Portrait

Stricken ist ihre Masche

Belinda Walker ist gerne unterwegs, interessiert sich für Architektur und liebt Sport. Ihr grösstes Hobby aber sind Wollknäuel und Nadeln. Sie strickt keine «Meierisli-Mode», wie sie es ausdrückt, sondern eher im Chanel-Stil. Die CEO-Assistentin der Cembra Money Bank kann darum ohne Bedenken in ihren «Lismern« zur Arbeit.

Bevor Belinda Walker morgens in ihren Sportwagen steigt, packt sie ihren Blackberry, ein bisschen Make-up und ihren Badge in die Handtasche, streicht Kater Dior über den Kopf und greift zu ihrem Strickzeug. Ohne Wollknäuel und Nadeln verlässt sie das Haus nie. Egal, wie voll ihre Agenda aussieht. «Es gibt immer eine Gelegenheit zwischendurch, um zu stricken», sagt sie. Unvorhergesehene freie Zeit und keine «Lismete» zur Hand – das sind keine guten Momente für Belinda Walker. Sie strickt im Zug, als Beifahrerin im Auto, bei Freundinnen und manchmal in der Mittagspause. Und falls es tatsächlich einmal passiert, dass der Tag keine einzige Masche zulässt, setzt sie sich abends auf das rote Sofa mitten in ihrem Wohnzimmer und klimpert sich mit den Nadeln den Stress von der Seele.

«Beim Stricken kann ich meinen Gedanken nachhängen. Es bedeutet für mich totale Entspannung», erzählt sie. Sie trägt eine beige, offene Strickjacke mit weitem Schnitt und kurzen Ärmeln. Schön verziert mit Borten und Zopfmustern. «Mein Werk vom letzten Winter.» Sieht kompliziert aus. «Ist es nicht!», meint sie und winkt ab. Kompliziert sei der irische Pulli gewesen. Sie kommt zurück in die Stube mit einem wunderschönen Stück in gebrochenem Weiss. Zopfmuster wechseln sich ab mit geraden Passagen, Rhomben und kleinen Knötchen. Sie hat das Muster selber entworfen. «Da konnte ich nicht fernsehen dazu. Ich musste mich sehr konzentrieren.» Normalerweise läuft ihr das Stricken fast automatisch von der Hand.

Belinda Walker hat immer schon gestrickt, wie auch die anderen Frauen in ihrer Familie. «Mein Bruder und ich mussten als Kind noch wollige Unterhosen tragen. Schrecklich! So Meierisli-mässig stricke ich natürlich nicht», erzählt die 42-Jährige und lacht. Sie macht Pullis und Schals, Mützen und Socken. «Wollsocken sind im Winter ein Traum!» Pro Saison entsteht mindestens ein grösseres Stück. Immer aus Wolle der besten Qualität, am liebsten aus der Schweiz. Und fast immer in Schwarz, Weiss- oder Beigetönen. «Ich bin der klassische Typ. Mit Farben habe ich es nicht so.» Das nächste grosse Projekt ist eine Strickjacke im Chanel-Stil, so richtig mit Taschen, Futter und Schulterpolstern.

Auch die schwarze Stoffhose, die Belinda Walker trägt, ist selbstgemacht. Massgeschneidert auf die langen Beine. «Für Näharbeiten brauche ich aber die Hilfe meiner Freundin», sagt sie bescheiden.

Ausser Dienst

Dafür habe ich einmal viel Mut gebraucht: Meine Reise in die USA mit 21 Jahren. Nur mit einem Visum und einem Koffer, ohne zu wissen, was auf mich zukommt. Dieses Ritual ist mir wichtig: Mein Morgenkaffee
Das möchte ich gerne lernen: Chinesisch
Das hat mich geprägt: Mein Autounfall 1996, bei dem ich ein schweres Schleudertrauma erlitt und mein Gedächtnis wieder aufbauen musste. Ich hatte vier Jahre lang sehr starke Schmerzen und musste mich zurück in den Alltag kämpfen.
Das bringt mich zum Staunen: Dass den Menschen durch moderne Überwachungstechnologien immer mehr die Freiheit geraubt wird und wir uns nicht bewusst zu sein scheinen, wohin das führt: nämlich in die totale Überwachung.
Das macht mich wütend: Dummheit
Diese Person würde ich gern einmal kennenlernen: Angela Merkel. Sie schafft es mit Beharrlichkeit und Überzeugungskraft, auch in schwierigen Situationen zu guten Ergebnissen zu kommen.

