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Stress lass nach

Fast jeder hat ihn, doch keiner will ihn – den Stress. Stress fühlt sich nicht gut an und kann sogar der Gesundheit schaden. Aber was genau macht dieses Gefühl mit uns? Und sind wir ihm tatsächlich hilflos ausgeliefert?

Herzrasen, schwitzende Hände, flauer Magen – wer kennt nicht die Gefühle, die Stress in uns auslöst? Der Stress selbst stellt sich ein, wenn sich unser Körper auf Kampf oder Flucht vorbereitet: In prähistorischen Zeiten tat er das, um ein Mammut zu erlegen oder um dem Säbelzahntiger davonzuspurten. Stress ist also ein sehr alter und überlebensnotwendiger Mechanismus – ohne ihn wären wir damals verhungert oder gefressen worden.

Auch heute sind wir mit Situationen konfrontiert, in denen wir unter Druck performen müssen. Nur geht es in den Büros heutzutage (meist) nicht mehr um Leben und Tod. Unser Körper reagiert jedoch gleich wie vor Tausenden von Jahren – um unsere Sinne zu schärfen und uns zu Höchstleistungen anzuspornen, schüttet er die Stresshormone Adrenalin und Cortisol aus. Sobald die Situation vorbei ist, beruhigt sich unser System wieder. Während uns in solchen kurzen Phasen der Stress belebt – man spricht dann vom sogenannten Eustress, dem positiven Stress –, wird er zum Problem, wenn wir nicht mehr herunterfahren können und der Stress chronisch wird. Der Körper bleibt dann in ständiger Alarmbereitschaft. Diesen Zustand nennt man Distress, negativen Stress. Stresshormone werden nicht mehr abgebaut, was sich schädlich auf unsere Gesundheit auswirkt. Wir können nicht mehr schlafen, fühlen uns erschöpft und sind irgendwann ausgebrannt. Depressionen, Herzinfarkt oder Schlaganfall können dann zu den wirklich schlimmen Folgen von Stress werden.

Arbeitsbezogener Stress kostet Unternehmen
in der Schweiz 7,6 Mia. Franken jährlich.

Mehr Belastungen als Ressourcen

Stress ist aber nicht nur ein persönliches Problem, sondern betrifft die gesamte Wirtschaft. Gemäss Untersuchung der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz kostet arbeitsbezogener Stress Schweizer Unternehmen rund 7,6 Milliarden Franken im Jahr. Die Stiftung erhebt regelmässig Kennzahlen bei den Schweizer Erwerbstätigen in Bezug auf die Befindlichkeit am Arbeitsplatz. Die Resultate der letzten Umfrage stimmen nachdenklich: Der Stress nimmt seit Jahren zu. Dafür verantwortlich gemacht wird vor allem die Digitalisierung – sie sei der Grund, warum Arbeitstempo und Arbeitsintensität zunähmen und viele Menschen überfordert seien. So berichtet beinahe ein Drittel der Erwerbstätigen von emotionaler Erschöpfung, und genauso viele Menschen haben mehr Belastungen als Ressourcen, die den Umgang mit den Anforderungen am Arbeitsplatz erleichtern würden. Ein Ungleichgewicht, das sich laut Gesundheitsförderung Schweiz seit vielen Jahren langsam, aber stetig verstärkt.

 

Unter Belastungen versteht man dabei:

  • Zeitdruck
  • Qualitative Überforderung
  • Unklarheit bezüglich Arbeitsaufgaben
  • Arbeitsorganisatorische Probleme
  • Soziale Belastungen durch Vorgesetzte sowie Arbeitskolleginnen und -kollegen

 

Während als Ressourcen die folgenden Faktoren gelten:

  • Handlungsspielraum
  • Ganzheitlichkeit der Aufgaben
  • Unterstützendes Vorgesetztenverhalten
  • Allgemeine Wertschätzung

