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Durstig nach Wissen

Während seines Studiums der Politikwissenschaften im Jahr 2014 kam der gebürtige Ukrainer Dmytro Tomilenko zum ersten Mal in die Schweiz – seither haben ihn Land und Leute nicht mehr losgelassen. Heute lebt der 29-Jährige mit seinem Mann in der Stadt Zürich, wo er als Partner- und Mandatsassistent Financial Services bei der KPMG arbeitet.

«Mit Menschen kommunizieren, ein Unternehmen repräsentieren und dabei stets neugierig bleiben – das fasziniert mich an meiner Tätigkeit», sagt Dmytro Tomilenko, Partner- und Mandatsassistent Financial Services, an diesem Vormittag am Schweizer Hauptsitz der KPMG in Zürich.

Seit 2022 ist der inzwischen 29-Jährige für die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft in dieser Position tätig – «als einziger Mann in einem 13-köpfigen Assistenzteam», erzählt er. Wie das so sei als einziger Mann? «Wunderbar, wir sind ein grossartiges Team», sagt «Dima», wie ihn alle nennen. «Und mit Maureen Temchuk, Director bei KPMG Schweiz, arbeite ich zudem mit einer tollen Chefin zusammen.»

Für Tomilenko ist es bis heute wenig nachvollziehbar, weshalb nicht mehr Männer in seiner Position tätig sind: «Zumal es keine weiblichen oder männlichen Positionen gibt, nur richtige oder falsche Kompetenzen.» Gerade die Diversität bereichere doch ein Team ungemein. Da wünsche er sich noch mehr Mut, sowohl von den Männern selbst wie auch von den Vorgesetzten, auch einmal einen Mann anzustellen.

Die Diversität, der unkomplizierte Umgang im Arbeitsalltag untereinander und die Möglichkeit, flexibel arbeiten zu können, schätzt Dmytro Tomilenko bei der KPMG in Zürich sehr. So variiert die Woche des Partner- und Mandatsassistenten immer wieder ein wenig. «Mal arbeite ich drei Tage die Woche vor Ort bei einem Kunden und den Rest entweder am Hauptsitz oder im Homeoffice, mal bin ich mehrere Tage am Hauptsitz anzutreffen. Ich bin dort, wo ich gebraucht werde.» Wobei er das Arbeiten vor Ort demjenigen von zu Hause aus vorziehe. «Der Kontakt zu meinem Umfeld ist mir wichtig.» Man glaubt es der einnehmenden Frohnatur sofort.

Überhaupt: Dima mag es, zu vernetzen – auch innerhalb der KPMG. So lädt er ab und an Kolleginnen und Kollegen aus dem Betrieb zu sich zum Essen ein. «Viele, die hier arbeiten, kommen aus den verschiedensten Ländern und haben hier keinen direkten Familienanschluss, da ist es schön, einen Zusammenhalt untereinander zu schaffen.»

Auf Augenhöhe mit der Chefin

Dmytro Tomilenkos Arbeitsalltag bringt jeden Tag neue Aufgabenstellungen mit sich – angefangen bei klassischen Aufgaben wie Präsentationen vorbereiten, Meetings und Events organisieren sowie Korrespondenzführung bis hin zu HR-Themen wie Onboarding. Dabei ist der Executive Assistant sehr selbstständig und eigenverantwortlich unterwegs.

«Meine Chefin Maureen Temchuk sagt mir nicht, was ich zu tun habe.» Vielmehr komme er zu ihr und berichte, was heute noch zu erledigen sei, und sie gebe ihm das Okay dafür. Und falls er einmal Unterstützung brauche, könne er immer zu ihr kommen. «Wir sind ein super Tandem, das auf Augenhöhe kommuniziert und volles Vertrauen in den anderen setzt», windet er ihr ein Kränzchen.

Mit seinem Assistenzteam, das von Corinne Berthoud, Head of Central Backoffice, geleitet wird – «sie hat mich für das Porträt vorgeschlagen» –, trifft sich Dima jeweils donnerstagvormittags. «Dieser Austausch ist wichtig, damit wir uns gegenseitig auf dem Laufenden halten können, zumal wir uns auch gegenseitig stellvertreten.»