Das Interesse an Mode und Qualität und die Freude an schönen Dingen hat Belinda Walker von ihren Eltern geerbt. «Meine Mutter ist Innenarchitektin und hat mich gelehrt, auf Details zu achten, mich für die Geschichten hinter Designs zu interessieren und gepflegt aufzutreten.» Auf dem Salontisch liegt ein riesiger Bildband über gotische Bauten. Vom Vater, einem Treuhänder, hat sie das Flair fürs Organisieren, Koordinieren und Übersicht Schaffen. Belinda Walker hat auch beruflich ein Talent dafür, viele Fäden in der Hand zu halten. «Darum bin ich Assistentin geworden.»

Das Chef-Geheimrezept

Seit vier Jahren arbeitet sie bei der Cembra Money Bank, der ehemaligen GE Money Bank, als CEO-Assistentin. Eigentlich hatte sie sich nach vielen Jahren bei der UBS geschworen, nie mehr bei einer Bank zu arbeiten. Nach der UBS war Belinda Walker darum einige Zeit bei der Firma ACS Solutions, die Managementlösungen für den öffentlichen Verkehr anbietet, tätig. Bis das Jobangebot von Cembra kam. «Die  Atmosphäre sowie der kollegiale und unterstützende Umgang haben mich schon beim ersten Gespräch begeistert», erinnert sie sich. «Die Leute sind sehr offen, spontan und freundlich und auch die internationale Atmosphäre hat mich angesprochen.» Rund 750 Personen aus mehr als 40 Nationen arbeiten für das Unternehmen in Zürich Altstetten. «49 Prozent davon sind Frauen», ergänzt die Assistentin. «Das ist eher atypisch für eine Bank. Zudem arbeiten bei uns auch viele Mütter.»

Für den 52-jährigen holländischen CEO des Unternehmens macht Belinda Walker das ganze administrative Management im Hintergrund. Sie hat eine absolute Vertrauensposition, wie sie sagt. «Es macht mir grossen Spass, zu organisieren, zu planen und Anlaufstelle für die verschiedensten Personen zu sein. Ich lerne sehr viel in meiner Position und muss immer flexibel sein. Das hält fit.» Auch für ihren Chef hat sie nur gute Worte übrig. Er sei ausgeglichen, vertrauensvoll und witzig. Vor allem letztere Eigenschaft findet die Assistentin wichtig. «Ich bin selber ein offener Mensch und meine nicht immer alles bitterernst.»

Dass das nicht überall richtig verstanden wird, hat sie selber schon erlebt. Einen Chef zu finden, mit dem es harmoniere, sei gar nicht so einfach. Ein Geheimrezept gibt es laut der Assistentin nicht. «Für ein gutes Arbeitsverhältnis zwischen Chef und Assistenz muss vor allem die Chemie stimmen. Wie in einer Partnerschaft gibt es Höhen und Tiefen in der Beziehung. Wichtig ist, dass der Umgang offen ist und man reden kann. Mein Chef hat immer Zeit, wenn ich mit ihm reden möchte. Das schätze ich sehr.» Allgemein herrscht bei der Cembra Money Bank eine Kultur der offenen Türen. Man spüre den amerikanischen Einfluss des General-Electric-Konzerns, zu dem die Bank bis 2013 gehörte, beschreibt Belinda Walker die positive Atmosphäre. Die amerikanische Kultur ist ihr vertraut. Mit 21 Jahren reiste sie für ein Jahr in die USA, um zu arbeiten, musste aber schnell feststellen, dass die so offenen Amerikaner gar nicht in allen Belangen gleich tolerant sind. Schon damals hat Belinda Walker gerne geraucht und fand erst einen Job als Au-pair, nachdem sie ihr Laster verschwieg. «Bis es meine Gastmutter bemerkte, hatten mich die Kinder zum Glück schon zu sehr ins Herz geschlossen, als dass sie mich wieder hätte auf die Strasse stellen können», erzählt sie lachend.

