Portrait

Fräulein Lustig

Wäre das Leben von Mareike Hennenkämper ein Theaterstück, wäre die Vorlage ein Abenteuerroman und es gäbe viele Nebenschauplätze und wenige Pausen. Die Deutsche steht liebend gerne auf der Bühne und schlüpft als Assistentin auch bei ihrem Arbeitgeber Polygel Tec in verschiedenste Rollen.

Lady Thitherthorough gackert, gluckst und prustet. Es ist ein richtiger Lachanfall, der sie durchschüttelt. Nur wenige Minuten vorher war sie noch in Tränen ausgebrochen, um dann wieder ihre beherrschte, arrogante Miene aufzusetzen. Eine Diva sondergleichen, eine Mörderin noch dazu. Eine Schauspielerin im Schauspiel, Witzfigur und Dramaqueen. Mareike Hennenkämper in ihrem Element.

1. Akt: Die Leidenschaft

Die Rolle der Lady Thitherthorough aus dem Stück «Kriminaltango» ist der 33-Jährigen wie auf den Leib geschneidert. Nicht nur die Atmosphäre auf der Bühne durch die edlen Requisiten im Stil der 1960er-Jahre entspricht ganz dem Geschmack der Hobby-Schauspielerin. Auch den Charakter der affektierten, einfältigen Lord-Gattin verkörpert sie hervorragend. «Ich spiele gerne dümmliche Blondinen auf hohen Hacken», sagt sie und fügt an, dass eine solche Rolle durchaus ihre Herausforderungen berge. «Die anspruchvollste Szene ist der Lachanfall. Sich im Theater totzulachen ist viel schwieriger als loszuheulen.» Dabei lacht Mareike Hennenkämper im Alltag auffallend oft und gerne. Und sie scheut fast keine Peinlichkeit, um auch anderen ein Lachen abzugewinnen. «Ich stand schon grölend im Bademantel auf der Bühne und hab peinlich falsch im Takt getanzt.»

Kriminaltango ist die fünfte Produktion des Kleinen Tournee Theater Zürich, dem Hennenkämper angehört. Die Theatercrew hat keinen festen Sitz, sondern tourt von Gasthaus zu Gasthaus und spielt auch an privaten Anlässen und Firmenfeiern. Hennenkämper ist zurzeit die einzige Frau im vierköpfigen Ensemble und seit der Gründung der Gruppe 2011 dabei. Die Schauspieler studieren jedes Jahr ein neues Stück ein, immer Komödien.  «Stress und Drama gibt es im Alltag schon genug. Ich liebe Kömodien, weil sie das Publikum zum Lachen bringen.» Hennenkämper meint es durchaus ernst mit dem Spass. «Lachen baut Stress ab, entspannt und lässt den Alltag vergessen. Bei einer Komödie können die Zuschauer für zwei Stunden völlig in die Theaterwelt eintauchen. Solche Ausflüchte aus dem Alltag sind doch wichtig.»

Ausser Dienst

Dafür habe ich einmal viel Mut gebraucht: Um in die Schweiz auszuwandern. Gott sei Dank verliess mich der Mut erst, als ich schon im vollbepackten Auto sass.
Dieses Ritual ist mir wichtig: Weihnachten mit meiner Familie und Kartoffelsalat.
Das möchte ich gerne lernen: Ich würde gerne lustige und ausgetüftelte Theaterstücke schreiben können. Diese könnten wir dann auch gleich auf die Bühne bringen.
Das hat mich geprägt: Mein Au-pair-Jahr in Paris direkt nach der Schule. 
Ich war das erste Mal auf mich alleine gestellt, und das auch noch auf Französisch.
Das bringt mich zum Staunen: Die heutige Technik. Es erstaunt mich immer wieder, was alles möglich ist und wie schnell neue Dinge auf den Markt kommen.
Das macht mich wütend: Unfreundliche Menschen, die mangelnde Erziehung genossen haben. Das geht der Gesellschaft immer mehr verloren – die guten alten Manieren! Und Menschen, die Tiere quälen, machen mich stinksauer.
Das wollte ich als Kind werden: Tierärztin, aber nachdem mir im Praktikum schlecht wurde, war ich mir sicher, ich würde das Studium nicht durchstehen.