Ein Thema, das ihn und das Team momentan am meisten beschäftigt, ist die Prozessautomatisierung. «Wir möchten alle Routinevorgänge so gut wie möglich digitalisieren.» Angst, dass diese Anpassungen ihm dereinst seinen Assistenzjob streitig machen könnten, hat Dima nicht. «Es wird weiterhin auch die menschliche und persönliche Interaktion brauchen.»

Meine Wahl

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Dmytro Tomilenko

Foto: Aniela Lea Schafroth

Ukraine oder Schweiz?
Seit fünf Jahren lebe ich in der Schweiz und fühle mich hier zu Hause, aber ich trage die Ukraine weiterhin in meinem Herzen.

Wasser oder Ufer?
Ich liebe es, im Wasser zu sein. Als ich ein Kind war, fragte mich meine Mutter, ob ich lieber Fussball spielen oder schwimmen möchte. Ich entschied mich für Letzteres. Bis heute bin ich dem Wassersport treu geblieben und gehe viermal in der Woche jeweils einen Kilometer schwimmen. Das dauert so 18 Minuten.

Wein oder Bier?
Weintrinker. Erst als ich in die Schweiz kam, trank ich in geselliger Runde mein erstes Bier. Deshalb bevorzuge ich noch heute Wein. Am liebsten mag ich einen Primitivo di Manduria oder einen Negroamaro aus Puglia – mein Favorit ist jedoch Champagner.

ChatGPT oder selbst schreiben?
Natürlich selbst schreiben. Auf den ersten Blick mag die künstliche Intelligenz und was sie zu leisten vermag super sein. Man bekommt auf alles eine Antwort und kann beispielsweise verschiedene Adjektive und Synonyme abfragen, aber am Ende bleibt sie unmenschlich und damit unecht. Deshalb: lieber selbst schreiben.

Stadt oder Land?
Ich bin in Millionenstädten aufgewachsen und sozialisiert worden, deshalb bin ich eindeutig ein Stadtmensch. Zwar zieht es mich auch ab und an aufs Land, aber nach ein paar Tagen kehre ich gerne in die Stadt zurück. Ich brauche Leute um mich herum, den Verkehr und das pulsierende Leben.

Von der Ukraine in die Schweiz

Der 29-jährige Partner- und Mandatsassistent ist bei der KPMG angekommen – und mit ihr auch in der Schweiz sowie in seiner «neuen» Heimatstadt Zürich. Denn geboren und aufgewachsen mit einer jüngeren Schwester ist Dima in der Ukraine. «Mein Vater ist Major bei den Luftstreitkräften, meine Mutter Sonderpädagogin und meine Schwester startet dieses Jahr ein Medizinstudium.» Schon als Kind war der Assistent vielseitig interessiert und durstig nach Wissen – «ich spielte Klavier, übte Ballroom Dance und war im Schwimmteam.»

Weil ihn so vieles interessierte, wusste Dima nach dem Gymnasium nicht so recht, was er studieren soll. Am Ende startete er 2012 mit dem Bachelor in Politikwissenschaften. «Eine solide Grundausbildung für viele Berufe und Karrierepfade.» Nach dem Gymnasium bestand er die nationalen Prüfungen mit einer hohen Punktzahl und erhielt ein staatliches Stipendium, was ihm nebst einem finanziellen Zustupf auch ein finanziertes Studium an einer Universität seiner Wahl ermöglichte. Um finanziell abgesichert zu sein, arbeitete Dima dennoch immer nebst dem Studium. «Mein damaliger Mentor meinte: Es ist gut, zu studieren, aber man sollte auch die Praxis kennenlernen.» 

Dmytro Tomilenko studierte, arbeitete, studierte – unter anderem als Journalist beim Magazin SLOVO oder als Pressesprecher bei der Nationalen Staatsanwaltsakademie der Ukraine. Während des Studiums erwachte in ihm der Traum, einen Teil davon im Ausland zu absolvieren. 2015 ging er für zwei Monate an die Friedrich-Schiller-Universität nach Jena. Im Jahr 2016 schloss er sein Studium an der National University of Kyiv-Mohyla Academy mit einem Bachelorabschluss in Politikwissenschaften ab.