Mitarbeitende und Unternehmen stehen also vor grossen Herausforderungen. Trotzdem, es gibt auch gute Nachrichten: Man hat Möglichkeiten, dem Stress entgegenzuwirken. Arbeitgeber können etwa die Ressourcen im Betrieb identifizieren und stärken. Auch Versicherer haben das Problem erkannt, zumal sie die Kosten mitzutragen haben, wenn Stress Arbeitnehmende krank macht – daher bietet die SUVA Präventionsworkshops an. Dort sollen die Teilnehmenden lernen, die eigenen Reaktionen in Stressphasen wahrzunehmen und sie realistisch zu beurteilen. Auch praktische Tipps bekommt man von der SUVA, um mit Spannungen und Belastungen besser umgehen zu können.

Eigene Resilienz stärken

Man kann aber auch selbst an der Resilienz arbeiten, also der eigenen Widerstandsfähigkeit, um die Belastungen im Alltag besser managen zu können. Resilienztrainerin Christina Weigl schwört dabei auf die sogenannte HeartMath®-Methode, die sie auch in ihren Coachings einsetzt. Sie sagt: «In Stresssituationen ist Emotions- und Impulskontrolle matchentscheidend.» Denn: Wenn wir in eine stressige Situation geraten, wird unser System mit Emotionen geflutet. «Sind wir jedoch in der Lage, diese Gefühle zu steuern, dann sind wir produktiver.» Die Resilienzexpertin gibt ein Beispiel: «Angenommen, der Chef pflaumt uns morgens um neun wegen eines Fehlers in der Präsentation an. Wenn wir unsere Gefühle von Ärger oder Wut nicht regulieren, kann es passieren, dass unser Stresshormon-Pegel noch am Abend hoch ist, wenn wir schon längst zu Hause auf dem Sofa sitzen.» Was bedeutet, dass wir auch während des Tages nicht konzentriert arbeiten konnten, weil wir ständig den Ärger mit dem Chef im Hinterkopf hatten. Hätten wir das Gefühl jedoch schneller beiseitelegen können oder die Kritik des Chefs gar nicht als Angriff wahrgenommen, wäre unser Tag produktiver verlaufen. Gezielte Übungen können helfen, den Stress schneller abzubauen und anschliessend besser mit Druck und Hektik umzugehen. So empfiehlt Christina Weigl die folgenden Übungen aus der HeartMath®-Methode:

1. Herzfokussiertes Atmen: Dabei atmet man tiefer und langsamer als normalerweise, während man sich vorstellt, durch das Herz ein- und durch den Bauch auszuatmen. Dafür sollte man sich mehrmals am Tag 1 bis 2 Minuten Zeit nehmen.

2. Quick-Coherence-Technik: Auch hier geht es um die Atmung durch Herz und Bauch. Zusätzlich denkt man an etwas, wofür man dankbar ist oder Mitgefühl empfindet. Die Empfehlung lautet auch hier ein paar Minuten mehrmals täglich.

Belohnt wird man mit mehr Konzentration, Souveränität, Klarheit, Fokus und Präsenz, sagt Christina Weigl. Durch die Übungen werden die Resilienz und das Immunsystem gestärkt und: «Das Stresshormon Cortisol wird abgebaut», sagt der Coach.

Wenn Sie jedoch nach einem anderen Weg suchen, Stresshormone abzubauen: Das geht auch mit Sport. So können Sie eine Runde um den Block rennen – und sich dabei vorstellen, dass Sie gerade dem Säbelzahntiger entwischt sind.

Mit Teamwork gegen Stress

Geteilte Arbeit, weniger Stress: Madlen Fischer und Andrea Schraner arbeiten als Assistentinnen im Jobsharing bei Axpo.

 Geteilte Arbeit, weniger Stress: Madlen Fischer und Andrea Schraner arbeiten als Assistentinnen im Jobsharing bei Axpo.Andrea Schraner ist seit zehn Jahren Assistentin bei Axpo. Vor drei Jahren hat sie zudem Aufgaben im Projektmanagement beim Stromkonzern übernommen.
Heute arbeitet sie in verschiedenen Projekten und unterstützt die Digitalisierung bei Axpo Grid. Auch sie sagt: «Die Digitalisierung kann stressen.»

