«Einfühlungsvermögen, Fingerspitzengefühl und Verständnis sind essenziell»
Carola Marolf ist heute Teil der erweiterten Geschäftsleitung bei der Berner Urologen AG – hat ihre Wurzeln jedoch in der Assistenz. Wie es kam, dass sie ihren Traumjob Chefarztsekretärin letztendlich doch gegen eine Führungsposition eintauschte, erzählt sie im Gespräch mit Miss Moneypenny.

Carola Marolf (Foto: zVg)
«Schon während meiner Lehre als kaufmännische Angestellte im Berner Inselspital war mir klar: Ich möchte in die Assistenz. Die vielseitige Tätigkeit der Chefarztsekretärin faszinierte mich. Um meinen Horizont zu erweitern und meine beruflichen Pläne zu verwirklichen, wechselte ich nach Abschluss der Ausbildung erst einmal den Betrieb. 2012 startete ich bei der Helsana Versicherungen AG als Kundenbetreuerin mit Berufsbildungsfunktion. Die Arbeit im Kundendienst bereitete mir viel Freude und war eine wertvolle Erfahrung. Zudem durfte ich bereits in jungen Jahren eine Teamleitung übernehmen und erste Führungserfahrung sammeln.
2013 verspürte ich den Wunsch, mich weiterzuentwickeln, und entdeckte zufällig die Stellenausschreibung als Assistentin der Chefärztin mit Leitung des Chefarztsekretariats in der Urologie am Inselspital. Ich dachte: «Jetzt probiere ich es.» Da Chefarztsekretärinnen in meiner Vorstellung meist ältere, erfahrene Frauen waren, rechnete ich mir wenig Chancen aus. Doch die damalige Chefärztin entschied sich für mich – und so wurde ich ihre Assistentin und übernahm die Leitung des Sekretariats.
Die Assistenz im medizinischen Fachbereich bedeutet für mich vor allem eins: den persönlichen Kontakt mit Patientinnen und Patienten. Menschen liegen mir am Herzen, und ich schätze es, einer sinnvollen, erfüllenden, wenn auch herausfordernden Tätigkeit nachzugehen. Ein verschobener Operationstermin ist für Betroffene weit mehr als eine Terminänderung: Er kann ihr Leben beeinflussen. In solchen Momenten sind Einfühlungsvermögen, Fingerspitzengefühl und Verständnis essenziell – sowohl für ungehaltene als auch für freudige Reaktionen.
Zugleich ist die Arbeit in diesem Umfeld dynamisch: Termine ändern sich, Notfälle kommen, Ärztinnen und Ärzte wechseln, und man muss sich laufend auf neue Menschen einstellen. Das macht den Job spannend, aber auch fordernd, und besonders die Fachterminologie und die komplexen Abläufe in der Medizin erfordern eine stetige Einarbeitung. Ein Wissen, das ich mir über die Jahre hinweg selbständig angeeignet habe. Denn nur, wer die Zusammenhänge versteht, kann eine Arbeit von höchster Qualität leisten.
2020 wechselte ich nach mehreren Jahren am Berner Inselspital als Assistentin des Chefarztes und Sekretariatsleitung ans Bürgerspital Solothurn in die Klinik für Notfall- und Allgemeine Innere Medizin. Mein Vorgesetzter dort erkannte meine Leidenschaft für den Beruf und mein Potenzial für mehr. Er bestärkte mich in meiner Arbeit und förderte mich, machte mir aber auch klar, dass Fleiss alleine mich nur bedingt auf meinem Karriereweg voranbringen würde. «In der Schweiz braucht es Zertifikate und Abschlüsse, um grössere Karriereschritte zu machen.»
Bis dahin zählte für mich vor allem die Praxis, nicht die Theorie. Doch ich erkannte, dass Weiterbildung entscheidend war, und absolvierte die Ausbildung zur diplomierten Betriebswirtschafterin NDS HF. Später folgte dann noch das CAS in Leadership an der Berner Fachhochschule mit dem Ziel eines EMBA-Abschlusses.
mich zu und fragten, ob ich als Assistentin in ihr Unternehmen wechseln wolle. Obwohl ich zuvor noch nie in einer Praxis gearbeitet hatte, reizte mich die Herausforderung, und ich sagte zu. Ein Jahr lang war ich in der Assistenz tätig, doch schnell wurde klar, dass meine Aufgaben weit über die klassische Assistenzrolle hinausgingen. Ich übernahm zunehmend Bereichsverantwortung, bis meine Vorgesetzten und ich gemeinsam feststellten: Meine Funktion entsprach nicht mehr meiner ursprünglichen Rolle.
Die Inhaber entschieden daraufhin, mich in die erweiterte Geschäftsleitung zu holen – ein steiler Karrieresprung. Die grösste Herausforderung war und ist für mich der Rollenwechsel. Nach so vielen Jahren als Assistentin war es ungewohnt, nicht mehr IN der Schaltzentrale zu sein, sondern EIN TEIL der Schaltzentrale.
Der grösste Unterschied liegt definitiv in der Verantwortung. Früher fühlte ich mich verantwortlich, heute bin ich es. Jede Entscheidung, die ich treffe, ist meine, und ich stehe für die Konsequenzen ein. Da ich jemand bin, der gern Entscheidungen trifft, fällt mir das allerdings nicht so schwer. Wichtig ist für mich einfach, dass ich hinter meinen Entscheidungen stehen und weiterhin in den Spiegel sehen kann.
Mein Blick auf die Rolle der Assistenz hat sich durch meinen Funktionswechsel nicht verändert. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass sie ein enorm wertvoller Beruf ist, besonders wenn sie echte Entlastung bietet. Und das nicht nur in den Aufgaben, die in der Stellenbeschreibung stehen.
Was sich jedoch verändert hat: Ich merke, dass ich selbst eine Assistenz bräuchte. Die Drehscheibe, die ich früher war, ist derzeit unbesetzt, und das macht sich bemerkbar. Glücklicherweise wird sich das zeitnah ändern. Als Führungskraft wünsche ich mir dabei vor allem eine Sparringspartnerin oder einen Sparringspartner – jemanden, der mich nicht nur unterstützt, sondern auch Verantwortung übernimmt.
Worauf ich stolz bin? Rückblickend auf meine Zeit als Assistenz und heute als Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung würde ich sagen: Ich habe meine Rolle immer gern ausgeführt, weil ich wusste, dass ich andere entlaste, die viel um die Ohren haben. Sowohl in der Assistenz als auch in der Führung habe ich stets das Positive stärker gewichtet als das Negative – das ist meine Art.
Heute bin ich besonders stolz darauf, dass wir das schnelle Wachstum des Unternehmens erfolgreich gemeistert haben. Vor allem aber auf das Team und jedes einzelne Teammitglied, das dazu beiträgt, dass alles so reibungslos funktioniert und die Patientinnen und Patienten stets im Zentrum stehen. Wir haben ein aussergewöhnlich gutes Betriebsklima, und trotz Fachkräftemangels erhalten wir beispielsweise viele Bewerbungen. Ein Zeichen, dass wir vieles richtig machen.»