Nur Beamen ist schöner

Teure und umständlich zu installierende Hardware für Telefon- und Videokonferenzen wird langsam, aber sicher überflüssig. Die Tools der Konkurrenz funktionieren mit PC und Smartphone, sind einfach zu bedienen, bieten praktische Zusatzfunktionen – und sind noch dazu unschlagbar günstig. 

«Beam me up, Scotty!» Teleportieren, wie es in der Science-Fiction-Serie «Raumschiff Enterprise» üblich ist, liegt noch immer in ferner Zukunft. Videoanrufe, wie sie in der Serie von einem Raumschiff zum anderen durchgeführt wurden, gehören aber mittlerweile in den meisten Unternehmen zum absoluten Standard. Versammelte man sich vor einigen Jahren noch in einem Raum um ein graues Kästchen, um gemeinsame Projekte im Rahmen einer Telefonkonferenz zu besprechen oder Bewerbungsgespräche zu führen, sind viele Unternehmen inzwischen auf praktische Tools für Video- oder Webkonferenzen umgestiegen. Tendenz steigend. 

Dokumente gemeinsam bearbeiten

«Der Vorteil einer Videokonferenz ist, dass ich eine Vorstellung von meinem Gegenüber bekomme und beispielsweise in Bewerbungsgesprächen die Reaktion auf bestimmte Fragen beobachten kann», erklärt Irina Gorina, die als Executive- und Office-Managerin bei AMG (-Affiliated Managers Group) in Zürich arbeitet. In ihrem Unternehmen nutzt man allerdings für Meetings noch immer lieber das Telefon. «Das ist einfach stabiler, die Verbindung bricht nicht ständig ab, gerade wenn der Gesprächspartner unterwegs ist und sich mit seinem Handy einwählt. Auch die Handhabung ist viel unkomplizierter.»

Corinne Giannini, Assistant CEO bei der Tecan Trading AG in Männedorf, berichtet, dass in ihrem Unternehmen die Hälfte der Konferen-zen per Video-Call abgehalten wird. «Wenn es gut funktioniert, ist es natürlich komfortabel. Als unsere beiden Geschäftsführer in den USA arbeiteten, war es schon gut, wenn sie per Video in unsere Konferenzen eingeschaltet wurden. Weil man sie sehen konnte, war es fast so, als wären sie mit im Raum», erzählt Giannini. Ihr Arbeitgeber hat inzwischen das komplette System auf das Webkonferenz-Tool Lync umgestellt – auch unser Telefon-Interview führen wir über Lync.

Verbindungsstabilität noch immer ein Manko

Bei der Avaloq Evolution AG, einem international tätigen Bankensoftwarehersteller mit Sitz in Zürich, ist man ebenfalls vor drei Jahren auf das computerbasierte System Lync umgestiegen. «Besonders praktisch ist die Funktion des Screen-Sharings», sagt Münire Kiamiloglou, die bei Avaloq als Executive Assistant tätig ist. «Damit kann man den Bildschirm für die Kollegen freigeben, um gemeinsam an einem Dokument zu arbeiten oder auch auf Video zu switchen, je nach Bedarf.»

Die Zeiten der teuren Endgeräte und fest installierten Systeme für professionelle Telefon- und Videokonferenzen scheinen vorbei. Nach und nach erobern sehr viel günstigere Web-Anbieter den Markt, die auf PC oder Smartphone als Hardware setzen und sich gegenseitig mit immer besseren Angeboten übertrumpfen – auch was Funktionalität, Qualität und Verbindungsstabilität angeht. Gerade Letzteres ist noch immer ein Manko etwa bei bekannten Gratisanbietern wie Skype oder den sogenannten Hangouts von Google. Von den befragten Executive Assistants verliess sich zumindest beruflich niemand auf diese Dienste. Die meisten professionellen Tools sind in verschiedenen Varianten erhältlich und bieten auch einen günstigen oder gar kostenlosen Basis-Tarif für den Privatgebrauch und teurere professionelle Varianten für Unternehmen.  

