Was mach ich hier eigentlich?

Unzufriedenheit im Job kommt vor – immer mal wieder. Meist kann man sich selbst aus solchen Krisen helfen. Manchmal braucht es aber auch gezieltere Hilfe. 

Was mach ich hier eigentlich? War es das jetzt? Solche Fragen haben sich viele in Bezug auf ihren Job schon einmal gestellt. Sei es, weil er anders ist, als man ihn sich einmal vorgestellt hat, sei es, weil einem die Kollegen auf die Nerven gehen oder einfach weil sich über die Jahre Routine eingestellt hat und die Wochen, Monate und Jahre an einem vorbeiziehen. Manchmal verschwinden solche Fragen wieder. Vielleicht einfach so, vielleicht auch weil sich etwas verändert hat. Zu anderen Zeiten bleiben sie jedoch und lassen sich nicht mehr so einfach in den Hintergrund drängen. Die Frage ist: Wann muss man sich mit der Unzufriedenheit auseinandersetzen? Wann wird sie so ernst, dass man etwas dagegen unternehmen muss? Und was überhaupt?

Ist der Job das Problem? 

Natürlich muss man nicht auf jede kleine Unzufriedenheit reagieren. «Doch latentes Unwohlsein kostet zu viel Energie», so Anne Forster, Coach und Karriereberaterin. «Ich erlebe nicht selten Menschen, die es sich in ihrer Komfortzone bequem gemacht haben. Man kennt den Job, das Umfeld, es kommt Geld aufs Konto. Etwas zu ändern oder sich gar neu zu orientieren, kostet Zeit.» Schnell sei man also dabei sich einzureden, dass es so schlimm ja auch wieder nicht sei.

Bei solchen Kandidaten schaut sie genau hin, denn die Unzufriedenheit kann ganz verschiedene Quellen haben und muss nicht unbedingt dem Job entspringen: «Job, Freizeit, Freunde und Familie. Am Ende spielt alles zusammen. Niemand ist ein anderer Mensch, nachdem er die Bürotür hinter sich zugemacht hat und nach Hause gegangen ist», so Forster. Das sieht auch Ana Lienert so. Auch sie begleitet regelmässig Menschen bei beruflichen Veränderungen: «Ich schaue mir meine Klienten ganzheitlich an. Gerade bei Frauen hängt die Zufriedenheit im Job auch stark mit der privaten Situation zusammen.» 

Wann etwas tun und was?

Aber wann genau sollte man etwas unternehmen? «Wenn der Leidensdruck zu gross wird», findet Ana Lienert. Woran man das merkt? «Wenn man sich nicht mehr aufraffen kann und am liebsten auch nicht mehr über die Probleme reden möchte, ist definitiv ein Punkt erreicht, an dem man handeln sollte», so die Expertin. Manchmal gehe das soweit, dass sich Menschen von ihrem Umfeld isolierten. Das könnte ein erster Schritt Richtung Burnout sein.

Oft gehen solche Krisen mit bestimmten Lebensphasen einher, bestätigen beide Expertinnen. Mit 30 ziehe man die erste Bilanz über das eigene Leben, man hat sich von zu Hause gelöst, etwas gelernt und erste Erfahrungen als eigenständige Person in der realen Welt gesammelt. Mit 40 hat man dann vielleicht eine eigene Familie gegründet oder ein Haus  gekauft und die Karriere bewegt sich in halbwegs geordneten Bahnen. Man vergleicht sich mit den Kollegen, es stehen nicht mehr alle Wege offen. Mit 50 sind bei den meisten ein paar persönliche Krisen durchgestanden und es stellt sich die Frage, ob man das noch bis zur Rente so durchziehen will oder nicht. 

Wo stehe ich? 

Um herauszufinden, wohin die Reise gehen soll, gibt es kein Patentrezept. Für Ana Lienert ist es zentral, sich selbst ein paar Fragen zu stellen: «Was kann ich? Was ist mir wichtig? Was interessiert mich? Wofür bekomme ich gutes Feedback?» Natürlich kann man das mit sich selbst, mit Freunden und mit der Familie besprechen. Oft reicht das auch. Aber eben nicht immer. Für solche Fälle gibt es professionelle Laufbahnberater. Was können die, was Freunde nicht können? «Eine professionelle Standortbestimmung führt in kurzer Zeit zum Ziel, sie hat einen strukturierten Ablauf und am Ende kann man sich die Fragen, die man sich stellt, beantworten.» Dass sich am Ende ein konkreter und einzig gangbarer Weg herauskristallisiert, ist aber eine Idealvorstellung, die so meist nicht zutrifft. «Doch es ergeben sich bestimmte Berufsrichtungen und auch Ideen, wie man die Veränderung angehen kann», erklärt Lienert. 