Sie selber hat diese Welt schon in der Schule lieben gelernt. «Meinen ersten Auftritt im Schultheater hatte ich als Hexe in Hänsel und Gretel – ich glaube, ich habe die Rolle wegen meiner Nase bekommen», sagt sie und lacht herzlich. Heute noch würde sie gerne in einem Märchen die böse Königin spielen, «weil böse Rollen interessanter sind. Böse haben Macht.» Auch eine alte Frau steht auf ihrer Wunschliste, weil sie sich und andere gerne schminkt und es spannend findet, sich zu verwandeln. Ein Highlight aber wäre es für die Deutsche, wenn sie später einmal eine Rolle auf Schweizerdeutsch spielen könnte.

2. Akt: Der Werdegang

Mareike Hennenkämper ist in Westdeutschland geboren und wohnte später mit ihren Eltern in Hamburg. Sie absolvierte die Ausbildung zur Hotelfachfrau und kam so mit Menschen aus der ganzen Welt in Kontakt. Im Laufe der Jahre erschien ihr die Stadt an der Alster immer enger. Sie wollte in die grosse, weite Welt ziehen – und ist in der Schweiz gelandet. «Hier gefällt es mir», rechtfertigt sich die Wahlschweizerin lachend. Auf die Helvetia-Idee haben sie ihre Eltern gebracht, beide grosse Schweizfans. Ihr Vater war es auch, der sie vor sieben Jahren in die Schweiz begleitete, um einen Job zu suchen. Nach einer durchgefahrenen Nacht stellte sie sich morgens im Hotel Marriott in Zürich als Receptionistin vor, bekam die Stelle und blieb. «Die Hotelwelt gefällt mir, vor allem der Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen und die vielen Sprachen. Aber nach ein paar Jahren wollte ich weiterkommen und etwas Neues lernen.» Die Hotelfachfrau absolvierte eine Weiterbildung für das Handelsdiplom und stieg in die Assistenz ein

Doch der Start war schwierig. Nicht wegen des Jobs an sich, sondern wegen des Teams. Man hatte das Heu nicht auf der gleichen Bühne, Hennenkämper machte den Abgang. «Ich bin geflüchtet», sagt sie. Für die Suche der zweiten Assistenzstelle hat sie sich viel Zeit gelassen. Mit Erfolg. Beim KMU Polygel Tec AG sei sie angekommen. «Ich verstehe mich super mit allen drei Chefs von Mutter- und Tochterfirmen, habe viele verschiedene Aufgaben und mit zehn Mitarbeitern herrscht bei uns ein familiäres Klima. Das entspricht mir.»

3. Akt: Der Alltag

Das Start-up forscht an Kunststoffen, an Beschichtungen auf Stärkebasis und an der gelatinefreien Herstellung von Kapseln und Softgums, eine Art Gummibärchen, die angereichert werden können. Hennenkämper ist nicht nur im Büro anzutreffen, sondern hilft immer mal wieder auch bei der Produktion aus. «Wenn Not am Mann ist, zähle ich auch mal Kapseln oder verpacke Softgums.» Sie ist Mädchen für alles, übernimmt aber vor allem viele administrative Tätigkeiten. Sie vereinbart Termine, erledigt Reisebuchungen, führt Protokoll, schreibt Berichte, erstellt Listen, ist erste Ansprechperson für Lieferanten und Kunden und hat auch mit dem Einkauf sowie Patenten für die neuen Technologien von Polygel Tec zu tun. Ende Jahr ist sie mit den Jahresabschlüssen der einzelnen Firmen beschäftigt und zwischendurch bereitet sie auch Kapitalerhöhungen vor. «Es gefällt mir, dass ich am Morgen nie genau weiss, was der Tag bringen wird», sagt Hennenkämper.

