Weiterbildung

Mit dem Chef zum Seminar

Chef und Assistentin bilden in der Regel ein gut eingespieltes Mini-Team. Trotzdem kann der Blick einer Expertin, die das Duo von aussen betrachtet, aufschlussreich sein. Ein Workshop ermöglichte es sechs Chef-Assistentinnen-Gespannen, diese Perspektive einmal abzuholen. Ein Erfahrungsbericht.

Den Chef zu überzeugen, die Kosten einer  Weiterbildung zu übernehmen, braucht oft ziemlich gute Argumente. Ihn obendrein dazu zu bringen, selbst am -Seminar teilzunehmen und sich mit dem Thema -Zusammenarbeit Chef-Assistenz auseinanderzusetzen, glückt sicher selten. Schon deshalb nicht, weil es fast keine Angebote gibt, die sich an beide Zielgruppen richten.

Karin Frey und Bruno Bisig, Kontiki Reisen

Die Ausgangslage: Die Stelle von Karin Frey wurde erst Anfang 2014 neu geschaffen. Ihr Chef Bruno Bisig hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Assistentin gehabt. Es ging also darum, die Zusammenarbeit von A bis Z neu zu definieren. Den Vorschlag, am Seminar teilzunehmen, machte Karin Frey. «Der Chef kommt nicht auf solche Ideen, der hat ganz andere Probleme», lacht Bruno Bisig. Beide fanden vor allem den Zeitpunkt gut. Als das Seminar stattfand, hatten sie gerade eine halbes Jahr zusammengearbeitet und wussten so genau, an welchen Punkten sie noch arbeiten wollten.

Karin Frey: Wir haben nach dem Seminar regelmässige Meetings eingeführt und ich kann meine Aufgaben besser planen. Dazu schauen wir jeweils, was in den kommenden zwei Wochen läuft, was ich vorbereiten kann und ob aus vergangenen Terminen Pendenzen entstanden sind. Spannend war es auch, darüber zu diskutieren, wie man sich als Assistentin gegenüber anderen Mitarbeitern durchsetzen kann. Vielen Vorgesetzten ist nämlich gar nicht bewusst, wie schwierig das sein kann.

Bruno Bisig: Die grosse Erkenntnis aus dem Seminar für mich war, dass noch zu viel vom täglichen Geschäft bei mir lag und dass es nicht funktioniert, wenn ich Aufgaben ausschliesslich im Tagesrhythmus delegiere. Heute hat Karin einen eigenen Aufgabenbereich und muss nicht darauf warten, dass ich etwas delegiere. Sie hat die gesamte Planung der organisatorischen Abläufe übernommen. Dazu braucht es mich nicht und dort kann sie mich am meisten entlasten. Am wichtigsten war es, zwischen Management und Leadership unterscheiden zu lernen. Ersteres kann ich nämlich gut delegieren, für Letzteres braucht es wirklich mich. Ausserdem habe ich erkannt, dass ich meiner Assistentin auch mehr den Rücken stärken muss. Oft sieht man die Rolle der Assistenz darin, dass sie dem Chef den Rücken stärkt, aber ich muss das umgekehrt genauso machen. Nur dann kann sie in meinem Namen agieren und es hat bei den Mitarbeitern das gleiche Gewicht.

 

Liz Küng hat im vergangenen September genau so ein Seminar angeboten. Die Trainerin gibt seit 20 Jahren Seminare für Assistentinnen; sie ist als Coach und Organisations-beraterin in Unternehmen tätig und kennt die Sorgen und Nöte der Assistentinnen in- und auswendig. Sie weiss auch, dass die Teilnehmerinnen ihrer Seminare regelmässig finden: «Das sollten unsere Vorgesetzten auch mal hören», wenn es um Fragen wie Informationsaustausch, Koordination, rechtzeitige Entscheide und Vorausarbeiten geht. 

Küng wollte darum Assistentinnen die Chance geben, zusammen mit ihren Chefs einen halben Tag lang über ihre Zusammenarbeit nachzudenken. «Ich habe mich bewusst auf einen halben Tag beschränkt, um die Hürden möglichst gering zu halten. Da konnte eigentlich kein Chef nein sagen», so die Trainerin.

Es erstaunt sie nicht, dass es das Angebot eines kombinierten Seminars sonst kaum gibt: «Da treffen unterschiedliche Sichtweisen konzentriert aufeinander und die Erwartungen an den Trainer für konkrete praktische Anwendungen sind sehr hoch und sollen in kurzer Zeit erreicht werden. Auch gruppendynamisch kann ein solches Setting sehr anspruchsvoll sein», erklärt Küng. 

Anne-Lucie Meier und Andreas Breschan, Hörmann Schweiz AG

Die Ausgangslage: Chef Andreas Breschan hat seine Assistentin Anne-Lucie Meier von seinem Vorgänger übernommen. Im seinem ersten Jahr teilte sich Breschan den CEO-Posten noch mit seinem Vorgänger. In dieser Zeit hatte Meier also sogar noch zwei Chefs. In das Seminar gingen beide ohne spezifische Probleme oder Erwartungen. 

