Mitarbeitergespräch

Nicht nur ein Pflichttermin

Das Jahresendgespräch mit dem Chef ist für viele nicht unbedingt ein Highlight. Dabei ist es doch eigentlich die ultimative Gelegenheit, noch einmal richtig zu punkten – und unter Umständen eine Gehaltserhöhung herauszuholen. Wenn man es richtig anstellt. 

«Nach dem Spiel ist vor dem Spiel», sagte einst der deutsche Fussballtrainer Sepp Herberger und wird damit nicht nur in der Sportwelt gerne zitiert. Wie viel Wahrheit darin steckt, weiss jeder, der schon einmal eine Prüfung oder einen anderen grossen Termin hatte und erst am Abend vorher mit den Vorbereitungen dafür anfing. Das geht, irgendwie. Ist aber nicht gerade optimal. 

Das ganze Jahr nutzen

Das Mitarbeitergespräch am Jahresende ist so ein Termin, bei dem es um viel gehen kann. Sicher, man kann ihn auch einfach nur hinter sich bringen. Aber warum eine Chance vorbeiziehen lassen, wenn man sie auch nutzen kann? Und das tut man am besten mit guter – und vor allem frühzeitiger – Vorbereitung. «Man sollte damit schon direkt nach dem letzten Gespräch anfangen», erklärt Christina Welter, Assistenzcoach aus Zürich. Das bedeutet: das ganze Jahr über Stichpunkte notieren, wann immer sie einem einfallen. Das können Vermerke zu beruflichen Erfolgen und besonderen Leistungen sein, aber auch Ideen, wie man den Arbeitsablauf verbessern könnte. «Tue Gutes und rede darüber, das Mitarbeitergespräch ist der optimale Anlass dafür», betont die Expertin. Um geeignete Themen für das Mitarbeitergespräch einzugrenzen, empfiehlt Christina Welter, sich Folgendes vor Augen zu halten: «Es ist ein Gespräch zur Standortbestimmung, zur allgemeinen Strategie. Die grundsätzlichen Fragen, die es beantworten soll, sind: Wo kommen wir her, wo wollen wir hin, wo stehen wir im Moment?» Probleme im Team könnten zwar auch angesprochen werden: «Allerdings nicht im Detail. Das Gespräch ist nur für den Einzelnen gedacht. Wenn es Konflikte mit anderen gibt, sollte man dafür um einen separaten Termin
bitten.» 

Zur Grundausstattung für das Gespräch gehören natürlich Stift und Papier, um das Besprochene in Stichpunkten mitzuschreiben. «In grossen Unternehmen erhalten die Vorgesetzten meist Formulare, auf denen die Themen für das Mitarbeitergespräch stehen. Dieser Bogen wird von beiden unterschrieben – gegebenenfalls nach einer vorherigen Modifizierung – und in der Personalakte abgelegt.» Hat das eigene Unternehmen keine solchen Formulare, sollte man die eigenen Notizen ins Reine schreiben und sie dem Vorgesetzten kurz danach zum Unterschreiben vorlegen. In jedem Fall sollten sie wieder dabei sein, wenn es zum nächsten Mitarbeitergespräch geht. So kann man überprüfen, welche damals festgelegten Ziele erreicht worden sind.

Vorbereiten muss man sich aber auch mental – gerade, wenn man dazu neigt, an solchen Anlässen sehr aufgeregt zu sein. «Ein kleiner Adrenalinstoss ist gut, das steigert die Konzentration. Wenn man aber zu unkoordiniert auftritt, ist die Chance vorerst vertan.» Deshalb rät Christina Welter besonders nervösen Charakteren zu einer Generalprobe – sei es mit dem Partner, einer Freundin «oder meinetwegen auch mit der Katze». Zum Gespräch selbst sollte man auch nicht kurz vor knapp vom Schreibtisch weghechten, sondern sich Zeit nehmen, um sich einzustimmen. «Am besten, man geht davor noch einmal zehn Minuten an die frische Luft und atmet durch.»

Nicht rechtfertigen

Doch nicht nur die Mitarbeiterin sollte vorbereitet ins Gespräch gehen, fordert die Expertin. Auch vom Chef könne man durchaus etwas erwarten: «Das fängt schon damit an, dass der Termin für das Gespräch eingehalten wird. Und dass man währenddessen alle Störfaktoren ausschaltet wie Anrufe oder Besucher. Das gebührt der Respekt.» Dann sollte man erwarten können, dass sich der Vorgesetzte in der Zwischenzeit auch mit dem einzelnen Mitarbeiter auseinandergesetzt hat: «Dazu gehören Nachfragen im Team über den Stil und die Arbeitsweise. Auch das Feedback von Kunden fliesst ein.» Im Idealfall gibt der Vorgesetzte so genau wie möglich zu ver-stehen, was er möchte – ansonsten sollte die Assistentin aktiv nachfragen: «Was sind seine Erwartungen? Was habe ich gut gemacht, was kann ich besser machen? Je konkreter man erfährt, was er sich von der Zusammenarbeit erwartet, desto besser.» Man sollte signalisieren, dass man effizient entlasten möchte, damit sich der Chef auf das Tagesgeschäft konzentrieren kann.

