Recht

Der arbeitsrechtliche Dauerbrenner

Das Arbeitszeugnis ist im Job von Personalabteilungen Alltag. Wenn es denn eine Personalabteilung gibt. Andernfalls landen zu schreibende Zeugnisse auch gern einmal auf dem Schreibtisch von Assistentinnen, die für die Personalarbeit verantwortlich sind.

Arbeitszeugnisse sind eine leidige Sache. Die wenigsten Menschen haben Freude daran, andere schriftlich zu beurteilen. Oft werden die Zeugnisse auch zentralisiert von Menschen geschrieben, die die betreffenden Mitarbeiter nicht einmal kannten. Immer wieder kommt es in Sachen Arbeitszeugnis zum Streit. Dann beschäftigen sich die Arbeitsrechtler sowie die Schlichtungsstellen und Arbeitsgerichte mit den Arbeitszeugnissen. Es gibt auch unzählige Seminare zum Thema, die immer ausgebucht sind. Warum ist das so? Ein Grund ist sicher, dass das Arbeitszeugnis für die Mitarbeitenden und ihre berufliche Zukunft von entscheidender Bedeutung ist.

Stellenbeschriebe anpassen

Das Arbeitszeugnis ist gesetzlich im Obligationenrecht in Art. 330a OR geregelt: «Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers hat sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken.»

Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte erläutert:

Zunächst einmal kann ein Zeugnis «jederzeit» verlangt werden. Das bedeutet, dass der Mitarbeitende jederzeit ein Zwischenzeugnis verlangen kann. Bei einem Vorgesetztenwechsel empfiehlt es sich, ein Zwischenzeugnis zu verlangen. Ein Zeugnis muss innerhalb nützlicher Frist erstellt werden, das heisst, in der Praxis wird hier für ein Vollzeugnis eine Frist von rund zwei Wochen als angemessen erachtet. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird ein Schlusszeugnis ausgestellt.

Das Zeugnis muss die Personalien des Arbeitnehmers enthalten, die notwendigen Angaben zur Individualisierung des ausstellenden Arbeitgebers sowie dessen Unterschrift samt Ausstellungsdatum und Beginn und rechtliches Ende des Arbeitsverhältnisses.

Weiter soll ein Arbeitszeugnis Auskunft geben über die «Art und Dauer», das heisst letztlich die Funktion und die prägenden Tätigkeiten, die der Mitarbeitende ausgeführt hat. Dabei gilt als Grundlage der Stellenbeschrieb. Hat man während vieler Jahre an einem Ort gearbeitet, so wurde meist die Arbeit verändert und angepasst, der Stellenbeschrieb hinkt dem oft nach. Wirklich entscheidend ist deshalb, was man tatsächlich gemacht hat. Es empfiehlt sich, Veränderungen der konkreten Arbeiten zwischendrin festzuhalten, weil es dann geklärt ist. Spätestens beim jährlichen Mitarbeitergespräch sollte man dies tun, damit es dann auch im Personaldossier verzeichnet ist.

Im Arbeitszeugnis wird weiter die «Leistung» des Mitarbeitenden bewertet. Das heisst, es wird festgehalten und umschrieben, wie die Arbeit quantitativ und qualitativ ausgeführt wurde. War er oder sie beispielsweise sorgfältig, genau oder speditiv et cetera? Es soll für den neuen Arbeitgeber ein aussagekräftiges Bild über den Mitarbeitenden entstehen.

Als weiterer Punkt wird festgehalten, wie sich der Mitarbeitende «verhalten» hat. War er oder sie ein Teamplayer oder ein Einzelkämpfer, war der Umgang mit den Kunden freundlich und angemessen und wie war er gegenüber den Vorgesetzten?

Wohlwollend, aber wahr

So weit, so gut. So viel zur Theorie. In der Praxis kommt es aber immer wieder zu Unstimmigkeiten, die leider oft auch erst durch die Gerichte entschieden werden.

