Ist wirklich jeder fotogen?
Viele Menschen fühlen sich vor der Kamera unwohl. Doch woran liegt das? Wie lässt sich ein Shooting trotzdem entspannt meistern? Und warum ist, laut Buchautor und Fotograf Paul Königer, tatsächlich «jeder Mensch fotogen»? Ein Gespräch fern der Kamera.
Paul Königer in Aktion. (Foto: Brand Images)
Ein professionelles, authentisches und ansprechendes Businessporträt gehört heute zum Pflichtprogramm; ob für den Lebenslauf im Bewerbungsprozess oder den Auftritt auf den zahlreichen Social-Media-Plattformen. Doch der Weg zu diesem Bild ist für viele weniger ein Vergnügen als vielmehr eine Hürde.
Warum wir uns vor der Kamera so oft unwohl fühlen, dafür gibt es nach Einschätzung von Buchautor und Fotograf Paul Königer verschiedene Gründe. Beispielsweise die Mode, «die uns ein vollkommen verzerrtes Bild vorgaukelt», sagt der Porträtfotograf. Wer einen Blick auf die Altersstruktur in der Branche werfe, finde kaum ein Model jenseits der dreissig.
Hinzu komme die Werbung: «Dort begegnen uns ausschliesslich perfekt gestylte Menschen mit makellosen Zähnen und tadellosen Frisuren. Und wenn etwas nicht perfekt ist, wird es mit Photoshop glattgebügelt.»
Doch nicht nur Mode und Werbung verzerrten unser Selbstbild. Auch die sozialen Medien verstärkten die Illusion, erklärt Paul Königer: «Auf Instagram dominiert das inszenierte Bild des immer glücklichen, schönen und schlanken Menschen. Nichts daran ist natürlich, nichts daran echt.»
Als weiteren Punkt nennt er die künstliche Intelligenz. Heute lasse sich mit wenigen Klicks ein idealisiertes Bild von sich selbst generieren, oft so täuschend echt, dass es nicht mehr von einer Fotografie zu unterscheiden sei.
All diese Einflüsse addiert, führten zu einem gewaltigen Druck auf den Einzelnen. «Kein normaler Mensch kann diesen Angriffen standhalten.»
Frauen seien davon stärker betroffen als Männer, beobachtet Königer. «Männer definieren sich tendenziell noch immer eher über ihre Leistung, Frauen hingegen stärker über ihr Äusseres. Deshalb ist es für Frauen besonders schmerzhaft, ständig an solchen externen Idealen gemessen zu werden. Idealen, die mit unserem menschlichen Wesen nicht viel zu tun haben.»
Würde man diese konsequent beiseitelegen, so der Fotograf, liesse sich an jedem Menschen etwas Schönes und Sehenswertes entdecken. Seine Überzeugung, dass alle Menschen fotogen seien, gründet in dieser Haltung: «Im Kern ist der Mensch von sich aus schön.» Für ihn sei das letztlich nicht nur eine fotografische, sondern eine philosophische Frage.
Recht am eigenen Bild
Selfies, Instagram und die Dauerinszenierung haben uns teils unsensibel gemacht. Heute wird beinahe überall fotografiert und gefilmt, oft ungefragt. Für Paul Königer ist das eine klare Verletzung der Persönlichkeitsrechte, doch den meisten ist das gar nicht bewusst. Er selbst geht sehr achtsam damit um, und für ihn ist klar: «Wenn jemand Nein sagt, dann ist das sein gutes Recht und ist zu akzeptieren.»
In der Schweiz gilt: Wer fotografiert wird, entscheidet mit. Das Recht am eigenen Bild ist Teil des Persönlichkeitsschutzes nach Zivilgesetzbuch (Art. 28 ZGB). Es besagt, dass jede Person selbst bestimmen darf, ob und wie ein Bild von ihr aufgenommen, gespeichert oder veröffentlicht wird. Ohne Einwilligung ist das nur in Ausnahmefällen erlaubt, etwa bei Ereignissen von öffentlichem Interesse oder wenn die abgebildete Person blosses Beiwerk ist.
Wann das beste Bild entsteht
Jede Person ins beste Licht zu rücken, ist auch die Aufgabe der Autorin dieses Texts, wenn sie gemeinsam mit der Miss Moneypenny-Fotografin das Coverporträt umsetzt. Immer wieder hat sich dabei gezeigt: Die besten Bilder entstehen in jenen Momenten, in denen die Spannung abfällt. Dann, wenn die Person eigentlich keine Lust mehr hat oder die Situation plötzlich absurd und komisch wird.
