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Unternehmenskultur als grösste Hürde

New Work und Co. – von Fehlinterpretationen, funktionierenden Konzepten und wie Assistenzen bei der Umsetzung von New Work unterstützen können. Ein Gespräch mit Jörg Staff, Keynote-Speaker des Zukunftsinstituts.

New Work ist Ihnen zu «schwammig», haben Sie auf «LinkedIn» geschrieben. Welche Fehlinterpretationen von New Work sehen Sie besonders häufig in Unternehmen?
Jörg Staff: Der Begriff wird in einigen Unternehmen zu oberflächlich oder einseitig interpretiert. Beispielsweise bieten viele populäre Einzelmassnahmen wie Hybrid- oder Homeoffice, flexible Arbeitszeiten oder oberflächlich attraktive Bürogestaltungen an. Aber das ist zu kurz gedacht, wenn die damit verbunden kulturellen und strukturellen Veränderungen vernachlässigt oder völlig ausser Acht gelassen werden. Solche «Schönheitsreparaturen» erzeugen keinen nachhaltigen Kulturwandel im Unternehmen; vor allem dann nicht, wenn die Menschen in den Unternehmen an diesem Veränderungsprozess nicht intensiv beteiligt werden. Ein ganzheitlicher Ansatz mit Kulturwandel, neuen Führungskonzepten und Mitarbeiterpartizipation ist entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung.

Was raten Sie Assistenzen, die ihre Unternehmen bei der Umsetzung von New Work unterstützen möchten?
Durch ihr Organisationswissen, ihre Kommunikations-, Vernetzungsfähigkeiten und Prozesskenntnisse können Assistenzen eine Vielzahl von wichtigen (Multiplikatoren-)Rollen bei Transformationsprozessen zum kulturellen Wandel einnehmen. Eine Möglichkeit ist zudem, dass sie sich fachlich an der Bearbeitung von neuen Konzepten beteiligen oder durch Schulungen die Akzeptanz und effektive Nutzung beispielsweise von digitalen Kollaborations- und Produktivitätstools (Microsoft Teams, Trello etc.) steigern. Auch können sich Assistenzen bei der Entwicklung von flexiblen Arbeitsmodellen oder mittels Teamarbeit von Transformationsinitiativen aktiv einbringen. Durch ihre Netzwerkkompetenz fördern sie ausserdem im Rahmen der Kommunikations- und Qualifizierungsaktivitäten den Austausch und die Vernetzung über die Abteilungsgrenzen hinweg im Unternehmen.

Inwiefern spiegelt sich die Akzeptanz von New Work in den unterschiedlichen Generationen wider?
Die Akzeptanz und die Erwartungen unterscheiden sich grundsätzlich zwischen den verschiedenen Generationen, wie auch bei Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen. Die Auswirkungen einer älter werdenden Gesellschaft sind nun greifbar, zum Beispiel durch den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und den ­Verlust von Erfahrungswissen. Wir sprechen hier bei der Studie des Zukunftsinstituts vom Trend «Generational Leadership». Für Unternehmen und Führungskräfte wird es daher immer wichtiger, verschiedene Generationen und ihre Anforderungen erfolgreich in Unternehmen zu integrieren. Um alle Generationen und typische Lebensphasen zu integrieren, braucht es massgeschneiderte Ansätze: beispielsweise flexible Modelle, Diversität und flache Hierarchien für die Jüngeren, Weiterbildung für Erfahrene, Anerkennung, Wertschätzung und klare Strukturen für die Älteren. Offene Kommunikation der Veränderungen und Einbindung aller Mitarbeitenden sind wichtige Schlüsselfaktoren.

