Travel Management

Das Büro mit den Reisen

Infolge der Globalisierung sind immer mehr Geschäftsreisende auf der ganzen Welt unterwegs. Gleichzeitig ist das Management von solchen Reisen komplexer geworden. Sogenannte Travel Management Companys helfen, die Übersicht zu behalten und Sparpotenzial zu erkennen.

Für viele Berufstätige ist es inzwischen normal, für ein Meeting in eine andere Stadt zu jetten, für eine Präsentation Zeitzonen zu wechseln und die eigene Produktionsstätte nicht am Stadtrand, sondern in den Tropen zu besuchen. «Die Reisetätigkeit von Geschäftsleuten nimmt stark zu», sagt Adrian Matt, Geschäftsführer von TravelBrain, einer Beratungsfirma für die Reiseindustrie. Während der Finanzkrise sei die Anzahl Businessreisen teilweise massiv zurückgegangen, doch inzwischen steige die Zahl wieder stetig und erreiche sogar neue Rekordwerte.

Matt arbeitet seit 25 Jahren in der Reisebranche und beobachtet sie mit grossem Interesse. «Es ist verrückt, was in den vergangenen vier, fünf Jahren passiert ist», sagt er. Dass sich die Welt immer schneller drehe, sei an sich ja ein alter Hut. «Davon spricht man schon seit zwanzig Jahren.» Doch das Tempo des technologischen Wandels und vor allem die Möglichkeiten, die dieser auch für die Reisebranche geschaffen hat, lassen auch ihn staunen. «Noch vor fünf Jahren zum Beispiel, als das Thema Mobile aufkam, hat niemand geglaubt, dass Reisende schon so bald nicht mehr nur via Smartphone surfen und sich informieren, sondern auch gleich buchen und bezahlen», sagt Matt.

Der rasche Fortschritt bringt unzählige Chancen mit sich – aber auch Schwierigkeiten. Oder wie Matt es ausdrückt: «Die Reisewelt ist komplexer geworden.» Komplex vor allem im Sinne von einer schier unüberschaubaren Menge an Informationen. Denn mit der Technologisierung sind zwei sich entgegengesetzte Tendenzen entstanden: Einerseits kann heutzutage jeder Reisende fast alles zu Hause von seinem PC aus buchen. Andererseits wird das Angebot immer differenzierter. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Flugpreise: Hat man früher einfach ein Ticket für alle Leistungen gekauft, haben die Airlines angefangen, den Preis aufzusplitten. Der Flugtarif beinhaltet nur noch den Flug. Die Abgabe von Gepäckstücken, Essen an Bord, die Fast Lane beim Einchecken, der liebste Sitzplatz und so weiter müssen dazugekauft werden. Unbundling nennen Experten das. Inzwischen ist der Trend wieder etwas rückläufig, es wird rebundled: Gewisse Leistungen werden wieder zu Paketen geschnürt. So entstehen je nach Airline neue Tarifsysteme, wie sie die Swiss vor kurzem eingeführt hat. «Für jemanden, der nicht täglich damit zu tun hat, ist es schwierig, die Übersicht zu behalten», sagt Matt. «Zudem ist es beispielsweise für eine Assistentin, die Reisen für andere bucht, fast nicht möglich, 
in vernünftigem Zeitaufwand alle möglichen Optionen zu vergleichen.»

Der Partner für alle Fälle

Hilfe bieten sogenannte Travel Management Companys (TMC), Reisebüros für Geschäftsreisen. Sie sind spezialisiert auf die Bedürfnisse von Businessreisenden und unterstützen vor, während und nach solchen Reisen. Die bekanntesten Namen auf dem Markt sind Hogg Robinson Group (HRG), Carlson Wagonlit Travel (CWT), BCD Travel und American Express Travel. Alle vier sind global aufgestellt und arbeiten unter anderem mit sehr grossen internationalen Firmen zusammen. Eher auf kleinere Unternehmen spezialisiert und regionaler geprägt sind BTA First Travel (Hotelplan-Gruppe), First Business Travel Schweiz (Tui Suisse), Finass Reisen und TravelXperts. Welcher Reisespezialist sich als Partner für das eigene Unternehmen eignet, lässt sich laut Matt nicht verallgemeinern. «Grosse Firmen machen meist eine Ausschreibung. Bei kleineren, und damit meine ich Firmen mit Reiseausgaben zwischen etwa 50 000 und 200 000 Franken im Jahr, lohnt sich das nicht. Da ist es sinnvoll, zwei, drei Offerten einzuholen.» Grundsätzlich würden KMU aber wohl lieber auch mit regionaleren TMC zusammenarbeiten, obwohl die Grossen regelmässig neue KMU-Programme auf den Markt bringen.