Anne-Lucie Meier: Ich hatte nicht lange vor dem Seminar die Weiterbildung zur Direktionsassistentin gemacht und dort oft gedacht, es wäre doch super, wenn mein Chef auch einmal hören könnte, was wir dort zur Organisation und Tagesplanung diskutiert haben. Als dann der Flyer mit dem Seminarangebot ins Haus flatterte, hab ich ihn einfach gefragt und er fand sofort, dass das gut klinge. Im Alltag nimmt man sich die Zeit viel zu selten und hetzt von einem Termin zum nächsten. Durch das Seminar hatten wir endlich einmal ein Zeitfenster, in dem wir uns nur unserer Zusammenarbeit widmen konnten. Im Gespräch mit der Trainerin und den anderen Teilnehmern haben wir auch gemerkt, dass vieles bei uns schon sehr gut funktioniert. Wir haben aber auch gemerkt, dass zum Beispiel regelmässige Sitzungen zu einer fixen Uhrzeit nicht zu unserer Arbeitsweise passen. Wir sprechen uns morgens zwar auch meistens ab, aber eben nicht zu einer bestimmten Zeit. Ausserdem habe ich begonnen, einen Wochenplan zu erstellen und meinen Chef darüber zu informieren, woran ich gerade arbeite und wann ich noch Kapazitäten habe. Meist weiss nämlich zwar die Assistentin, was der Chef macht, aber umgekehrt nicht. 

Andreas Breschan: Ich habe aus Neugier zugesagt, mit meiner Assistentin das Seminar zu besuchen. Ausserdem habe ich gemerkt, dass es ihr wichtig ist. Wir sind offen und unbelastet in das Seminar gegangen und haben es auf uns zukommen lassen. Verändert haben wir vor allem die Zuteilung gewisser Aufgaben, wie zum Beispiel der Absenzenfreigabe. Sie kennt die Kriterien, nach denen sie entscheiden kann, bei längeren Absenzen spricht sie sich mit mir ab. Wir haben ausserdem fix ein Zeitfenster geplant, in der ich meine Büroarbeit erledigen kann. Auch meine Aussendiensttermine plane ich jetzt nicht mehr selbst. Ich verbringe jeweils einen Tag in der Woche mit dem Aussendienst, Anne-Lucie Meier organisiert jetzt selbständig, mit welchem Mitarbeiter ich unterwegs bin. Im Seminar war ich erstaunt festzustellen, dass gewisse CEOs sich hinter ihren Assistentinnen verstecken. Ich finde, als Chef sollte man zugänglich sein und sich nicht hinter einer Vorzimmerdame verstecken.

Sie selbst hatte einmal versucht, ein ähnliches Angebot bei einem Grossunternehmen auf die Beine zu stellen. Doch der Widerstand war gross, die Befürchtung, die Chefs würden dann in Konkurrenz zueinander treten, stand im Raum. Das Seminar kam damals schliesslich nicht zustande. Für den halben Tag im September meldeten sich letztlich sechs Chef-Assistentinnen-Paare an. Darunter solche, die erst seit Kurzem miteinander arbeiteten, aber auch langjährige «Gespanne»: «Ich empfinde es als Ausdruck der Wertschätzung, wenn sich ein Chef einen halben Tag lang Zeit nimmt, um sich mit seiner Assistentin über die Zusammenarbeit auszutauschen. Denn dieser Austausch kommt im Alltag meist zu kurz und fällt dem Effizienzdenken zum Opfer», so Küng. «Den Vorgesetzten wäre es am liebsten, wenn alles ohne ihr Beitun reibungslos funktionieren würde. Ein Chef drückte es so aus: «Wenn ich meine Erwartungen frei formulieren könnte, wünschte ich mir, sie würde gleich ticken wie ich.» – «Das hat natürlich eine Diskussion darüber ausgelöst, ob es nicht gerade gut ist, wenn die Assistentin anders tickt und den Chef dazu bringen kann, seine gewohnten Bahnen zu verlassen», so Küng.  

Nicht ohne das Kader

Wer das perfekte Gegenstück wolle, müsse auch etwas dafür tun. Das Zusammenspiel funktioniere in den seltensten Fällen von Tag 1 an reibungslos. «Es braucht positive Auseinandersetzung», so Küng. Denn die Assistentin kann nur zum Sparringpartner des Chefs werden, wenn sie weiss, wie er tickt – und umgekehrt. Und der Weg zu diesem Wissen führe nun einmal über persönlichen Austausch.  

Eine andere Erkenntnis war auch noch Teil des Nachmittags: Der Titel «Chef–Assistentin – Ein unschlagbares Team» passte am Ende des Tages für die Trainerin nur noch so halb. «Wenn der Chef und die Assistentin als reines Zweierteam zusammen eine abgeschottete Einheit bilden, ist das auch kein gutes Signal, denn es schliesst andere aus. In der Diskus-sion sind wir zum Schluss gekommen, dass die Kaderleute unbedingt mit einbezogen werden müssen. Denn sie sind eine wichtige Stütze und dürfen nicht aussen vor bleiben.» 

Liz Küng und ihre Firma consolving sind auf Beratungen, Coaching  und Weiterbildung in den Bereichen Office-Management, Assistenz, Sekretariat, Empfang und Administration spezialisiert. Interessierte an einem Workshop «Ein unschlagbares Team» können sich direkt unter 078 642 51 31 melden. consolving.ch 

 

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