Ganz ähnliche Beobachtungen machte Paul Königer. «Am Ende geht es darum, dass sich die Menschen wohlfühlen.» Deshalb beginne er ein Shooting selten sofort mit der Kamera. «Zuerst lerne ich meine Kundschaft kennen. Wir trinken einen Kaffee, reden über das Leben, ihre Leidenschaften. Erst danach geht es ins Studio.»
Dort werden gemeinsam Kleidung und Frisur abgestimmt, dann beginnt das Fotografieren. Fast immer sei die erste Reaktion dieselbe: Die Menschen sehen nur Makel. «Ein graues Haar, eine Falte, die Selbstkritik ist gnadenlos. Manchmal übertreibe ich sogar, zoome bis auf 400 Prozent heran und sage lachend: ‹Ja, da ist tatsächlich ein Pickelchen.›»
Geradezu absurd sei das Selbstbild der Models im Laufsteg-Business, die für viele als Idealbilder von Schönheit gelten. Gerade sie leben im ständigen Krieg mit dem eigenen Körper. Doch letztlich sei niemand frei von Selbstkritik.
Deshalb arbeite er so lange weiter, bis die Person mit einem Bild zufrieden ist. Und genau dann, wenn das Shooting eigentlich schon abgeschlossen scheint, kippt die Stimmung: «Die Menschen werden locker und genau in diesen ungezwungenen Momenten entstehen die besten Aufnahmen. Es ist fast wie im Fussball», sagt Paul Königer, «die Entscheidung fällt in der Nachspielzeit.»
Retusche, Filter, Photoshop und Co.
Wenn in der heutigen Zeit von Fotografie die Rede ist, kommt man am Thema Bildbearbeitung nicht vorbei. Wo die Grenze zwischen zulässiger Optimierung und verfälschender Manipulation verlaufe? Paul Königer sieht hier einen schmalen Grat. «Wir schminken uns, wir kämmen uns, wir ziehen uns ordentlich an. In gewisser Weise optimieren wir uns also schon vor dem Shooting. Daran ist nichts falsch, im Gegenteil.»
Kleinere Korrekturen hält er für legitim: «Wenn jemand übermüdet wirkt, kann man sanft nachhelfen.» Problematisch werde es für ihn erst, wenn übertrieben werde: «Wenn Augen plötzlich riesig wirken, zwanzig Kilogramm wegretuschiert werden oder der Teint strahlt wie ein Kernkraftwerk, dann ist die Grenze definitiv überschritten.» Letztlich gehe es um das Fingerspitzengefühl, das man braucht, um das Bild zu veredeln, ohne die Persönlichkeit zu verfälschen.
Ablichten, aber von wem?
Es kommt eher selten vor, dass Menschen ihre Porträts erneuern. Paul Königer empfiehlt jedoch, dies regelmässiger zu tun. Für die meisten reiche es, alle drei bis fünf Jahre neue Bilder machen zu lassen, schon weil sich Frisur, Brille oder Erscheinung verändern. «Wer jedoch beruflich stark präsent sein will, sollte in kürzeren Abständen für Aktualität sorgen, idealerweise alle ein bis zwei Jahre.»
Jedoch wichtiger als der reine Rhythmus sei die Wahl der richtigen Fotografin oder des richtigen Fotografen. Technische Qualität und Bildsprache liessen sich zwar leicht auf der betreffenden Website prüfen, doch entscheidend sei, wie die Zusammenarbeit funktioniere. «Fühle ich mich ernst genommen? Passt die persönliche Wellenlänge? Solche Fragen lassen sich oft schon in einem ersten Gespräch beantworten», ist Paul Königer überzeugt. Wer dabei spüre, dass sich jemand Zeit nehme, könne davon ausgehen, dass auch die Atmosphäre beim Shooting stimme.
«Und noch ein Tipp: Seriöse Fotografen stellen auf Wunsch gern den Kontakt zu früheren Kundinnen und Kunden her. Nichts ist überzeugender als eine echte Referenz.»
Buchtipp: Jeder Mensch ist fotogen!
Ein gutes Foto beginnt nicht mit der Kamera – sondern mit dem Menschen davor. Viele fühlen sich unsicher, wenn es um ihr eigenes Bild geht: Bin ich zu dies, bin ich zu das? Was, wenn ich unfotogen bin? Fotograf Paul Königer sagt: Schluss damit! Jeder Mensch ist fotogen – wenn man versteht, wie man sich vor der Kamera wohlfühlt und authentisch zeigt. Genau dabei hilft sein Buch «Jeder Mensch ist fotogen!», das sich als erster Ratgeber an die Menschen vor der Kamera und nicht hinter der Kamera richtet.
Jeder Mensch ist fotogen!
Paul Königer
Edition Sturmauge
200 Seiten, 2025