Gesundheit

Nie mehr hundemüde im Büro

Der Schlaf hat in unseren Breitengraden nicht den besten Ruf. Doch wer auf Dauer zu wenig oder zu schlecht schläft, büsst seine Leistungsfähigkeit ein. Ein Schlafforscher teilt interessante Forschungsergebnisse.

«Ich wäre mal abends gerne so müde wie morgens», denkt sich so mancher, wenn der Wecker klingelt. Jeder Mensch hat seinen persönlichen Schlafrhythmus, und nicht immer hat man auch ein Leben, das dazu passt. Dabei ist Schlafen für die Gesundheit mindestens genauso wichtig wie gesunde Ernährung und Bewegung. Studien beweisen: Wer zu wenig oder schlecht schläft, ist nicht nur weniger leistungsfähig, sondern ist auch öfter krank und lebt sogar kürzer. 

Im Arbeitsleben werden solche Erkenntnisse aber gerne ignoriert: Wer mit den Hühnern aufsteht, gilt als fleissig – auch wenn er gar keinen Bauernhof hat. Und jeder, dem trotz ausreichend anliegender Arbeit vor dem Bildschirm schon einmal die Augen zugefallen sind, hat sich bestimmt schon gefragt, was mit ihm nicht stimmt. Die Klinik für Schlafmedizin in Bad Zurzach berät neben einschlafgeplagten Einzelpersonen auch Firmen. Der Medizinische Leiter der Klinik, Christian Neumann, gibt Tipps und teilt Erkenntnisse aus der Schlafforschung, die nicht nur Langschläfer interessieren dürften.

Mittagsschlaf ist gesund

Nicht nur in Südeuropa ist Siesta am Mittag angesagt. Im amerikanischen Büro heisst das Mittagsschläfchen Power Nap, hart arbeitende Japaner ziehen sich zum Inemuri zurück. In Europa ist Schlafen am Arbeitsplatz verpönt. Man kennt und schmunzelt über kuriose Streitfälle vor dem Arbeitsgericht: Ein Arbeiter, der entlassen wurde, weil er sich regelmässig auf der Toilette zum Schlafen einschloss. Ein Beamter, der am Schreibtisch einschlief, dabei vom Stuhl fiel und dies von der Versicherung als Arbeitsunfall anerkannt haben wollte. Schlafforscher propagieren hier einhellig mehr Offenheit. Die Schlafklinik empfiehlt Firmen, die sie berät, Schlafräume für Mitarbeiter. «Ein Mittagsschlaf steigert die Leistung und kann sogar einem Herzinfarkt vorbeugen», sagt Neumann. Wichtig ist aber: Das Nickerchen darf nicht länger als 30 Minuten dauern. Danach fällt man in den Tiefschlaf – und fühlt sich beim Aufwachen wie gerädert.

Weniger als 7 Stunden Schlaf täglich sind nicht normal

Politiker und Manager geben gerne damit an, nur vier Stunden Schlaf zu benötigen. «Dann gibt es Verhandlungen bis tief in die Nacht, und ob dabei etwas Wünschenswertes herauskommt, ist Glückssache», meint Christian Neumann. Tatsächlich brauchen manche Menschen weniger Schlaf als andere. Die normale Bandbreite liegt für Schlafforscher bei sieben bis neun Stunden. «Wenn jemand bedeutend weniger oder mehr schläft, vermuten wir eine Erkrankung.

24 Stunden ohne Schlaf haben die gleiche Wirkung wie 1,0 Promille Blutalkohol

Nach einer Doppelschicht im Krankenhaus fährt ein Arzt in den USA mit dem Auto nach Hause – und baut prompt einen Unfall. «Die Versicherung zahlte den Schaden nicht, weil man übermüdet bekanntermassen nicht fahrtüchtig ist», berichtet Christian Neumann. Studien zeigten, dass die Konzentrations-fähigkeit bei der Arbeit nach acht Stunden signifikant nachlässt und die Fehlerquote ansteigt. In der EU dürfen Ärzte seit dem vergangenen Jahr höchstens noch 12 Stunden am Stück arbeiten.

Koffein wirkt nicht bei jedem.

Vor dem ersten Kaffee am Morgen sind viele Menschen gar nicht ansprechbar. «Die Wirkung von Koffein, auch schon nach einer Tasse, ist etwa 30 Minuten nach dem Trinken nachweisbar», erklärt Christian Neumann. Man ist wacher, konzentrierter, aufnahme-fähiger. Aber das trifft nicht auf jeden zu. «Manche Menschen sind genetisch bedingt gegen die Wirkung von Koffein resistent.» -Ihnen machen Kaffee und Cola selbst am Abend nichts aus. Allen anderen empfiehlt der Mediziner, möglichst schon nach dem Mittag keine koffeinhaltigen Getränke mehr zu trinken, um Einschlafschwierigkeiten zu vermeiden. Menschen, die im Büro sehr viel Kaffee trinken, litten dazu oft am Wochenende unter Koffeinentzug, der sich durch Kopfschmerzen und eben Schlafstörungen bemerkbar mache.