Klarer ist für Adrian Matt, wer sich überhaupt einen Partner suchen soll: «Eine TMC hilft Assistentinnen oder den für Businessreisen Verantwortlichen vor allem, durch das riesige Angebot zu navigieren. Die Reiseprofis kennen die verschiedenen Tarifsysteme der Airlines, die Vielfliegerprogramme sowie Firmenbenefits von anderen Leistungsträgern und können dem Kunden das für ihn optimalste Angebot vorschlagen.» Zweitens unterstützen TMC ihre Kunden beim Formulieren und Einhalten von unternehmensinternen Reiserichtlinien, die beispielsweise festlegen, wann Eco und wann Business geflogen wird und wem welche Hotelkategorie zusteht. Drittens können sie Reportings liefern und aufzeigen, wo Sparpotenzial vorhanden ist. Und viertens können sie die Firmen bei Verhandlungen mit einzelnen Leistungsträgern wie beispielsweise Hotels oder Mietwagenfirmen unterstützen. Zudem sind solche Reisebüros sehr gute Ansprechpartner, wenn auf einer Reise Probleme auftreten. Deutlich gemacht hat das beispielsweise die Vulkanaschewolke 2010, die für mehrere Tage den Flugverkehr lahmlegte. «Wer alles selber bucht und sich dann auf die Airline-Hotlines verlassen muss, hat in einem solchen Fall definitiv die schlechteren Karten», sagt Matt. Die Frage ist also eher, wer sollte nicht mit einer TMC zusammenarbeiten?

ÖV statt Taxi

Das sehen selbstverständlich auch die Travel Management Companys selber so. «Ich habe noch keine Firma erlebt, bei der man den Prozess und die Kosten für Businessreisen nicht noch optimieren konnte», sagt Martina Eggler, Vice President Global Strategic Accounts bei Carlson Wagonlit Travel. CWT hat in mehr als 150 Ländern weltweit Niederlassungen und viele internationale Grosskonzerne als Kunden. «Solche Firmen geben im Jahr mehrstellige Millionenbeträge für Businessreisen aus. Aber bei uns können auch Start-ups mit drei Mitarbeitern ihre Reisen buchen.» Vor allem kleinere Unternehmen reisen mehr als früher, ist Eggler überzeugt. «In den vergangenen Jahren hat sich manifestiert, dass immer mehr Firmen, vor allem auch KMU, global aufgestellt sind.» Statt nur innerhalb Europas wird laut Eggler mehr interkontinental gereist. CWT habe viele Kunden, die regelmässig nach Asien fliegen, Afrika sei ein grosses Thema und auch Businessreisen nach Südamerika hätten zugenommen.

Mit dem erhöhten Reisevolumen wird auch vermehrt darauf geachtet, Geld zu sparen. «Da sind vor allem die Hotelkosten interessant», erzählt Eggler. «Für Reisende, die direkt im Hotel buchen, ist es fast nicht möglich, die Kosten transparent zu sehen. Als Reisebüro haben wir hingegen Kenntnis von Weekend Specials und Promotionsraten und können helfen, gute Firmenrabatte auszuhandeln, weil wir den Benchmark kennen.» Ein anderer Punkt, bei dem laut Eggler bei guter Organisation oft Kosten gespart werden können, ist die sogenannte Ground Transportation. «Das sind alle Bewegungsmittel ausser dem Flug. Also zum Beispiel der Weg zum Flughafen, die Strecke zwischen Meetinglokalität und dem Termin für das Nachtessen sowie die Zeit, um danach ins Hotel zu kommen.»