Auch dann, wenn Kritik kommt. «Kritik ist immer ein Geschenk, aber nicht jeder kann es gut verpacken», formuliert es Christina Welter. «Trotzdem sollte man sich immer dafür bedanken und es annehmen.» Wenn es Unklarheiten gibt, zum Beispiel weil die Kritik zu pauschal ausgefallen ist, sollte man auf jeden Fall nachfragen und um konkrete Beispiele bitten. Dabei ist es ratsam, sich nicht in Rechtfertigungen zu begeben oder die Verantwortung auf andere zu schieben: «Das wirkt unprofessionell», warnt Christina Welter. 

Checkliste Mitarbeitergespräch

Mitbringen

  • Notizen vom letzten Gespräch
  • gesammelte Stichpunkte aus dem vergangenen Jahr
  • drei Hauptziele, die man sich für das Gespräch gesetzt hat
  • Unterlagen zum Mitschreiben

Darum geht’s

  • Wie ist mein Arbeitsstil? Was sagen Kollegen und ggf. Kunden über mich?
  • Bin ich zufrieden mit meiner Auslastung? Könnte es mehr oder weniger sein?
  • Ist der Vorgesetzte zufrieden mit meiner Leistung? Was könnte ich besser machen?
  • Welche Weiterbildungen habe ich absolviert / möchte ich im kommenden Jahr besuchen?
  • Durch welche besonderen Leistungen habe ich mich ausgezeichnet?
  • Bin ich mit meinem Arbeitsplatz und den Arbeitsabläufen zufrieden? Verbesserungsvorschläge?
  • Sind die Ziele, die beim letzten Gespräch anvisiert wurden, erreicht worden? 

Das bringt’s

  • sich vor dem Gespräch kurz Entspannung verschaffen, z. B. mit einem kleinen Spaziergang
  • bei grosser Aufregung vorher eine Generalprobe machen, z. B. mit dem Partner
  • offen sein für Kritik, auch für unerwartete
  • sachliches Feedback geben, bei Unklarheiten nachfragen
  • signalisieren, dass man den Chef / das Team bestmöglich unterstützen will

Das bringt’s nicht

  • sich von Kritik aus der Fassung bringen lassen
  • sich rechtfertigen, Schuld auf andere schieben
  • Probleme aus dem Team ausbreiten
  • gleichgültig erscheinen
  • drohen

Fühlt man sich falsch verstanden, kann das Gespräch unter Umständen zu emotional werden – auf beiden Seiten. «Das kann schon mal passieren, wir sind schliesslich alle Menschen.» Dennoch sei es wichtig, nicht den Faden zu verlieren. Wenn sich die Atmosphäre zu sehr aufheize, sagt die Beraterin, könne es sinnvoller sein, darum zu bitten, das Gespräch zu vertagen, damit sich alle Beteiligten wieder fangen können.  

Und dann wäre da noch die Frage, die eigentlich die interessanteste am ganzen Termin ist: Gibt es eine Gehaltserhöhung? Dafür sind zwei Ausgangspositionen möglich: Hat man überwiegend positives Feedback bekommen und das Gespräch neigt sich dem Ende zu, ist der ideale Zeitpunkt gekommen, um nachzuhaken: «Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie zufrieden mit meiner Leistung?» Wird das bejaht, stellt man die Frage nach einer Gehaltserhöhung, «und dann hört man sofort auf zu sprechen, nichts nachschieben, notfalls das Schweigen aushalten», rät Christina Welter für einen überzeugenden Auftritt.  

Die andere Möglichkeit ist aber, dass es mehr Kritik als Lob gibt – aber auch damit kann man arbeiten, betont die Expertin. «Bei eher schlechtem Feedback gilt es, vor allem positive Zukunftsaussichten in den Vordergrund zu stellen. Zu betonen, was man tun will, um sich zu verbessern.» Die Frage nach mehr Gehalt rückt dann natürlich auch erst einmal in die Zukunft. Aber wie heisst es so schön: «Nach dem Spiel …» 

Kommentieren 0 Kommentare
Log in to post a comment.

KOMMENTARE

ADD COMMENT