Manchmal sind selbst im Beruf ihre schauspielerischen Fähigkeiten gefragt: Beim Dreh eines Imagefilms zum Beispiel, bei dem die damals frischgebackene Polygel Tec-Assistentin direkt die Regie übernahm. «Meine Chefs haben Verständnis und Interesse an meiner Schauspielerei. Das ist grossartig.» Umgekehrt hat sie als Assistentin Fähigkeiten, die im Theater nützlich sind. Fällt das Ringheft, eine wichtige Requisite, auseinander, wird Hennenkämper es richten, und auch wichtige Fäden im Hintergrund zieht sie mit Assistentinnen-Geschick. «Ich organisiere Spielorte und Flyers, rühre die Werbetrommel und helfe bei der Erstellung von Broschüren», erzählt sie. Vor Auftritten ist sie so schon mal neun, zehn Stunden in der Woche mit dem Theater beschäftigt und verbringt einen Grossteil ihrer Freizeit in einer Scheune oder einem Luftschutzkeller, um zu proben. «Ich habe mir überlegt, die Schauspielerei zu meinem Beruf zu machen, aber ich habe mich dagegen entschieden.» Irgendwann wäre das Hobby auch nur ein Job, befürchtet sie. «Zudem müsste ich meinen Lebensstandard runterschrauben und meine finanzielle Sicherheit aufgeben.»

Hobbymässig hat sich Hennenkämper sogar schon an einen Film gewagt – vor und hinter der Kamera. Ein Horrorkurzfilm der klassischen Art. Vielleicht ist das Werk bald auf Youtube zu sehen. «Zuerst muss er meinen strengen Qualitätsanforderungen genügen», fügt die Regisseurin an. Sie verlangt sich einiges ab, nicht nur was die Qualität angeht. Auch sonst taktet sie hoch im Leben. «Ich interessiere mich für vieles, darum organisiere ich meine Freizeit durch. Ich würde sagen, ich nutze meine Zeit ganz gut», sagt sie und lächelt. Effizient gestaltete Musse. Sie kocht gerne, geht regelmässig ins Fitnessstudio, liebt Outdoor-Aktivitäten und Theaterbesuche, Kino und Reisen. Erst vergangene Weihnachten hat sie zudem das Häkeln für sich entdeckt. «Ich habe haufenweise Erdbeeren als Dekoartikel gehäkelt. Ich habe sie ausgestopft, mit einem Band zum Aufhängen versehen und verschenkt.»

Zur Ruhe kommt Hennenkämper am ehesten, wenn sie sich um ihr Pflegepferd kümmert. Rund zweimal die Woche geht sie alleine ausreiten. «Ich schliesse dann die Augen und spreche mit dem Pferd», erzählt sie. Allgemein liebt Hennenkämper Tiere. Sie möchte später mit ihrer eigenen Familie und vielen Tieren auf einem Bauernhof leben. Selbst dann, glaubt sie, wird sie noch Zeit fürs Theater finden. «Ich habe so etwas wie einen atomaren Kern in mir, der dauernd Energie ausstrahlt.»

  • Das Ensemble des Kleinen Tournee Theater Zürich kann auch für private Anlässe gebucht werden: kttz.ch

Zur Person

Mareike Hennenkämper ist in Hamburg aufgewachsen und lebt seit sieben Jahren in der Schweiz. Die 33-Jährige wohnt zusammen mit drei Katzen und fünf persischen Rennmäusen in Kloten. Nach der Schule hat sie ein Jahr als Au-pair in Paris verbracht und dann in einem Fünfsternehotel die Ausbildung zur Hotelfachfrau absolviert. In der Schweiz hat sie an der Reception des Hotels Marriott gearbeitet, bevor sie an den Empfang der Bank Leonteq Securities AG (damals EFG) wechselte. Berufsbegleitend erlangte Mareike Hennenkämper an der Migros Klubschule das Handelsdiplom und stieg in die Assistenz ein. Der Start verlief nicht ganz glücklich und Hennenkämper verliess ihre erste Assistenzstelle fluchtartig. Heute ist sie bei der Polygel Tec AG als Assistentin tätig und sehr glücklich mit ihrer Stelle.

 

Kommentieren 0 Kommentare
Weitere Artikel von Stefanie Schnelli
Log in to post a comment.

KOMMENTARE

ADD COMMENT