Gekommen, um zu bleiben

Mit dem Diplom in der Tasche überlegt Tomilenko, wie es weitergehen soll, und beginnt 2016 den Master in Rechtswissenschaften. Das letzte Jahr seines Studiums absolvierte er in der Schweiz, genauer in Bern, da er sich für seine Arbeit mit der Schweizer Verfassung beschäftigte. «Vormittags war ich im Deutschkurs, nachmittags in der Bibliothek, um an der Masterarbeit zu schreiben, und abends lernte ich nochmals Deutsch.» 2016 kehrt er für kurze Zeit in die Ukraine zurück, um seine Masterarbeit zu präsentieren und sein Diplom entgegenzunehmen.

Danach kehrt er wieder in die Schweiz zurück, schliesst seinen Deutschkurs ab, heiratet seinen Mann in den Niederlanden und lässt sich dann mit ihm in Zürich nieder. «Ein perfekter Arbeits- und Wohnort.» Hier stimme in Sachen Lebensqualität einfach alles. «Ich mag, wie alles organisiert ist, die Kultur und wie man miteinander kommuniziert. In Zürich fühle ich mich einfach zu Hause.» In der Limmatstadt angekommen, sieht sich Tomilenko nach einer Stelle um und beginnt 2020 als Executive Assistant General Counsel Reinsurance bei Swiss Re in Zürich.

Der Start im Corona-Jahr war für ihn alles andere als leicht: «Das Onboarding fand online statt – und rein virtuell den Weg ins Team zu finden, war schwierig.» Dennoch stellt er sich der Herausforderung und kommt langsam auch beruflich in der Schweiz an. Nach einem Jahr schaute sich der damals 26-Jährige nach etwas anderem um, da die Stelle bei Swiss Re befristet war. So wechselt er 2021 als Anwaltsassistent zu Lalive. «Da ich Rechtswissenschaften studiert habe, dachte ich, das sei der richtige Ort für mich.» Dima musste dann aber feststellen, dass ihm die Energie und die Progressivität eines grossen Unternehmens fehlten.

Als er 2022 das Inserat von KPMG sieht, ergreift er die Chance, in ein grösseres Unternehmen zu wechseln. Er bewirbt sich, wird genommen und möchte seither keinen Tag in diesem Betrieb missen. Was er an der KPMG besonders schätzt? Dass die Firma das Potenzial der Mitarbeitenden erkenne und Möglichkeiten für Aus- und Weiterbildungen sowie auch interne Jobwechsel biete.

Auch für Dima wird es ab diesem Frühling eine berufliche Veränderung innerhalb der KPMG geben. «Ich verlasse die Assistenz, um als Junior Wirtschaftsprüfer zu beginnen.» Er schaut jedoch gerne auf seine Zeit als Assistent zurück: «Denn sie war für mich der perfekte Einstieg in die hiesige Arbeitswelt dank eines wunderbaren Assistenzteams, das mich hier in der Schweiz ankommen liess.»

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Dmytro Tomilenko

Foto: Aniela Lea Schafroth

Dmytro Tomilenko

Dmytro Tomilenko kam 1994 in der Ukraine zur Welt. Von 2012 bis 2016 absolvierte er seinen Bachelor in Politikwissenschaften an der National University Kyiv-Mohyla Academy. Während seines Studiums arbeitete er unter anderem als Journalist beim Magazin SLOVO sowie als Pressesprecher bei der Nationalen Staatsanwaltsakademie der Ukraine. 2014 kam er erstmals in die Schweiz. Weitere Aufenthalte folgten. 2016 begann er an der Nationalen Taras Shevchenko Universität Kyjiw sein Masterstudium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Er schrieb seine Diplomarbeit in Bern. 2019 beendete Tomilenko sein Studium in der Ukraine erfolgreich. 2019 kehrte er in die Schweiz zurück und begann 2020, als Executive Assistant General Counsel Reinsurance bei Swiss Re in Zürich zu arbeiten. 2021 wechselte er als Anwaltsassistent zu Lalive. Seit 2022 ist Tomilenko bei KPMG Zürich als Partner- und Mandats­assistent Financial Services tätig.

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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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