Grundlage des Arbeitszeugnisses bilden die Mitarbeiterbeurteilungen. Diese befinden sich im Personaldossier. Im Fall eines Gerichtsprozesses werden diese, genau wie – falls existierend – frühere Zwischenzeugnisse, beigezogen. Es gibt sehr viele Gerichtsentscheide zu Zeugniskorrekturen. Generell kann, auch nach der Erfahrung der Autorin, gesagt werden, dass Arbeitszeugnisse in Gerichtsprozessen oft teilweise angepasst werden und es dabei in vielen Fällen zu Kompromisslösungen kommt.
In der Literatur zum Arbeitszeugnis heisst es, ein solches müsse wohlwollend sein, das wirtschaftliche Fortkommen des Mitarbeiters fördern und ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben. Die Grenze des Wohlwollens findet sich in der Wahrheitspflicht. Wohlwollend heisst nicht, dass man keine negativen Tatsachen im Zeugnis erwähnen dürfte. Dies ist aber nur der Fall, wenn diese negativen Tatsachen für die Gesamtbeurteilung erheblich sind, also nicht, wenn es völlig irrelevante, isolierte Vorfälle sind.

In der Praxis begegnet einem immer wieder der Fall, dass die letzte Zeit des Anstellungsverhältnisses, wenn sie problematisch war, 
im Zeugnis im Verhältnis zur Gesamtanstellung überbewertet wird, weil es einfach noch «näher» ist. Dies wird dann oft korrigiert, spätestens durch die Gerichte.

Keine Zweideutigkeiten

Dem Arbeitgeber steht bei der Formulierung des Zeugnisses ein grosses Ermessen zu. Unzulässig sind aber zweideutige Formulierungen oder sogenannte Zeugniscodes, das heisst positiv tönende Formulierungen, die eine negative Aussage enthalten. Zum Beispiel kann «kontaktfreudig» aufdringlich bedeuten. Diese Formulierungen sind nach Meinung der Autorin heute kaum mehr in Verwendung, da sie in der Zwischenzeit einem breiten Publikum bekannt sind und somit keine verschlüsselten Botschaften mehr darstellen. Was aber durchaus noch üblich ist, sind Weglassungen, welche ebenfalls negativ beurteilt werden. Fehlt beispielsweise die Beurteilung des Verhaltens, so wird ein Personalverantwortlicher hier die Alarmglocken läuten hören und nachfragen, was das zu bedeuten habe.

Delikte sind dann zu erwähnen, wenn sie wesentlich waren und in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis standen, also beispielsweise Unterschlagung bei einem Bankangestellten. Mit einer blossen Arbeitsbestätigung kann man dies zwar umgehen, aber eine solche wirft grundsätzlich Fragen auf (siehe unten).

Ein wichtiger Punkt ist die Frage, inwieweit über die Gründe des Ausscheidens Auskunft gegeben werden soll. Grundsätzlich gehören diese gegen den Willen des Arbeitnehmers nicht in das Zeugnis. In der Praxis kann eine solche Weglassung aber zu Nachfragen führen, so dass man sie sich überlegen und im Einzelfall entscheiden sollte, was die beste Formulierung darstellt. Oft möchte der Arbeitnehmer auch, dass gesagt wird, dass er gekündigt hat oder dass man ihm aus wirtschaftlichen Gründen kündigte.

Anders zu beurteilen ist der Fall, wenn schwerwiegende Verfehlungen zu einer gerechtfertigten fristlosen Kündigung geführt haben. Hier kann die Erwähnung sogar Pflicht sein und durch den Arbeitnehmer nicht verhindert werden.

Last but not least ist zu erwähnen, dass kein Anspruch auf Formulierungen wie «zu unserem Bedauern», Dankesbekundungen oder Wünsche für die Zukunft et cetera besteht.

Noch kurz zur Arbeitsbestätigung (Absatz 2 von Art. 330a OR): Bei einer solchen wird nur festgehalten, wie lange und was jemand gearbeitet hat und es fehlt die Bewertung der Leistung und des Verhaltens. Das Gesetz sieht vor, dass auf Wunsch des Mitarbeitenden eine Arbeitsbestätigung ausgestellt werden kann. Dies empfiehlt sich aber nicht, da immer vermutet wird, dass «etwas nicht stimmt», wenn die Bewertung fehlt. Deshalb sollte man sich als Mitarbeitende nur in Ausnahmefällen mit einer Arbeits-bestätigung zufriedengeben.

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Marion Morad-Marquardt ist Rechtsanwältin, MBA HSG mit Spezialgebiet Arbeitsrecht und eigener Anwaltskanzlei in Zürich. Sie berät vorwiegend Unternehmen in Fragen des Arbeitsrechts und des allgemeinen Wirtschaftsrechts. www.morad-law.ch

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