Anne Forster rät ihren zweifelnden Klienten ganz konkret dazu, am Ende einer Woche zurückzublicken und zu schauen, wie viel Zeit auf welche Aufgaben verwendet wurde. «Vielleicht rührt die Unzufriedenheit aus der Verteilung der Aufgaben. Wer die Hälfte seiner Zeit damit beschäftigt ist, das Telefon abzunehmen, aber eigentlich lieber konzeptionell arbeiten würde, muss sich dann überlegen, wie er es schaffen kann, mehr Konzeptionelles in die eigene Arbeit zu integrieren.» Mehr Zeit auf die Dinge verwenden also, die einem Spass machen. Der Weg dorthin führt unweigerlich über ein Gespräch mit dem Chef. «Ich empfehle auf keinen Fall den Kopf in den Sand zu stecken und einfach den Job zu wechseln, bevor man in der derzeitigen Position mit dem Chef darüber gesprochen hat, welche Veränderungsmöglichkeiten es gibt», so Forster. «Sich allein vorzunehmen, ‹Jetzt telefoniere ich weniger›, funktioniert nicht.» Nur allein das Gespräch nütze aber auch nichts. «Ein solches Gespräch braucht ein Ziel. Was will ich verändern? Woran merke ich, dass sich etwas verändert hat? Am besten vereinbart man mit dem Chef ein Follow-up-Gespräch, in dem die Veränderungen auch überprüft werden», rät Forster. 

Lösungen und Ideen

Grundsätzlich gibt es vier grobe Richtungen, etwas zu ändern: gleicher Job, anderes Unternehmen; anderer Job, gleiches Unternehmen; anderer Job und anderes Unternehmen – oder gar Selbständigkeit. Und dann gibt es natürlich auch ausserhalb des Jobs unzählige Möglichkeiten, die eigene Persönlichkeit auszuleben. Wichtig ist, herauszufinden, was genau es braucht: mehr Kreativität, mehr konzeptuelles Arbeiten, mehr soziale Interak-tionen, weniger reine Bildschirmarbeit, einen anderen Menschenschlag oder eine andere Unternehmenskultur. Wenn man das möglichst präzise benennen kann, ist das schon die halbe Miete.

«Wichtig ist auch, dass das Umfeld zu einem passt. Wer sich in der Finanzbranche nicht wohlfühlt, wird vielleicht im gleichen Job in einer anderen Firma sehr glücklich. Wem hingegen Unternehmens- und Branchenkultur gefallen, aber im Job wenig von dem tun kann, was ihm Freude bereitet, sollte nach anderen Aufgaben suchen», so Lienert. «Auch Job Enrichment, also das Erweitern des derzeitigen Aufgabenspektrums, um den Bedürfnissen des Stelleninhabers mehr zu entsprechen, kann eine Lösung sein. 

Um sich intern zu verändern, braucht ein Unternehmen natürlich eine gewisse Grösse. Ist die nicht gegeben, braucht es andere Wege. «Am besten nicht erst dann, wenn man unzufrieden ist. Ruhig auch mal das Mitarbeiter-gespräch nutzen, um eine solche Bilanz zu ziehen», so Forster.

Dankbarkeit lernen

Es kann auch sein, dass Klienten durch die begleitete Auseinandersetzung mit ihrer Situation zu dem Schluss kommen, dass sie bereits einen tollen Job haben. «Manchmal haben wir verlernt zu schätzen, was wir haben.» Oft liessen sich die Wünsche ihrer Klienten auch nicht unbedingt im Job verwirklichen. «Es gibt so viele Möglichkeiten auch um den Job herum. Ein Ehrenamt, ein Hobby, Sport … Die Lösung für das Problem kann auch einfach sein, die fehlende Balance wiederherzustellen. Vielleicht fühlt sich jemand zwar wohl in seinem Bürojob, vermisst aber den sozialen Aspekt. Dafür muss man nicht sofort kündigen und Pflegerin werden. Man kann diesen Teil seiner Persönlichkeit auch sehr gut in einem Ehrenamt ausüben.  

Bei Ana Lienert klingt das ähnlich. Viele ihrer Klienten machten nach der Beratung eine Variante dessen, was sie auch bisher gemacht haben. Ja, vielleicht hat man irgendwann in der Berufswahl eine Entscheidung getroffen, die man heute so nicht wiederholen würde. «Aber es ist wichtig zu verstehen, dass das bisher Gelebte immer auch ein Teil unserer zukünftigen Arbeit sein wird. So total daneben liegt niemand mit seinem Berufsweg. Man könnte es als eine neue Variante ansehen», so Ana Lienert. Auch für den Umgang mit Ängs-ten vor Veränderung hat sie einen Rat: «Ängste gehören zu unserem Leben. Man kann sie nicht überwinden, man muss sie annehmen. Oft höre ich von meinen Klienten, dass sie zuerst ihre Angst überwinden wollen, bevor sie etwas ändern. Aber so funktioniert das nicht. Die Angst kommt immer mit. Die Veränderungen können wir aber trotzdem angehen – Schritt für Schritt.» 

 

Anne Forster ist Karriereberaterin, Coach und HR Professional. Sie studierte Wirtschaft und Coaching u. a. an der Universität Zürich und  hat umfangreiche Rekrutierungs-, Assessment- und Interview-Erfahrung. Mit ihrer lösungsorienterten Methodik unterstützt sie auf individuelle Art beim Auf- und Ausbau einer bedeutungsvollen Karriere. anneforster.ch

Ana Lienert arbeitet als Laufbahn- und Life-Coach in eigener Praxis in der Nähe von Basel. Sie wendet dabei Methoden an, die mittels spielerischer und intuitiver -Vorgehensweise die Einzigartigkeit jedes Menschen in den Mittelpunkt rücken.
bewusstunbewusst.ch

 

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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