Sinnfindung und Co.

Die seelische Resilienz im Assistenzalltag stärken

Der Begriff «Resilienz» ist heute in aller Munde, doch wofür kann Resilienzförderung konkret für Sie von Bedeutung sein? Gastautorin Christina Comnick erklärt, was «seelisch sinnvoll gesund» bedeutet.

Das Wort «Sinn» klingt oft gross und fern und es gibt Momente, in denen Sinnfragen regelrecht Respekt einflössen oder verunsichern können. Doch Hand aufs Herz: Wenn der Stress im Assistenzalltag ohnehin gross ist, braucht es nicht noch weitere Unsicherheit, sondern vielmehr ein Stück Orientierung, innere Ruhe und Freude daran, die persönlichen Sinnquellen wieder zu entdecken. Und das Schöne ist: Sinn muss nicht immer gross und schwer sein; er darf auch leicht gehen! Denn Sinnerleben zeigt sich oft leise: In den kleinen Momenten des Alltags, die uns berühren, motivieren und daran erinnern, was uns wirklich wichtig ist.

Sinn als Schutzfaktor der seelischen Resilienz 

Resilienz ist kein fester Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, der sich im Wechselspiel von Anspannung und Entspannung, Adaptation und Regulation, vollzieht. Während individuelle Resilienz die persönlichen Umgangsstrategien und Selbstregulation umfasst, geht es bei der Team- und organisationalen Resilienz um die Anpassung an Veränderungen, Strukturen und Prozesse, die zu einer krisensicheren Kultur beitragen. 

In der persönlichen Resilienzförderung geht es vor allem darum: 

  1. sich der Risikofaktoren bewusst zu sein, die aktuell belasten, Stress auslösen, Energie rauben
  2. die Schutzfaktoren gezielt zu stärken, die neue Energie schenken und zur Aufrechterhaltung der Gesundheit beitragen

Wenn Sie einmal auf vergangene, herausfordernde Zeiten schauen: Wie haben Sie es eigentlich geschafft, diese zu bewältigen? Und wie gehen Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen aktuell mit Stressoren oder Veränderungen um? Was hält Sie zusammen und gibt Ihnen Kraft? 

Allgemein werden hier Faktoren genannt, wie transparente Kommunikation, Entspannungstechniken oder gemeinsame Ziele. 

In der seelischen Resilienz (Seelienz® nach Comnick/Mauritz 2022) gehen wir noch ein Stück weiter: Seelische Resilienz steht für die Fähigkeit, in Krisen loszulassen und zu vertrauen. Um dieses Vertrauen zu stärken, helfen Faktoren, die uns auf tiefere Weise in Kontakt mit unserer Seele bringen und durch Krisen tragen. Dazu zählen zum Beispiel: Verbundenheit, Vertrauen, Intuition, Spiritualität, Visionsarbeit, und vor allem: Sinnerleben.

Sinn als Kraftquelle und «Gesundheitsbooster»

Interessanterweise wird bei der Frage nach dem Sinn eher selten etwas wie «Gesundheit» genannt. Dabei zeigen Studien aus der internationalen Sinnforschung (nach Schnell 2020) deutlich: Sinnerleben stärkt das Immunsystem, reguliert Stress und fördert die Erholung. Sinn ist damit ein wahrer «Gesundheitsbooster» auf ganzheitlicher Ebene.

Gerade im Assistenzalltag mit Termindruck, ständiger Erreichbarkeit und hohen – inneren und äusseren – Erwartungshaltungen ist das Bewusstsein für die Aspekte, die wir als sinnvoll erachten, entscheidend, denn wer Dingen eine Bedeutung zuschreiben kann, bleibt motivierter und bewältigt Belastungen leichter.

Die entscheidende Frage ist: Was können wir tun, um Sinn greifbarer zu machen und, vielleicht sogar, Sinnkrisen vorzubeugen? Diese Übungen können helfen, mehr Bewusstsein für Ihre persönlichen Sinnquellen im Assistenzalltag zu entwickeln:

1. Sinn erspüren

Fragen Sie sich: Wer oder was hat mich heute oder in den letzten Tagen lächeln lassen? Vielleicht sogar tiefer meine Seele berührt?  

Oft sind es die kleinen, unscheinbaren Momente: die Tasse Kaffee am Morgen, die einen Augenblick des Aufatmens schenkt, ein wertschätzendes Wort oder der Austausch mit einer Kollegin.