Manchmal sei es schon viel: «Auch bei uns hat es eine Menge Tools und dann funktioniert auch noch jedes anders – klar, dass es den Leuten zum Teil schwerfällt, allem nachzukommen. Ausserdem ist man ständig über unterschiedliche Kanäle wie E-Mail, Microsoft Teams oder Handy erreichbar.» Trotzdem – gestresst fühlt sich Andrea Schraner deswegen nicht. Sie arbeitet nämlich im Jobsharing, und zwar mit der gleichen Kollegin, die sie damals vor zehn Jahren bei der Axpo als Tandem-Gspänli kennengelernt hatte. «Bei der Bewerbung dachte ich: Wenn mir die Person zusagt, mit der ich mir den Job teile, dann nehme ich die Stelle.» Es stellte sich heraus, dass die beiden Assistentinnen arbeitstechnisch völlig unterschiedlich funktionierten – aber zwischenmenschlich matchten. Ein grosses Glück, denn: «Madlen und ich ergänzen uns perfekt», sagt Andrea Schraner. Während sie die Kommunikative sei und gerne vor Leuten rede, sei Madlen Fischer in den Details stark. Selbst wenn Andrea heute Projekte managt, unterstützen Madlen und sie sich noch immer gegenseitig – und nehmen einander den Druck von den Schultern. Hier sind ihre drei Ratschläge für stressfreie Arbeit.

 

1. Stärken im Team nutzen: «Jede von uns hat andere Stärken», sagt Andrea Schraner. «Was mir schwerfällt, kann Madlen gut und umgekehrt.» Wofür sie einen Haufen Zeit und Energie brauche, könne Madlen nur so aus dem Ärmel schütteln. «Wir wissen voneinander genau, wer was besser kann.» Und sie sind sich nicht zu schade, die jeweils andere um Hilfe zu bitten. Das entlastet und lässt Stress erst gar nicht entstehen. Auch für den Chef biete das Vorteile: «Es ist egal, wem er einen Task zuspielt – wir schauen, dass die geeignetere von uns ihn erledigt.» Mit dem Resultat, dass die Aufgabe optimal gelöst ist.

 

2. Wissen teilen: Viele Leute trauen sich oft nicht zu fragen, hat Andrea Schraner die Erfahrung gemacht. «Aber wenn ich einen viel einfacheren Weg kenne, eine Aufgabe zu erledigen, gebe ich diesen immer weiter.» Sie selbst frage schliesslich auch. Oder schaue sich die Tutorials in Microsoft Teams an. Knowledge-Sharing im Team, aber auch im gesamten Konzern, spare Zeit und Energie und man entlaste sich so gegenseitig, ist Andrea Schraner überzeugt. Daher: Sharing is caring.

 

3. Kein Fingerpointing: «Wenn Madlen oder ich einen Fehler gemacht haben, lassen wir gegen aussen niemanden merken, wer von uns beiden es war», sagt Andrea Schraner und weist damit auf etwas Wichtiges hin – nämlich die psychologische Sicherheit im Team. Denn man kann nur stressfrei und produktiv arbeiten, wenn man weiss, dass der oder die andere hinter einem steht. «Wir machen uns gegenseitig auf die Fehler aufmerksam und das war’s. Nie würden wir mit dem Finger auf die andere zeigen.» Denn zwischenmenschlicher Stress ist besonders belastend. Wenn man ihn vermeiden kann, gewinnen alle.

 

Fazit: Stärken nutzen, Wissen teilen und sich gegenseitig den Rücken stärken – und schon hat man dem Stress ein Schnippchen geschlagen. Eigentlich ganz einfach, oder? 

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Jelena Martinelli ist selbstständige Texterin bei martinellitext. Sie schreibt leidenschaftlich gerne Blogs und Publireportagen und auch sonst alles, was mit Online-Marketing zu tun hat.

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