Psychologie

«Unglaubliche Einsamkeit»

Arbeitssucht ist im Topmanagement an der Tagesordnung. Dabei werden die Manager meist von zwei Frauen unterstützt: der Assistentin und der Ehefrau. Sie stehen oft in seinem Schatten. Monika Spiegel hat diese spannende Ménage-à-trois untersucht.

Frau Spiegel, Sie haben eine Dissertation über das Verhältnis zwischen Assistentin, Chef und Ehefrau geschrieben? Wie kamen Sie darauf? 
Ich hatte mich vorher in meiner Diplomarbeit mit Persönlichkeitsstrukturen von Führungskräften beschäftigt und habe so begonnen, mich auch für deren Umfeld zu interessieren. Sowohl die Ehefrau als auch die Assistentin unterstützen den Chef ja auf die eine oder andere Weise und bilden eine Art Ménage-à-trois.

Was genau haben Sie untersucht? 
Ich fand es spannend, was für eine Persönlichkeitsstruktur jemand mitbringt, um sein Leben an jemandem auszurichten, der sehr erfolgreich ist und immer im Mittelpunkt steht. Was sind das für Frauen, die es überhaupt erst ermöglichen, dass eine andere Person so erfolgreich sein kann? 

Wie haben Sie die Topmanager und ihre Frauen dazu gebracht, mit Ihnen zu reden? 
Das war unheimlich schwer. Besonders die Frauen waren misstrauisch und dachten, dass es schon wieder nur um den Chef ginge. 

Was war Ihre erstaunlichste Erkenntnis?
Die unglaubliche Einsamkeit. Die haben alle drei Parteien gemeinsam. Bei den Assistentinnen war noch auffällig, dass viele versuchen, im Berufsleben etwas zu kompensieren, das ihnen im Privaten fehlt. Ein Grossteil der Frauen, mit denen ich gesprochen habe, sind nicht verheiratet und kinderlos. Die opfern sich dann zum Teil regelrecht auf. 

Haben Sie ein Beispiel? 
Eine Assistentin kam trotz Bandscheibenvorfall noch zur Arbeit. Sie meinte: «Der tut zu Hause auch weh, da kann ich gleich ins Büro gehen.»

Zieht der Assistenzberuf Menschen mit einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur an? 
Ich denke schon. Fast immer haben Assistentinnen eine eher dienende Persönlichkeit. Oft handelt es sich um Menschen, die sich selbst nicht trauen, in der ersten Reihe zu stehen. 

Die Studie

Für ihre Doktorarbeit führte Monika Spiegel mehrstündige Interviews mit 31 Topmanagern grosser Konzerne in Deutschland und Österreich, deren Assistentinnen und Ehefrauen. Es ist die erste Untersuchung, die Persönlichkeitsstrukturen von Assistentinnen wissenschaftlich beleuchtet.

Was macht das Verhältnis zwischen Chef und Assistentin so speziell? 
Auf der Topebene steht eine Assistentin – und übrigens auch die Ehefrau – immer so halb mit in der Öffentlichkeit. Es dreht sich zwar letztlich fast nie um sie, aber sie geniessen es, quasi im Lichtschein der bekannten Persönlichkeit zu stehen, und erhöhen ihren Selbstwert durch die Tatsache, dass sie Assistentin einer bekannten oder angesehenen Person sind. Das bezeichnet man übrigens als Komplementärnarzissmus. Und der führt dazu, die andere Person zum Mittelpunkt des eigenen Lebens zu machen. 

Was wissen Sie über die Beziehung zwischen Ehefrau und Assistentin? 
Schwierig. Die beiden Frauen befinden sich in einer Art Konkurrenz. Oft ist die Ehefrau neidisch, weil die Assistentin meist viel mehr Zugriff auf den Mann hat und nicht selten mehr Zeit mit ihm verbringt. Und es kommt ja auch immer wieder vor, dass durch die extreme Nähe dann Gefühle entstehen. Das ist vielen Ehefrauen auch bewusst – auch wenn sich dieses Klischee in der Realität nicht so oft bewahrheitet. 

Viele Assistentinnen leiden Ihnen zufolge an Arbeitssucht. Ist das in Chefetagen an der Tagesordnung? 
Ich denke, wenn man erfolgreich sein will, gehört Workaholism dazu. Eine Assistentin unterstützt also überspitzt formuliert ein Suchtsystem und gibt sich in der Folge selbst oft für den Job auf. Zum Glück verändert sich dort gerade einiges. Immer weniger Frauen wollen sich derart für den Job opfern. Aber es gibt sicher immer noch genügend, die das Handy mit ans Bett nehmen, um auch wirklich rund um die Uhr erreichbar zu sein. 

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