Was können Technologien wie KI und Automatisierung dazu beitragen?
Grundsätzlich ist die Einstellung entscheidend, mit der man an die Einführung neuer Technologien herangeht. Wenn ausschliesslich Kostensenkung der Motivator ist, hat das zunächst nur wenig mit New Work tun. Anstatt den Menschen zu ersetzen, sollten KI-Systeme diesen besser unterstützen und ergänzen und Ermöglicher für neue menschenzentrierte Arbeitsformen sein. Office-Jobs haben durch Automatisierung und KI ein Potenzial von bis zu 30 Prozent Arbeitszeiteinsparung, das heisst, KI-Systeme übernehmen sich wiederholende Prozesse oder monotone Aufgaben und geben den Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich auf höherwertige Aufgaben zu fokussieren oder sich mehr Raum für kreative und sinnstiftende Arbeiten zu schaffen. Digitale Kollaborationstools, KI-gestützte Assistenzsysteme und Cloud Computing unterstützen zudem ortsunabhängiges und asynchrones Arbeiten. Das kann zur Work-Life-Balance und Produktivität beitragen.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Arbeit in zehn Jahren aus?
Die Arbeitswelt wird eine andere sein: Technologie und soziale Systeme verschmelzen und bilden die Definitionsgrundlage von Organisationen jeglicher Art. Die Menschen werden mit Technologien als Partner und nicht mehr nur als Werkzeuge zusammenarbeiten. Wir sprechen von der «technosozialen Arbeitswelt». Mindestens jeder zweite «Office-Job» wird wegfallen, neu entstanden oder anteilig neu definiert sein. Künstliche Intelligenz und Automatisierung werden immer mehr Aufgaben übernehmen, die bisher von Menschen ausgeführt wurden. Das führt zu einer Verschiebung der erforderlichen Fähigkeiten und Skills, sodass es zu einer grossen Veränderung der Berufswelt und Anforderungen kommen wird – insbesondere bei Büroangestellten (white-collar workers). Einige Jobs verschwinden, während andere entstehen. Es wird erwartet, dass die Mitarbeitenden sich viel intensiver kontinuierlich weiterbilden und anpassen, um mit diesen Veränderungen Schritt zu halten.

In fünf Schritten die Prinzipien von Future Work sinnvoll integrieren

  1. Lernen, verstehen, analysieren und reflektieren Sie die «Arbeitswelt 2030» vor dem Hintergrund der eigenen Unternehmensvision und -strategie. Identifizieren Sie die für Sie relevanten Trends und leiten Sie die künftigen Kompetenzanforderungen ab. Nutzen Sie dazu unabhängige Studien wie den WEF-Bericht «Future of Jobs Report 2023» oder die «13 Trends der Zukunft der Arbeit» vom Zukunftsinstitut und unabhängige Experteneinschätzungen.
  2. Gestalten Sie die Veränderungen hin zur neuen Arbeitswelt als Transformation, nicht als Projekt. Entwickeln Sie ein Themenuniversum mit dringenden Handlungsfeldern, priorisieren Sie und berücksichtigen Sie Abhängigkeiten zwischen den Themen. Zudem: Lassen Sie die Teams entscheiden und schaffen Sie für diese eine Lernumgebung, in der die Menschen neue Methoden und Vorgehen lernen. 
  3. Nehmen Sie Ihre Organisation und Ihre wichtigsten Stakeholder auf die Transformationsreise mit: Alles, was in den Teams erarbeitet wird, ist transparent für die gesamte Organisation. Idealerweise werden Rückmeldungen von den Teams ernst genommen und reflektiert. Begleiten Sie diesen Prozess mit einer Lernumgebung, die lebenslanges Lernen und eine Lernkultur fördert.
  4. Setzen Sie neue Technologien wie KI gezielt ein, um Routineaufgaben zu automatisieren und Mitarbeitende zu entlasten. Fokussieren Sie auf Mensch-Maschine-Kollaboration und setzen Sie schnell die ersten Ergebnisse um und feiern Sie Erfolge in der Organisation. Berichten und lernen Sie aus Misserfolgen.
  5. Besonders die Führungskräfte müssen hinter dem Veränderungsprozess stehen und brauchen eine besondere Aufmerksamkeit: Deshalb ist es wichtig, ihre Fähigkeiten in sogenannten «Future Skills» wie Coaching, ­Empathie, agilen Methoden und Kommunikation zu trainieren. Sie sollen den Prozess unterstützen und müssen lernen, dass nicht jede Entscheidung durch sie selbst getroffen wird. 

Jörg Staff

Jörg Staff ist Keynote-Speaker des Zukunftsinstituts, Vorstand der deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), Aufsichtsrat, Autor und Executive Advisor. Er ist seit über 20 Jahren in Top-Executive-Positionen tätig. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen zählt auch das aktuelle Buch «KI-Revolution der Arbeitswelt: Perspektiven für Management, Organisation und HR». bit.ly/KI_Revolution_Arbeitswelt

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