Porträt

Turnaround im Lebenslauf

Jacqueline Alexandre durchlief in ihrem Berufsleben Stationen in ganz unterschiedlichen Branchen. Seit über drei Jahren arbeitet sie im Kunstmuseum Basel als Executive Assistant des Direktors.

Es ist einer dieser Tage, die seit Wochen nicht die Ausnahme, sondern landesweit die Regel sind. In einem beinahe verwaisten Bürostockwerk sind einzig die Executive Assistant und ihr Chef ­anwesend. Nach dem Motto: «Jemand muss die Stellung halten, auch wenn die Museumstore geschlossen bleiben.» Aber bedeutet die pandemiebedingte Schliessung des Kunstmuseums Basel automatisch auch weniger Arbeit? «Nein», lacht Jacqueline Alexandre. «Das denken viele, doch die Organisation kommender Ausstellungen geht weiter.» Schliesslich dauert es von der Idee über die Beschaffung der Werke bis hin zur Vernissage zwei bis drei Jahre, bis eine Ausstellung für das Publikum zugänglich ist.

Unabhängig von der Pandemie geht auch die Arbeit der Kunstkommission weiter. Die Kunstkommission ist ein Fachausschuss aus gewählten Mitgliedern, die im Wesentlichen über Ankäufe, Schenkungen und Vermächtnisse entscheidet und Leihgaben aus der Sammlung des Museums bewilligt. Seit letztem Herbst finden die Kommissionsitzungen aber virtuell statt. «Das klappt wunderbar. Einzig die Werkbesichtigungen vor Ort ersetzen die Online-Meetings nicht.» Zu wichtig ist es für die Einschätzung der Kommission, die Materialität und Technik im Detail betrachten zu können, weiss Alexandre, die inzwischen über drei Jahre für Dr. Josef Helfenstein arbeitet, den Direktor des Kunstmuseums Basel.

Persönlich

Das wollte ich als Kind werden

Tierärztin

Das hat mich geprägt

Mein deutsch-karibischer ­Hintergrund, meine Familie, meine Auslandsaufenthalte

Da muss ich lachen

Situationskomik

Darüber ärgere ich mich

Intoleranz, Unehrlichkeit, Rücksichtslosigkeit

Dafür habe ich einmal viel Mut gebraucht

An der Mongol Rally von England in die Mongolei in einem 90er-Jahre Fiat Panda mitfahren

Das möchte ich gerne lernen

Salsa tanzen

Diese Person würde ich gerne kennenlernen

Die Fotografin Rinko Kawauchi

Branchenwechsel

Ihre aktuelle Tätigkeit, ihr Chef, der ihr von Anfang an sympathisch war, und das Team sind mit ein Grund, weshalb Alexandre von London nach Basel zog. Als das Referendum für den Austritt Grossbritanniens aus der EU angenommen wurde, fand die Assistentin, dass es an der Zeit sei, sich nach einem neuen Lebensmittelpunkt umzusehen. Sie bewarb sich bei internationalen Organisationen und Kulturinstitutionen. Aus dem Kunstbereich flatterten aber viele Absagen in ihren Maileingang. «Für Leute, die nicht Kunstgeschichte studiert haben, ist es schwierig, in diesem Bereich Fuss zu fassen.» Dennoch klappte es. Ihr Mix an Erfahrungen, ihre Arbeit in ganz unterschiedlichen und internationalen Unternehmen und ihre Fremdsprachenkompetenz waren schliesslich für die Anstellung im Kunstmuseum Basel ausschlaggebend. Mittlerweile ist sie nicht nur die rechte, sondern auch die linke Hand des Direktors, wie er selbst gerne präzisiert.

Es ist ein Privileg, für einen ­Arbeitgeber wie das Kunstmuseum zu arbeiten.

Ihre Position bedeutet für die EA nicht nur, Sitzungen der Kunstkommission vor- und nachzubereiten. Jacqueline Alexandre arrangiert auch Treffen mit Donatoren: «Ich bewundere die Grosszügigkeit der Menschen, die ihre im Familienbesitz befindlichen Werke uns vermachen und für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.» Sie pflegt auch den Kontakt zu internationalen Museen und übernimmt ab und zu Recherchearbeiten. «Es ist ein Privileg, für einen ­Arbeitgeber wie das Kunstmuseum zu arbeiten. Viele in meinem Freundeskreis finden meine Arbeit spannend und freuen sich, wenn es wieder einmal ein ­Ticket zu einer Veranstaltung gibt», ­erzählt Alexandre.