Fünf Leute gleichzeitig sehen

Auf der Website des Microsoft-Produkts Lync heisst es: «Dabei sein, ohne hinfahren zu müssen.» Mit Lync kann man von überall aus in Konferenzen einloggen, auch mit dem Smartphone oder Tablet – was bei den meis-ten Anbietern möglich ist. Man benötigt lediglich die entsprechende App sowie eine stabile Internetverbindung. Zudem kann man sich auch mit seinen Skype-Kontakten verbinden und hat die Möglichkeit, bis zu fünf Besprechungsteilnehmer gleichzeitig zu sehen. Das ist praktisch, um zu sehen, wer gerade spricht. Die Oberfläche des Programms ist nutzerfreundlich, weil einfach gehalten. Um an einer Konferenz teilnehmen zu können, ist nur ein Klick nötig – egal auf welchem Endgerät.

Vergleichen lohnt sich immer 

Das Angebot des Online-Konferenztools Cisco WebEx beinhaltet uneingeschränkte Telefon- und Video-Meetings, kostenlose mobile Apps und Desktop-Sharing. Die kostenlose Variante ist auf drei Teilnehmer beschränkt und bietet im Gegensatz zu den Premium-Versionen begrenzte Funktionalitäten. Wer das Tool auch für grosse Veranstaltungen nutzen möchte, hat die Wahl zwischen der Premium-Version, die sich für bis zu 100 Teilnehmer eignet, und den Varianten Trainings- oder Event-Center, die für Veranstaltungen bis zu 3000 Teilnehmern ausgerichtet sind. Web-Ex-Konferenzen können über Outlook, iCal und Google-Kalender eingetragen und von dort aus auch direkt gestartet werden. Zudem gibt es die Funktion «jetzt treffen», mit der eine direkte Verbindung gestartet werden kann. Alle Premium-Varianten bieten High-Definition-Video, 1 GB Speicherplatz und 24-Stunden-Live-Support.

 

Die Oberfläche des Online-Tools GoToMeeting ist recht unübersichtlich und wirkt überladen, dafür gibt es aber hilfreiche Mouse-over-Effekte. Praktisch ist, dass man Meetings via Outlook oder Lotus Notes planen und auch direkt aus dem Terminkalender starten kann – Google Calendar oder iCal werden leider nicht unterstützt. Sonst bietet das Tool von der Chat-Funktion über die Audiokonferenz, die über VoIP oder Telefoneinwahl funktioniert, und die Videokonferenz in HD-Qualität bis zum Bildschirm-Sharing alle grundlegenden Funktionen. Für die Anwendung von GoToMeeting ist die Installa-tion eines Clients auf dem jeweiligen Rechner nötig, unterstützt werden die Betriebssysteme Windows und Mac und die mobilen Endgeräte mit iOS- und Android-Systemen.

Fazit: Die Online-Tools im Bereich Videokonferenzen sind in ihrer Funktionalität unschlagbar. Die Stabilität lässt bislang noch manchmal zu wünschen übrig – ein Problem, das mit steigendem Netzausbau behoben werden dürfte. Der Markt ist ebenso gross und vielfältig wie die Bedürfnisse der Nutzer. Bevor man sich also für ein bestimmtes Produkt entscheidet, sollte man die jeweiligen Funktionen vergleichen und abklären, was zu den individuellen Bedürfnissen passt. Die kostenlosen Testversionen machen’s möglich – vergleichen lohnt sich!

Übrigens, bei «Beam me up, Scotty!» handelt es sich gar nicht um ein Zitat. Der Satz wurde in der Serie so nie gesprochen. Dass er sich dennoch irgendwie ins allgemeine Bewusstsein geschlichen hat, spricht für die verbreitete Sehnsucht, sich doch irgendwann einmal von Ort zu Ort beamen zu lassen. Bis dahin müssen wir uns wohl mit WebEx, Lync und Co. begnügen. 

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Senta Best ist freie Journalistin.

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