Vielleicht taucht aber auch etwas Grösseres auf – eine Sehnsucht, die sich erfüllt hat, eine berufliche Weiterentwicklung oder der erfolgreiche Abschluss eines Projekts? 

Beobachten Sie, welcher Moment sich bei Ihnen zeigt, und spüren Sie, was er in Ihrem Körper auslöst: vielleicht eine Wärme im Bauchbereich, ein leichtes Lächeln oder eine angenehme Gänsehaut? Unser Körper ist wie ein Feedbacksystem: Er zeigt uns auf kluge Weise, was unserer Seele guttut.

2. Sinn erkennen

Fragen Sie sich nun: Welche Sinnquelle und welche Werte stecken hinter diesem Moment? Was wird sichtbar, wenn ich einmal näher hinschaue? Welche Werte erkennen Sie bei sich, die Ihnen wirklich wichtig sind?

Beim Beispiel des Austauschs mit der Kollegin könnte es etwa die Verbundenheit, Wertschätzung, Leichtigkeit oder der Humor im Arbeitsalltag sein. 

3. Sinn erleben

Die Expertinnen und Experten der Sinnforschung sind sich einig: Über Sinnquellen zu sprechen reicht nicht aus – Sinn will gelebt werden! Denn Sinn ist kein rein gedankliches Konstrukt, sondern eine zutiefst persönliche Erfahrung. Wenn Sie wissen, dass zum Beispiel Humor oder Gemeinschaft zentrale Sinnquellen für Sie sind, fragen Sie sich: Wie kann ich mehr davon in meinen Alltag integrieren? Und was kann ich heute konkret (als ersten Schritt) tun, um mein Sinnerleben für morgen zu stärken? 

Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Häufig machen gerade kleine Nuancen einen Unterschied: die Pause gemeinsam, statt allein, zu verbringen, kleine Erfolge nicht zu übergehen, sondern bewusst zu feiern oder Momente des gesunden Stolzes mit anderen zu teilen.

Wofür lohnt es sich, Sinn im Assistenzalltag zu entdecken? 

In Stress- oder Krisenzeiten werden «Warum»-Fragen oft besonders laut: «Warum ist das passiert?» oder «Warum immer ich?» Diese Fragen sind berechtigt, doch sie führen selten aus dem Stresserleben heraus, sondern blockieren häufig sogar Lösungswege.

Hilfreicher ist die Frage nach dem Wofür: Wofür tue ich, was ich tue? Wofür stehe ich morgen auf? Wofür bin ich dankbar? Dieser Perspektivwechsel lenkt die Aufmerksamkeit weg vom Druck hin zur Bedeutung. Gerade Assistenzkräfte sind oft diejenigen, die für andere mitdenken, auffangen und organisieren. Umso wichtiger ist es, selbst innezuhalten und sich zu fragen: Was tut heute meiner Seele gut?  

Sinn ist somit nichts Abstraktes, sondern etwas Erlebbares – besonders in Berufen, in denen man viel gibt. Er entsteht dort, wo wir Resonanz spüren, uns verbunden fühlen und merken: Mein Tun bewirkt etwas.
 

Buchtipp: Sinn – Über Leben in Krisen


Was kann uns in Krisen auffangen, schützen und das Vertrauen ins Leben (wieder) stärken? Wenn es darum geht, langfristig besser mit Stress und Belastungen umzugehen, kommen im Kontext der seelischen Resilienz die Faktoren Sinn, Intuition, Spiritualität und Vision ins Spiel. Dieses Workbook konzentriert sich auf den Faktor Sinn und darauf, ie wichtig Sinnerfüllung in unserem Leben ist.

Sinn: Über Leben in Krisen
Christina Comnick, Sebastian Mauritz
Vandenhoeck & Ruprecht
2025, 195 Seiten

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Christina Comnick (M.A. Diversity Management) ist Resilienz-Lehrtrainerin und Entwicklerin von Seelienz® – Seelische Resilienz. Sie leitet den Fachbereich in der Resilienz Akademie und begleitet als Trainerin und Coach bundesweit Einzelpersonen und Teams in den Bereichen Stressregulation, Krisenbewältigung und Sinnfindung.
christinacomnick.de 

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