Coaching

Hilfe mein Chef ist...cholerisch

Im Ton vergriffen haben wir uns wohl alle schon mal. Aber was, wenn das öfter passiert und sich zu regelrechten Ausrastern entwickelt? Und was, wenn es sich bei diesem unangenehmen Zeitgenossen auch noch um den Chef handelt? Ein Coach gibt Rat.

Der Fall

Seit einem halben Jahr hat Maja, Geschäftsführungsassistentin in einem mittelständischen Medienunternehmen, grosse Mühe im Umgang mit ihrem cholerischen Chef. Seine andauernden und unberechtigten Wutanfälle sind für sie kaum noch auszuhalten. Immer wieder kommt er ins Büro, brüllt herum und macht nicht nur sie, sondern auch Kollegen vor versammelter Mannschaft fertig. Dabei fallen schon mal Sätze wie «Sie sind eine Niete» oder «Was können Sie denn überhaupt?». 

Das rät der Coach:  

Grundsätzlich gilt, dass Brüllereien und ­Beschimpfungen äusserst unangenehm sind. Besonders wenn sie zu Unrecht erfolgen. Und selbst wenn die angegriffene Person einen Fehler begangen hat, ist das noch kein Freibrief für derart unangemessenes Verhalten. Tobsuchtsanfälle mit oder ohne Beleidigungen muss sich niemand bieten lassen. 

Entschärfung während eines Anfalls

Wenn Ihr Chef Sie in Grund und Boden schreit, ist Vorsicht geboten: Kontern Sie auf keinen Fall im gleichen Ton, sondern atmen Sie einmal tief durch. Bleiben Sie ernst und bagatellisieren Sie auf keinen Fall. Ein Choleriker regt sich aus seiner Sicht völlig zu Recht auf. Bemerkungen wie «Wer wird sich denn gleich so aufregen?» signalisieren nur eines: «Ich nehme dich nicht ernst.» Achten Sie deshalb auf Ihre Wortwahl und auf einen neutralen Sprachstil, denn auch ironische Bemerkungen sind tabu. Ebenso wie Rechtfertigungen. Treiben Sie Ihren Chef nicht noch mehr zur Weissglut, warten Sie lieber, bis der Anfall vorbei ist. 

Innerlich auf Distanz gehen

Gehen Sie vor der Wut in Deckung und schalten Sie ab: «Wem muss diese Situation jetzt peinlich sein? Mir oder meinem Chef? Ihm gelingt es nicht, sich selbst im Griff zu haben.»

Sagen Sie sich: «Ich habe nichts gemacht. Ich bin an dieser Reaktion nicht schuld. Ich kann an der Schimpfkanonade sowieso nichts ändern. Gleich ist es vorbei.» Vergeuden Sie keine
Energie damit, sich zu überlegen, warum er sich so verhält. Sie haben einen entscheidenden Vorteil: Sie wissen, dass Sie es mit einem Menschen zu tun haben, der sich ab und zu nicht im Griff hat, und können sich auf diese Situationen einstellen.

Wenn möglich die Situation verlassen 

Wenn Sie können, ergreifen Sie ruhig die Flucht. Wenden Sie sich ab oder lassen Sie ihn einfach kommentarlos stehen. Das hat nichts mit Verlieren zu tun, denn es gehört viel Souveränität dazu, auf Beleidigungen und Gebrüll neutral zu reagieren und nicht zurückzuschreien.

Nach der cholerischen Situation

Leiten Sie ein freundliches und sachliches ­Gespräch mit Ihrem Chef unter vier Augen ein. Idealerweise schildern Sie zuerst die Situation. Im zweiten Schritt sollten Sie durch eine Ich-Botschaft erklären, was sein Verhalten bei ­Ihnen auslöst. Das kann etwa so klingen: «Ich habe deine Worte als Beleidigung empfunden und fühle mich persönlich sehr gekränkt.»
Im dritten Schritt können Sie versuchen, mit ihm eine Vereinbarung zu treffen, die etwa so klingen könnte: «Ich würde gerne mit Ihnen fest­legen, wie wir miteinander umgehen.» 

Das bewirkt in vielen Fällen, dass Ihrem Gegenüber der Auftritt peinlich ist und er den Vereinbarungen zustimmt. Nicht in jedem Fall ist ein Chef einsichtig. Dann ist möglicherweise der Punkt erreicht, den Chef zu wechseln. 

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Agnes Joester ist Geschäftsführerin von vivo consulting gmbh und Partnerin von demograf.ch. Die Diplom-Psychologin begleitet Menschen und Organisationen in Veränderungsprozessen. Ein Arbeitsschwerpunkt ist die Demografieberatung in Unternehmen und Kommunen. Sie ist Dozentin an der Universität St. Gallen.

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