Rhythmuswechsel

216 Mitarbeitende sind im Kunstmuseum tätig, davon arbeiten etwa 98 Personen im Besucherdienst als Aufsicht, an der Kasse oder führen durch die Ausstellungen. Für die 44-jährige Assistentin sind die Führungen das i-Tüpfchen ihres Jobs. «Bei Ausstellungseröffnung finden immer Mitarbeiterführungen statt. Dabei geben die Kuratorinnen und Kuratoren viel Hintergrundwissen preis», erklärt Alexandre. Wie viel Arbeit, Überlegungen und Recherche die Zusammenstellung einer Ausstellung umfasst, realisierte sie erst durch ihren Job im Museum. Ihre Einstellung zur Kunst hat sich in den vergangenen Jahren deshalb gewandelt. Alexandre, die sich schon lange für Kunst, insbesondere Kunstfotografie, interessiert, hat nun einen differenzierten Einblick in die Geschichte der Kunst und Kunstszene.

Die Arbeit in der Museumsbranche ist ein Turnaround im Lebenslauf von Jacqueline Alexandre. Doch genau der Wechsel, den sie brauchte. In London, wo sie über fünf Jahre lebte, arbeitete sie bei der Carlyle Group im Investor-Relations-Bereich und koordinierte Roadshows. Das sind Marketingreisen bei denen Gelder für Fonds akquiriert werden. Eine stressige Tätigkeit, bei der die Assistentin nicht nur viel organisierte und gelegentlich reiste, sondern auch immer auf ihrem Blackberry erreichbar sein musste. «Time is money war nicht bloss eine Floskel. Mein Chef lebte es täglich vor.» Traf ihr Vorgesetzter eine halbe Stunde früher am Flughafen ein, wollte er auch auf einen früheren Flug umgebucht werden, egal was es kostete, erinnert sich Alexandre. Während ihrer Zeit als Roadshow-Koordinatorin lernte sie nicht nur schnell, sondern auch genau zu arbeiten. Etwas, das ihr heute noch zugutekommt. Wenn auch der Rhythmus in Basel ein anderer ist als in London. «London ist eine pulsierende, aber auch stressige Stadt. Dieses Leben verbunden mit dem Job bei Carlyle war sehr anstrengend. Es kam vor, dass ich bis zwei Uhr nachts über meiner Arbeit sass.» Da seien das Leben und die Work-Life-Balance in Basel komplett anders. «Die überschaubare Grösse der Stadt, das gemächlichere Tempo und das mediterrane Flair in der wärmeren Jahreszeit sorgten dafür, dass ich mich sofort wohl gefühlt habe, als ich im Sommer 2017 nach Basel umzog», schwärmt die Assistentin mit karibischen Wurzeln.

Inspiration

Kunst ist nicht nur ein Bestandteil ihrer täglichen Arbeit, Kunst begleitet die Executive Assistant auch in ihrer Freizeit. Vor allem an den Wochenenden ist sie mit ihrer Kamera in der Natur unterwegs und fängt Landschaftsbilder ein, die sie auf ihrem Instagram Account «missjalexandre» postet. Bei ihrer Fotografie lässt sie sich gerne von der ­Schönheit des Alltäglichen oder auch dem Spiel von Licht und Schatten in Gemälden der alten Meister wie beispielsweise Rembrandt inspirieren. Apropos Rembrandt: Die aktuelle Ausstellung «Rembrandts Orient» musste kaum eröffnet coronabedingt wieder geschlossen werden. Der bekannte niederländische Kunstmaler hat seine Heimat ­vermutlich nie verlassen und sich dennoch von der westöstlichen Kultur inspirieren ­lassen. Wer sich von Rembrandts Schaffen ­inspirieren lassen möchte, muss weder ­Heimat noch Haus verlassen: Ein Besuch der Ausstellung über den alten Meister ist inzwischen auch virtuell möglich.

Jacqueline Alexandre

wuchs im deutschen Lörrach auf. Ihre Mutter ist Deutsche und ihr Vater stammt aus Martinique. Sie absolvierte das Humanistische Gymnasium und bildete sich danach zur mehrsprachigen Management-Assistentin aus. Ihre erste Anstellung mit Anfang 20 hatte sie als GL-Assistentin bei einem Logistikunternehmen in Basel. Dann machte sie einen Abstecher in die Reisebranche: Zuerst als Reiseleiterin in internationalen Destinationen, danach als Concierge eines Fünfsternhotels in Vevey. Zurück in Basel arbeitete sie als GL-Assistentin für das Speditionsunternehmen DHL und als administrative Assistentin der Media-Relations-Abteilung bei Syngenta. Der Liebe wegen zog es sie 2012 nach London. Dort koordinierte sie für die Carlyle Group Roadshows und war bei der Europäischen Entwicklungsbank Logistics und Event Officer. 2017 zog sie für ihren Wunschjob im Kunstmuseum Basel in die Schweiz. Jacqueline Alexandre hat einen Bachelor of Arts in Fotografie.

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