Unter dem Stichwort Door-to-Door-Prinzip arbeiten die TMC daran, auch solche Strecken optimal zu planen. «Hier spielt der Trend zur Sharing Economy, also beispielsweise ein Mobility-Abo statt ein eigenes Firmenauto zu kaufen, mit hinein. Aber auch mit technischen Lösungen, wie sie unsere App CWT To Go bietet.» Mit der App können unter anderem Taxikosten gespart werden, weil sofort nach der Landung in einer neuen Stadt aufgezeigt wird, wie man am schnellsten und günstigsten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt kommt. Neben der selbst entwickelten App arbeitet CWT ständig an technischen Weiterentwicklungen. Wenn ein registrierter Kunde CWT anruft, schaltet ein System sofort sein persönliches Profil auf, in dem vermerkt ist, wo er im Flugzeug am liebsten sitzt, welches Hotel er in Paris bevorzugt, welche Flugklasse ihm laut firmeninternen Reiserichtlinien zusteht und ob er Vegi ist. Der Reisende kann diese Daten selber aktivieren und verwalten. «Ich denke, diese Personalisierung wird weiter zunehmen. Ähnlich wie bei Amazon, das auf den Kunden zugeschnittene Angebote vorschlägt, könnte das auch auf Hotels und Co. zutreffen. In den USA ist das bereits verbreitet», sagt Eggler.

Auch bei der Hogg Robinson Group, die bereits 1845 gegründet wurde, sieht man Sharing Economy und die Individualisierung der Reisen als Trend. «Vor allem jüngere Reisende nutzen für ihre Ferien Plattformen wie Airbnb und Uber und wünschen, diese Flexibilität auf Geschäftsreisen auch von ihren Arbeitgebern zur Verfügung gestellt zu bekommen», sagt Ralf Dörig, Managing Director HRG Schweiz, Österreich und Ungarn. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Regulatorien und Versicherungen entsprechend anpassen müssen. Zudem werden mit solchen Plattformen die Themen Datensicherheit und Umgang mit Social Media im Businessumfeld tangiert.

Kurzfristig und öfter verschoben

Ein weiterer Punkt, warum es sich für Unternehmen lohnt, über ein TMC zu buchen, ist für Dörig die Fürsorgepflicht von Unternehmen, wenn sie Mitarbeiter ins Ausland schicken. Laut Matt wird diese vor allem von kleineren Unternehmen oft unterschätzt. «Die von uns entwickelte Online-Buchungsmaschine HRG i-Suite überwacht beispielsweise ab der Buchung, ob sogenannte Hot Spots im Reiseverlauf auftreten, und klärt Reisende bei Bedarf über die Gefahren auf. Kommt es vor Ort zu einem Notfall, können wir die Reisenden sofort lokalisieren und Kontakt mit ihnen aufnehmen», erklärt Dörig. Über i-Suite können Assistentinnen selber Buchungen tätigen, Profile erstellen und die verschiedenen Reiseoptionen vergleichen. «Wir stellen fest, dass die Bahn von immer mehr Reisenden genutzt wird und der CO2-Fussabdruck in immer mehr Corporate-Social-Responsibility-Vorgaben Platz findet und darum auch bei Geschäftsreisen darauf geachtet wird», sagt Dörig.

«Die Reiserichtlinien sind ein grosses Thema bei unseren Kunden», bestätigt auch Sandro Tanghetti, Geschäftsführer von First Business Travel Schweiz, das sich auf Schweizer KMU spezialisiert hat. Das Unternehmen hat nicht so viele Niederlassungen weltweit wie seine grossen Konkurrenten HRG und CWT, die Berater von First Business Travel sind aber für die Kunden rund um die Uhr erreichbar. Gleich wie bei den Grossen ist hingegen, dass jeder Reisende auf dem Buchungstool sein eigenes Profil hat. Sind die Reiserichtlinien nicht eindeutig, muss bei Buchungen nachgefragt werden. «Vor allem die verschiedenen Tarifsysteme der Airlines beschäftigen uns im Moment sehr», sagt Tanghetti. Er hat auch schon im Freizeitbereich der Reiseindustrie gearbeitet. Der grösste Unterschied sei wohl, dass man als TMC im Businesssektor mit neuen Kunden zuerst eine Art Zusammenarbeitsvereinbarung ausarbeite. «Dort wird festgehalten, wie die Zahlungsarten sind, welche Kosten von der Firma übernommen werden, welche Gebühren wir verlangen und so weiter. Erst dann kommen wir mit den Assistentinnen oder den Reisenden selbst in Kontakt.»

