Führung 4.0

Führungskräfte sind Weichensteller

Führung wird nicht nur praktisch angewendet, darüber wird auch geforscht. Dekanin Barbara Stöttinger von der WU Executive Academy in Wien über «Must Have»-Skills, das richtige Mindset von Führungskräften sowie über Resilienz und den Sinn bei der Arbeit.

Provokant gefragt: Braucht es in der Arbeitswelt Führungskräfte?

Barbara Stöttinger: Führen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Für sich selbst, für sein Team und für (unpopuläre) Entscheidungen. Es bedeutet aber auch, andere zu motivieren, ihnen Richtung und Sinn in ihrem Tun zu geben und dafür zu sorgen, dass das Ganze mehr ist als die Summe aller Einzelaktivitäten. Gelingt es, dass Führungskräfte, wie auch Mitarbeitende für sich und den eigenen Bereich Verantwortung übernehmen, kann ein Unternehmen Aussergewöhnliches leisten.

Quiet Quitting ist ein mediales Thema. Die Wurzeln dieses Phänomens liegen oft in der Führung. Was können Führungskräfte tun, um innere Kündigungen zu bemerken und etwas dagegen zu tun?

Kündigen Mitarbeitende innerlich, verlieren sie ihre Motivation und Leistungsbereitschaft. Das wirkt sich negativ auf ihre Arbeit und das Unternehmen aus. Um Quiet Quitting vorzubeugen, gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Regelmässig Feedback-Gespräche mit den Mitarbeitenden, um zu erfahren, wie es ihnen geht und vor welchen Herausforderungen sie stehen.
  • Eine offene Kommunikation fördern, damit Mitarbeitende sich sicher fühlen, Probleme ansprechen und Feedback in einem sicheren Rahmen geben.
  • Weiterentwicklung unterstützen, Schulungen, Workshops und andere Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung anbieten.
  • Arbeitsbedingungen verbessern, indem auf die Work-Life-Balance geachtet wird und flexible Arbeitszeiten sowie Homeoffice ermöglicht werden.
  • Ein positives Arbeitsumfeld schaffen, das Teamwork, Zusammenarbeit und eine offene Feedback-Kultur fördert.

Mitarbeitende müssen sich wertgeschätzt und respektiert fühlen, um langfristig motiviert zu bleiben. Welche Fähigkeiten müssen Führungskräfte mitbringen?

Mit Fokus auf die «Must Have»-Skills können Führungskräfte trotz aller Unwägbarkeiten die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen:

  • Zu «Strategic Foresight» befähigen Business as usual gibt es nicht mehr. Führungskräfte müssen sich deshalb mit dem Thema «Strategic Foresight» beschäftigen, da Krisen jederzeit auftauchen. Dabei geht es darum, sich unterschiedliche Szenarien zur Zukunft auszumalen und diese strategisch mitzugestalten. Keines dieser Szenarien wird jemals genauso eintreten, aber die Tatsache, dass wir uns so intensiv damit beschäftigt haben, macht uns bei unseren Entscheidungen flexibel, effizient und schnell – unabhängig davon, was die Zukunft bringen mag.
  • Pionier-Qualitäten stärken Das Thema Selbstführung tritt als Führungskompetenz noch stärker als bisher in den Vordergrund: Führungskräfte sind gefordert, Selbstverantwortung bei sich und ihren Mitarbeitenden zu fördern und mutig neue Wege zu gehen. Dazu gehören auch Empathie und Intuition sowie der konstruktive Umgang mit Emotionen.
  • Fokus auf neue Technologien legen Neue technologische Entwicklungen wie das Web3 mit seinen virtuellen Metaverses und Krypto-Trends wie NFTs führen zu neuen Geschäftsfeldern und -chancen. In entsprechenden Weiterbildungen können Führungskräfte neues Wissen erschliessen, diese Entwicklungen besser einordnen und dadurch tragfähigere Businessentscheidungen treffen.

Und welches Mindset?

Führungskräfte benötigen ein flexibles und offenes Mindset. Nur so können sie sich an neue Gegebenheiten anpassen und sind bereit, Veränderungen zu akzeptieren und neue Arbeitsmodelle und -methoden zu implementieren. Führungskräfte müssen zudem in der Lage sein, Mitarbeitende zu motivieren und zu inspirieren und eine offene Feedbackkultur fördern. Andererseits wird Vertrauen und Transparenz wichtiger: Dabei geht es darum, Verantwortung abzugeben und Mitarbeitende zu befähigen, Entscheidungen zu treffen. Führungskräfte müssen darüber hinaus bereit sein, sich selbst zu reflektieren, aus Fehlern zu lernen und sich kontinuierlich weiterzubilden, um den Anschluss an Trends und Technologien nicht zu verlieren.

Mit dem «Purpose-Driven Leadership» soll Sinn gestiftet werden. Kann denn nicht jeder nur für sich selbst finden?

In Krisenzeiten sind Menschen geneigt, in den Panikmodus zu geraten. Es brennt an allen Ecken und Enden. Davon werden wir leicht abgelenkt und fühlen uns dann überfordert. Umso wichtiger ist daher der «Purpose» eines Unternehmens, der allen Mitarbeitenden langfristig Orientierung gibt. Er ist ein wichtiger Anker, an dem unternehmerische Entscheidungen und Massnahmen immer wieder ausgerichtet werden. Eine Führungskraft muss den eigenen Purpose und jenen der Mitarbeitenden mit jenem des Unternehmens in Einklang bringen.

Die Arbeitswelt wandelt sich und mit ihr der Anspruch an Führungskräfte. Inwiefern stimmen Anspruch und Realität überein?

Das Selbst- und Rollenverständnis von Führungskräften hat sich in den letzten Jahrzehnten völlig verändert. In der Vergangenheit behaupteten sich oft die besten Experten in einem bestimmten Bereich, die dann im Laufe der Zeit Führungsaufgaben übernahmen, unabhängig davon, wie gut oder schlecht die persönlichen Führungskompetenzen ausgeprägt waren. Das hat sich mittlerweile geändert. Gerade die sozialen und somit auch Führungskompetenzen spielen bei der Auswahl von Führungskräften eine genauso wichtige Rolle wie die fachliche Eignung. Optimal ist ein auf die jeweilige Position abgestimmter und ausbalancierter Mix aus Fachwissen und Führungskompetenzen.

Barbara Stöttinger

Barbara Stöttinger ist Dekanin der WU Executive Academy. Sie absolvierte ihr Doktoratsstudium an der Wirtschaftsuniversität Wien und habilitierte 2003 im Fachbereich Internationales Marketing. Vor ihrer Zeit am Institut für Internationales Marketing Management war sie im Marketing eines internationalen Konsumgüterherstellers und in der Beratung tätig. Darüber hinaus arbeitet Stöttinger seit Jahren als Vortragende für Marketing und Internationales Marketing in Europa, Asien und Nordamerika. Sie wurde mehrfach mit Teaching Awards ausgezeichnet

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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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