «eidg. dipl.» oder einfach nur «dipl.», folgt das Kürzel MBA nach dem Namen oder nach dem akademischen Grad? Solches sollte man vor dem Druck abklären, denn Fehler in Visitenkarten sind ein No-Go.

E-Mail-Signaturen

Sozusagen die kleine Schwester der Visitenkarte ist die Signatur, die heute unter jedem E-Mail steht. Allerdings ist diese deutlich eingeschränkter gestaltbar. Dieser Kommunika-tionskanal wird zunehmend benutzt, um auf Events, neue Produkte oder anderes hinzuweisen. Wer Logos oder Bilder einbindet, sollte auf eine möglichst kleine Datei-grösse (< 10 KB) achten. Man ärgert die Empfänger, wenn man ihre Mailaccounts mit einer Batterie von Bild-Attachements zumüllt. Wer unbefugtes Abschöpfen von Kontaktdaten in Signaturen vermeiden will, wandelt die ganze Signatur in eine Bilddatei um.

 

 

 

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Ralf Turtschi ist gelernter Schriftsetzer, dipl. PR-Berater, Publizist und Fachbuchautor. Es ist als Inhaber der Agenturtschi, visuelle Kommunikation, freiberuflich tätig.
 
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