Den Jetlag kann man verkürzen.

Der Flieger aus den USA landet um 9 Uhr morgens am heimatlichen Flughafen – zwei Stunden später ist man daheim und will nur eins: schlafen. Wer diesem Impuls nachgibt, kann sich darauf einstellen, mindestens die erste Woche zu Hause die Tage wie ein Untoter zu verbringen, um dann mitten in der Nacht hellwach zu sein. Christian Neumann rät deshalb: «Schon einige Tage vor dem Abflug sollte man sich auf die Uhrzeit daheim einstellen. Wenn man geschäftlich unterwegs ist und es einrichten kann, zum Beispiel Termine auf den Abend verlegen.» Und wenn man zu Hause ankommt: vor die Tür gehen, spazieren, einkaufen – und dann zu seiner gewohnten Zeit ins Bett gehen. 

Alkohol trinken zum Einschlafen ist Gift.

Alkohol als Einschlafhilfe ist zwar wirksam, weil er entspannt. «Aber auch schon nach wenig Alkohol am Abend, zum Beispiel nach nur einem Glas Bier oder Wein, macht man im Schlaf einen Entzug durch», warnt Christian Neumann. Die Folge: «Man kommt zu keinem tiefen, erholsamen Schlaf, weil man öfter aufwacht.» 

Lernen im Schlaf ist keine Wunschvorstellung, sondern die Realität.

Schlafen sorgt dafür, dass wir die Dinge, die wir tagsüber gelernt haben, auch behalten. «Im Tiefschlaf manifestiert sich vor allem auswendig gelerntes Faktenwissen, im Traumschlaf sind es erlernte Bewegungsabläufe, wie zum Beispiel Radfahren», erklärt Christian Neumann. Wie wichtig der Schlaf als Bestandteil des Lernens ist, zeigt sich im Alter. «Je älter man wird, desto weniger tief schläft man. Das ist auch ein Grund dafür, warum sich ältere Menschen so schwer damit tun, Neues zu lernen.»

Schichtarbeit kann Krebs verursachen.

Wer permanent in Nachtschicht arbeitet, hat ein erhöhtes Krebsrisiko. «Bei Frauen ist besonders das Brustkrebsrisiko erhöht, bei Männern das für Prostatakrebs», berichtet Chris-tian Neumann. Aber auch Magen- und Darmkrebs träten vermehrt auf. Der Grund dafür: Wenn die innere Uhr permanent aus dem Takt ist, kommt auch der Körper durcheinander – und arbeitet gegen sich selbst. In Dänemark wird deshalb bei Schichtarbeiterinnen mittlerweile Brustkrebs als Arbeitserkrankung anerkannt.

Fernsehen und Schlafen passen nicht zusammen.

«Das Schlafzimmer ist zum Schlafen da und für sonst nichts – ausser vielleicht Sex», sagt Christian Neumann. Ein Fernseher hat zum Beispiel vor dem Bett nichts zu suchen. «Wenn man im Bett fernsieht, geht dem Bewusstsein der Zusammenhang verloren zwischen Ins- Bett-Gehen und Einschlafen.» Gegen abendliches Fernsehen im Wohnzimmer sei zwar nichts einzuwenden. Mindestens eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen sollte aber Schluss sein. Besonders schlecht: Auf der Couch vor dem Fernseher einschlafen. Wer dann wieder aufwacht und sich ins Bett schleppt, bekommt mit Sicherheit kein Auge mehr zu. 

Zu wenig Schlaf macht dick. 

Wer weniger schläft, hat einen höheren Energieverbrauch. Das steigert den Appetit – vor allem auf Fettiges und Kohlenhydratreiches. Das zeigte zuletzt eine Studie an der Universität von Colorado, die im März veröffentlicht wurde. Probanden, die nur fünf statt wie die Vergleichsgruppe neun Stunden schlafen durften, schlugen heftiger beim Essen zu und assen vor allem mehr zwischendurch. Die Folge: Die Unausgeschlafenen nahmen in fünf Tagen durchschnittlich 800 Gramm zu. Als sie in den Tagen darauf wieder ausschlafen durften, assen sie sogar weniger als vorher und nahmen wieder ab. Aber leider hat die Kraft des Schlafes auch hier ihre Grenzen, wie Forscher herausfanden: Wer nämlich zu lange schläft, also deutlich mehr als acht Stunden am Tag, nimmt mittelfristig auch zu. M

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