Neben der Entwicklung, dass immer kurzfristiger gebucht und immer öfter Reisedaten verschoben werden, stellt Tanghetti fest, dass das Thema Sicherheit zunehmend in den Vordergrund rückt. Auch er erinnert an die Fürsorgepflicht der Unternehmen: «Klar können viele Assistentinnen die Reisen ihres Chefs auch selber buchen. Von der Sicherheit her ist das allerdings problematisch. Wenn es Probleme gibt, ist es hilfreich, einen professionellen Partner zu haben.» Mit der eigenen App von First Business Travel beispielsweise nehmen die Reiseprofis bei Notfällen Kontakt mit den Reisenden auf. Via App werden diese auch informiert, wenn sich etwas am Flugstatus ändert, Annullationen vorliegen oder ähnliche Hürden auftauchen. «Diese digitale Vernetzung mit dem Reisenden ist heute das A und O», sagt Tanghetti. Und wie stuft er die Assistentinnen ein, die bei ihm die Reisen für ihre Chefs buchen? «Sie sind fordernder als Kundinnen, die Ferien buchen», lacht er. «Aber das ist richtig so. Schliesslich geht es um Business und oft um viel Geld. Unser Job ist es, ihnen etwas von ihrem Druck abzunehmen. Wir assistieren den Assistentinnen beim Planen und Buchen von Geschäftsreisen.»

Reiserichtlinien

Reisen verursachen Unternehmen hohe Kosten. Durch Reiserichtlinien liessen sich diese Kosten in vielen Firmen zumindest teilweise reduzieren. Reiserichtlinien halten fest, welche Leistungen den einzelnen Reisenden zustehen.

Während die meisten grossen Unternehmen über gut ausformulierte Reisericht­linien verfügen, werden diese andernorts gerne vernachlässigt. Wer Reiserichtlinien für das eigene Unternehmen erstellen will, sollte sich unter anderem folgende Fragen stellen:

  • In welcher Flugklasse sollen unsere Mitarbeiter fliegen?
  • Kann ab einer bestimmten Flugdauer eine höhere Flugklasse gebucht werden?
  • Werden bestimmten Hierarchiestufen andere Rechte eingeräumt?
  • Wann sollen Geschäftsreisen gebucht werden? Sollen frühere und damit preisgünstigere ­Buchungen Pflicht sein?
  • Ist die Wahl der Airline frei?
  • Wie viele Stunden Umsteigezeit sind zumutbar?
  • Wie werden Umbuchungen und Stornierungen gehandhabt?
  • Welche Hotelkategorie buchen wir für unsere Mitarbeiter? Gibt es einen Höchstpreis für ­Übernachtungen?
  • Gibt es Sanktionen für Verstösse gegen die Richtlinien?
  • In welchen Fällen sind Ausnahmen zulässig?
  • Über welche Kanäle buchen wir Geschäftsreisen? Reisebüro oder Online?
  • Gibt es eine zentrale interne Stelle, über die alle Buchungen grundsätzlich laufen müssen?

Diese Fragen sind eng mit der Philosophie und dem Selbstverständnis eines Unternehmens verknüpft. Wer flache Hierarchien pflegt, setzt beispielsweise das falsche Signal, wenn er den Chef Business fliegen lässt, während sich andere Mitarbeiter mit der Holzklasse begnügen müssen.

In Reiserichtlinien können auch Massnahmen aus dem Corporate-Social-Responsibility-Katalog, Compliance-Bestimmungen und Vorgaben zum Risikomanagement mit einfliessen.

Wichtig ist: Alle Mitarbeiter müssen von den Richtlinien Kenntnis haben und diese sollten so formuliert sein, dass sie keinen oder wenig Interpretationsspielraum zulassen. In Zeiten unübersichtlicher Tarife kann das bedeuten, dass festgelegt ist, ob ein Mitarbeiter sein Sandwich auf dem Kurzstreckenflug nach Berlin erstattet ­bekommt oder eben nicht.

 

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