Schönheit suchen und finden

Später lebte die Schweizerin zusammen mit ihrem Ex-Mann vier Jahre in Chicago. Das Paar kam zwei Wochen vor dem 11. September in den Staaten an. «Der Start war sehr schwierig. Nach 9/11 war das ganze Land verunsichert. Ich hatte auch Angst zu fliegen und fühlte mich nicht wohl. Zudem erschien mir Chicago viel zu grau und zu gross.» Doch Belinda Walker, die übrigens, anders als der Namen vermuten lassen könnte, keine angelsächsischen Wurzeln hat, wäre ihrem Charakter nicht treu geblieben, wenn sie sich nicht bemüht hätte, einen Zugang zur Stadt zu finden. «Angespornt von der Faszination für Architektur, machte ich mich mit Lehrbüchern und dem Velo auf den Weg, die Stadt mit anderen Augen zu sehen.» Und tatsächlich, nachdem sie die Architektur- und Designstile studiert hatte, entdeckte sie die Schönheit in den grauen Hochhäusern.

Trotzdem, für immer könnte sie nie in den Staaten leben. «Da ist immer alles nur riesig. Mir fehlte das Einfache, Heimelige wie ein Speckplättli in einer urchigen Berghütte.» Belinda Walker bezeichnet sich als Landmensch und fühlt sich mit der Schweiz sehr verbunden. «Mit meinem jetzigen Partner reise ich oft und gerne in der Schweiz. Wir fahren häufig in die Berge und lieben Ascona.» Im Sommer wandern die beiden, im Winter fahren sie Ski. Belinda Walker spielt seit Jahren Tennis, für ihren Partner lernt sie Curling, er für sie Golf.

Dass sie all das machen kann, ist für die 42-Jährige nicht selbstverständlich. Mit 23 war sie als Beifahrerin in einen schweren  Autounfall verwickelt, aus dem sie sich ein Schleudertrauma und eine Verletzung der linken Hirnhälfte zuzog. «Es war sehr hart, da wieder rauszukommen», sagt sie. Geholfen haben ihr vor allem ihr Wille, ihr starker Glaube an das Gute und die Vermeidung sämtlicher negativer Gedanken. «Man lernt, dass Gesundheit alles bedeutet», sagt sie rückblickend. Bis heute hat sie Tinnitus und Schmerzschübe. «Aber damit kann ich leben. Es hätte schlimmer kommen können.»

Zur Person

Belinda Walker ist in Altreu im Kanton Solothurn aufgewachsen. Heute lebt sie mit ihrem Partner in Hausen (AG). Nach dem KV arbeitete sie unter anderem bei Elektrolux. Ein schwerer Autounfall, der ihr vier Jahre lang sehr starke Schmerzen bereitete, verlangsamte der damals 23-Jährigen das berufliche Weiterkommen. Während zwei Jahren stockte die heute 42-Jährige ihr Pensum von zehn Prozent langsam wieder auf. Trotzdem absolvierte sie die Ausbildung zur eid. dipl. Direktionsassistentin und stieg später bei der UBS als Assistentin ein. Mit dem Management-Diplom wechselte sie als Marketing-Koordinatorin/MGR zu ACS Solutions, wo sie drei Jahre tätig war. Vor vier Jahren ist Belinda Walker bei der Cembra Money Bank, ehemals GE Money Bank, als CEO Assistentin eingestiegen.

 

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