KI im Executive-Assistant-Alltag
Vom Experiment zum täglichen Gebrauch: Drei Praxisbeispiele aus dem Berufsleben.
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Künstliche Intelligenz klingt nach Science-Fiction, ist aber letztlich ein Werkzeug wie Excel oder Outlook. Nur eben eines, das Sprache versteht, Muster erkennt und Inhalte generieren kann. Die heutigen KI-Systeme wie ChatGPT, Claude oder Gemini sind Large Language Models (LLMs), die mit enormen Textmengen trainiert wurden.
Beispiel 1: Claude (Large Language Model von Anthropic) als Kommunikations-Coach
Die Herausforderung: Nach einem zweistündigen Strategie-Meeting mit sieben Teilnehmenden braucht der CEO bis 17 Uhr ein Executive Summary für den Verwaltungsrat – prägnant, strukturiert und mit klaren Action Points. Früher: Meeting-Notizen durchgehen (20 Minuten), wichtigste Punkte identifizieren (15 Minuten), Text formulieren (25 Minuten), Korrekturschlaufe (10 Minuten). Total: 70 Minuten.
Mit Claude: Die Assistenz gibt Claude meine Meeting-Notizen mit folgendem Prompt:
Ich habe folgende Notizen aus einem Strategie-Meeting. Bitte erstelle ein Executive Summary für den Verwaltungsrat:
- Maximal eine A4-Seite
- Drei bis vier Haupterkenntnisse
- Konkrete Action Points mit Verantwortlichen und Deadlines
- Ton: professionell, aber nicht zu formell
- [Meeting-Notizen einfügen]
Claude als Sparringspartner stellt gute Rückfragen, und sobald diese beantwortet sind, liefert Claude in 30 Sekunden einen strukturierten Entwurf. Die Assistenz passt Tonalität, interne Terminologie und politische Nuancen an und ist in 15 Minuten fertig.
Zeitersparnis: 55 Minuten pro Meeting-Zusammenfassung.
Der Trick: KI erledigt die «Denkarbeit» der Strukturierung und Formulierung. Die Assistenz konzentriert sich auf das, was KI nicht kann: die politische Einordnung und das Fingerspitzengefühl.
Beispiel 2: Automatisierte News-Zusammenfassungen mit ChatGPT
Die Herausforderung: Als Online-Marketer muss ich stets auf dem aktuellen Stand über SEO, SEA und KI bleiben. Tägliches Blog-Lesen ist zeitintensiv und oft ineffizient.
Die Lösung: Scheduled Tasks von ChatGPT (in der Pro-Version verfügbar)
Der Prompt: Erstelle jeden Werktag um 8 Uhr eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Neuigkeiten im Bereich SEO, SEA und KI aus den letzten 24 Stunden. Beschränke dich auf maximal fünf Punkte und füge Links zu den Originalquellen hinzu.
Resultat: Statt 3 Stunden Recherche investiere ich 45 Minuten, und diese Zeit verbringe ich mit den Artikeln, die mich wirklich interessieren.
Wichtiger Hinweis zu ChatGPT-5: Das Prompting hat sich mit GPT-5 verändert, denn Sie müssen nicht mehr selbst die Modelle auswählen. Für komplexe Aufgaben können Sie Phrasen wie «Denke gründlich darüber nach» oder «Überlege dir das genau» verwenden. Das ist besonders wichtig für Gratis-Userinnen und -User, die nicht automatisch das «Thinking»-Modell auswählen können.
Tipp: OpenAI hat einen Prompt-Optimizer entwickelt, der einfache Prompts automatisch in präzisere, strukturiertere Anweisungen umwandelt. Geben Sie beispielsweise «Wie kann ich mich gesund im Büro ernähren?» ein, und das Tool erstellt daraus einen detaillierten Prompt mit konkreten Parametern, Kontext und gewünschtem Format. Perfekt, um zu lernen, wie Prompts aussehen sollten.
Beispiel 3: Der Support-Blog mit KI-Avatar (elob.ch)
Die Ausgangslage: Das Support-Team unseres Kunden wurde mit wiederkehrenden Fragen ausgelastet: Passwort zurücksetzen, Prüfung erstellen, Klasse erstellen, Benutzer hinzufügen. Diese Standardfragen machten
60 Prozent aller Anfragen aus.
Die Lösung: Ein KI-gestützter Support-Blog mit interaktivem Avatar, der Routinefragen beantwortet, bevor sie beim Support-Team landen.
Die Umsetzung:
- Blog-Artikel mit KI-Avatar erstellt, der durch die Tools führt
- Rasche Anpassungen und Übersetzungen ins Englische, Französische etc. möglich
- Prominent auf elob.ch platziert und sofort zugänglich
Das Ergebnis:
- Zeitersparnis: vier Stunden pro Woche für das Support-Team
- Unerwarteter Bonus: 24/7-Support auch um 22 Uhr und am Wochenende
Planung: Die Inbox mit Fragen und Antworten trainieren. Dann mittels KI automatisch eine Antwort formulieren und in den Entwürfen abspeichern. Meiner Meinung nach ist es immer noch essenziell, dass das menschliche Auge kurz über die Antwort drüberschaut.
Die Erkenntnis: KI ist am effektivsten bei wiederholbaren Prozessen mit klaren Informationen. Der menschliche Support konzentriert sich jetzt auf komplexe Fälle, die wirklich Expertise brauchen.
Was KI kann:
- Informationen verarbeiten und zusammenfassen
- Texte schreiben und umformulieren
- Daten strukturieren und analysieren
- Zusammenhänge erkennen
- Bilder und Videos (Google Gemini) generieren
- Routineaufgaben automatisieren
Was KI nicht kann:
- Menschliche Intuition ersetzen
- Politische Sensibilität entwickeln
- Beziehungen pflegen
- Spontan auf unvorhergesehene Situationen reagieren
Mit anderen Worten: KI ist der perfekte Sparringspartner für all jene Aufgaben, bei denen man denkt: «Das muss jetzt sein, aber es raubt mir Zeit für das Wesentliche.»
Praktische Tipps für den Einstieg: die Dos und Don'ts von Thomas Zahnd lesen Sie im Miss Moneypenny Magazin 6/25.