Richtiges Deutsch

Apostrophenalarm

Eigentlich ists ganz einfach: Der Apostroph zeigt an, dass in einem Wort ein oder mehrere Buchstaben ausgelassen worden sind. Oft können Schreibende selber entscheiden, ob sie einen Apostroph setzen wollen oder nicht. Bloss – wenn sie’s 
am falschen Ort tun, lösen sie den Apostrophenalarm aus.

Die Regeln für den Gebrauch des Apostrophs sind liberalisiert worden. Das heisst aber nicht, dass dieses Zeichen sozusagen kreativ und hemmungslos überall da grad hingeklebt werden darf, wo die Lust uns hintreibt. Neulich am Flughafen sah ich dies: «Gift’s». Der Souvenirladenbesitzer meinte es sicherlich gut, doch hier hat er sich gründlich verschrieben. Offenbar herrscht allgemeine Unsicherheit beim Thema Apostroph. Wie sonst liessen sich haarsträubende Kreationen wie Foto’s, Oma’s Stützstrümpfe, Freunde für’s Leben, nicht’s, stet’s, morgen’s, Nudel’n, Hand’y erklären? In diesen Fällen ist die Verwendung des Apostrophs völlig abwegig, «ein Schämer», wie meine Söhne giftig bemerken würden. Doch die richtige Anwendung ist keine Hexerei, es gilt lediglich, einige Regeln zu beachten.

Der richtige Apostroph hat die Form einer 9, er wird auch als Hochkomma bezeichnet. Der Apostroph ist ein Auslassungszeichen – er zeigt an, dass in einem Wort ein oder mehrere Buchstaben ausgelassen worden sind. Er kann dort gesetzt werden, wo das Pronomen «es» zu «s» verkürzt ist: Wie geht’s, wie steht’s? Nimm’s leicht! Hat’s geschmeckt? Hat er’s kapiert? Sag’s mir! Mach’s gut. Seit der Rechtschreibreform kann man aber auch schreiben: Wie gehts? Nimms leicht! Hats geschmeckt? Hat ers kapiert? Sags mir, bitte! Wirfs weg!

Der Apostroph kann dort gesetzt werden, wo jemand ein Gewerbe eröffnen und dazu ein Schild mit Genitiv anbringen will (aber nur dann): Christie’s, McDonald’s, Fredy’s Bar; Kemal’s Kebab.

Bei Auslassungen im Wortinneren muss ein Apostroph gesetzt werden: Ku’damm, W’thur, D’dorf , Rock ’n’ Roll sowie bei Kennzeichnung des Genitivs von Namen, die auf s, ss, tz, z und x auslauten. Der Apostroph ersetzt hier das Genitiv-s: Hans’ Mutter, Max’ Cousine.

Für das weggefallene Endungs-e bei Verben in der ersten Person Singular muss ein Apostroph nicht (mehr) gesetzt werden: Ich steh im Regen und warte auf dich. Das lass ich mir von dir nicht sagen! Für das weggefallene Endungs-e beim Imperativ der zweiten Person Singular auch nicht: Lass es bleiben! Mach die Tür zu! Halt den Mund!

Finger weg bei diesen Beispielen: Bei Eigennamen im Genitiv steht in der Regel niemals ein Apostroph (ausser bei Firmenschildern und Namen auf s-Lauten) – Annettes Schwester, Simonetta Sommarugas Politik, Zürichs Hafenkran. Der Apostroph wird nicht gesetzt bei Verschmelzung von bestimmtem Artikel und vorangehender Präposition: aufs Pult, unters Bett, ins Haus, beim Essen, vorm Tor. Er wird auch niemals für den Plural-s eingesetzt: Autos, Babys, Clubs, Dias, E-Mails, Gullys, Parks, Ponys, Singles, Shorts, Taxis, Tees, Videos, Zoos.  Dasselbe gilt für Abkürzungen, die im Plural stehen: bitte keine IBM’s, sondern, wenn schon, meine CDs, deine DVDs, die GmbHs, alte LPs, drei Lkw(s), viele Pkw(s), zeigt mir eure IDs. Im Prinzip haben jedoch Abkürzungen keine Mehrzahl. «Senden Sie mir bitte alle PDF» und nicht PDFs, und schon gar nicht PDF’s – richtig ist hier die endungslose Form. Ebenso verhält es sich mit der AG (als Abkürzung von Aktiengesellschaft), sie wird im Plural weder zu AGs noch zu AG’s, weil die Mehrzahl auf -en lautet und nicht auf -s.

Letzter Tipp: Achten Sie beim nächsten Aktienkauf oder in der Lohnbuchhaltung auf die korrekte Zahlenschreibweise: 20 000 und 10’000  sind richtig, doch 10.000 nicht.

Der Apostroph ist ein Satzzeichen, das sehr oft falsch verwendet wird. Die übermässig häufige Verwendung wird mitunter als Apostrophitis bezeichnet. Polemisch wurde insbesondere in der Zeit zwischen den Reformen (1996–2006) auch vom «Deppenapostroph» gesprochen. Vorsicht ist also geboten – im Zweifelsfalle gilt auch hier: Finger weg davon, wenn unsicher.

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Philippe Rey ist dipl. Texter und Konzepter, ausgebildeter Dolmetscher und beschäftigt sich hobbymässig mit «Funktionaler ­Syntax».

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