Was ist überhaupt...?

Was ist überhaupt... Customer Journey?

«Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen», wusste schon der Dichter Matthias Claudius im 18. Jahrhundert. Heute nutzen Marketingfachleute diese Erkenntnis, denn Kunden unternehmen auch eine Art Reise, bevor sie sich für ein Produkt oder eine Dienstleistung entscheiden. Und was sie auf dieser erleben, ist für jeden interessant, der etwas an den Mann oder die Frau bringen möchte. 
Die Customer Journey oder Reise des Kunden beginnt mit der Wahrnehmung eines Bedürfnisses und endet beim Kauf und der Nutzung eines Produkts. «Am Anfang steht der Hunger, dann gehe ich in ein bestimmtes Lokal und am Ende verlasse ich es satt und zufrieden», fasst Glenn Oberholzer, Partner und Verwaltungsratsmitglied der Stimmt AG, sie für den Fall eines Restaurantbesuchs zusammen. 
 
 

Um was geht’s? 

Wieso die Wahl ausgerechnet auf dieses Lokal und nicht auf ein anderes gefallen ist, wissen die Restaurantbesucher meist ganz genau. Die Restaurantbesitzer haben davon allerdings oft wenig Ahnung. Liegt das Lokal einfach nur günstig? Ist das Essen besonders gut? Ist das Ambiente angenehm, die Parkplatzsituation aber vielleicht miserabel? Genau da setzt Customer Journey an. Ohne zu wissen, wie die Kunden den Weg vom Bedürfnis zum Produkt erleben, stochert jedes Unternehmen ganz schön im Nebel. «Wenn man weiss, was dem Kunden auf seiner Reise wichtig ist, kann man damit arbeiten und etwas verändern», sagt Oberholzer. Oder anders gesagt: dafür sorgen, dass die Reise des Kunden in den eigenen Laden unvergesslich bleibt. 
 

Wie funktioniert’s? 

Die Customer Journey lässt sich in verschiedene Phasen einteilen, die jeder Kunde vor einer Kaufentscheidung durchläuft: 
 
Phase 1: Der Kunde erkennt ein Problem und/oder Bedürfnis. 
Phase 2: Er holt Informationen ein. 
Phase 3: Er wägt Alternativen ab.
Phase 4: Er trifft eine Entscheidung.
Phase 5: Er setzt die Entscheidung um.
 
Man kann sich als Unternehmen auf die Phase 5 konzentrieren, und das eigentliche Kauferlebnis zum Zentrum der Analyse machen. Aber auch schon vorher gibt es Berührungspunkte oder Touchpoints zwischen Kunde und Unternehmen, die Letzteres im Blick haben sollte. Im Fall des Restaurantbesuchs kann das in Phase 2 zum Beispiel die Speisekarte im Internet sein, in Phase 3 bietet vielleicht der restauranteigene Parkplatz in der Innenstadt den entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz. In Phase 5 geht es dann um den Restaurantbesuch selbst. Touchpoints sind hier zum Beispiel der Eingangsbereich und die Begrüssung, der liebevoll gedeckte Tisch, der Kontakt mit dem Kellner, die Karte, das eigentliche Essen und vieles mehr. 
 
«Man muss beantworten können, warum der Kunde etwas macht, um herauszufinden, was für ihn wirklich relevant ist», erklärt Oberholzer. Diese Antworten erhält man nicht nur über reine Beobachtung oder Online-Tracking, die bekommt man am besten, indem man die Kunden direkt befragt. Das kann mittels einer qualitativen Marktforschungsanalyse geschehen oder auch durch informellere Interviews. 
 

«Man kann die Leute heute nicht mehr so leicht austricksen.»

Wenn der Ist-Zustand erfasst ist, geht es an die Analyse. «Meist stellen sich dann schnell Muster heraus», weiss Oberholzer. Und oft auch ein ganzer Berg an Punkten, die verbesserungswürdig sind. Setzt man da überall an, kann das unübersichtlich und auch teuer werden. «Wir empfehlen immer, sich auf die wirklich relevanten Punkte zu konzentrieren», so Oberholzer. Und die finden sich meistens am Anfang und am Ende der Reise. «Im besten Fall gleicht die Dramaturgie einer Customer Journey der eines James-Bond-Films», sagt Oberholzer. Während die meisten Unternehmen heute bereits über eine gute Internetseite und umfassendes Infomaterial verfügen, lassen sie gerade am Ende oft nach. «Der Besuch eines Restaurants endet ja nicht, wenn das Essen verspeist ist», sagt er. Wer danach lange auf die Rechnung warten muss, geht genervt aus dem Lokal, egal wie gut das Essen war. Andersherum sorgen schöne Momente gerade am Ende für gute Stimmung. «Wenn der Barkeeper mich persönlich verabschiedet, dann erinnere ich mich gerne daran», weiss Oberholzer aus eigener Erfahrung. 
 
Am Ende einer Customer-Journey-Betrachtung steht immer die Entwicklung eines Soll-Zustands, also der möglichst perfekten Customer Journey. «Die kann individuell ganz verschieden sein», sagt Oberholzer. Je nach Produkt und Dienstleistung unterschieden sich die Wünsche der Kunden. Und diese sind heute besser informiert als früher. «Man kann die Leute heute nicht mehr so leicht austricksen», warnt Oberholzer. Bei allen Massnahmen, die ein Unternehmen ergreife, stehe heute Authentizität im Fokus. «Man muss mit dem überzeugen, was man ist und kann», sagt Oberholzer. 
 
 

Was bringt’s? 

Für Unternehmen ist das Ziel bei einer Customer-Journey-Entwicklung klar: Der Kunde soll kommen und wiederkommen. Aber auch die Kunden profitieren. Wenn das Unternehmen sie in den Fokus nimmt, kommen sie schneller und einfacher an relevante Informationen, erhalten einen besseren Service oder haben wie im Fall des Restaurantbesuchs ein rundes und schönes Erlebnis. 
 
 

Macht’s auch Probleme? 

Erfassung und Analyse des Ist-Zustands und auch das Konzept für die perfekte Customer Journey sind abgesehen vom Aufwand meist relativ unproblematisch. Das grösste Problem wartet erst danach. «Oft ist es die Umsetzung, an der es dann scheitert», so Oberholzer. Nimmt man das Konzept der Customer Journey ernst, handelt es sich um eine bereichs­übergreifende Aufgabe. «Da müssen alle einbezogen und überzeugt werden», weiss Oberholzer. Im Fall des Restaurants ist wahrscheinlich nicht nur der Küchenchef, sondern auch der Hausmeister gefordert, der zusätzlich zu seine üblichen Tätigkeiten auch noch den Parkplatz sauber halten muss. Oder der Kellner, dessen Dienst eben nicht mit dem Abräumen des Tischs endet. «Wenn da nicht alle an Bord genommen werden und mitziehen, harzt es hinterher trotzdem noch an allen Ecken und Enden», sagt Oberholzer. Er empfiehlt deshalb, schon vor Beginn einer Customer-Journey-Analyse alle Beteiligten einzubeziehen. Denn nur, wenn alle akzeptieren, dass die Wünsche des Kunden den Takt angeben, kann eine gute Customer Journey gelingen. 
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