Was ist überhaupt ...

Was ist überhaupt ... Cloud Computing?

Als im März 2021 in Frankreich das Rechenzentrum des grössten europäischen Cloud-Anbieters OVH in Flammen aufging, waren zahlreiche Webseiten von Unternehmen und Behörden nicht aufrufbar. Daten gingen verloren, hinter den Kulissen konnte nicht gearbeitet werden. So etwas zeigt, wie bedeutsam Cloud Computing mittlerweile geworden ist. Immer mehr Unternehmen setzen auf Cloud-Dienste statt auf eigene Hardware. Wieso ist diese Technik zu einem Gebrauchsgut wie Strom oder Wasser geworden?

Um was geht’s?

Cloud Computing oder Cloud-IT-Anwendungen bezeichnen Daten, Speicherplatz und Rechenleistung, die Kunden aus einem Rechenzentrum beziehen. Diese Rechenzentren bestehen aus riesigen Netzwerken von Computern, den sogenannten Wolken. Die dort abgelegten Daten befinden sich irgendwo in der Wolke und können vom  Kunden keinem spezifischen Gerät zugeordnet werden. Unternehmen oder Privatpersonen können Speicherplatz, Rechenleis­tung oder auch Software mieten, die auf diesen Rechenzentren liegt oder betrieben wird, und diese direkt über das Internet nutzen. Um die gewünschten Dienste beim Cloud Computing zu nutzen, ist in der Regel keine Installation von Zusatzsoftware notwendig. Sie sind über den normalen Browser bestell- und sofort verfügbar. «Die Kunden sind komplett flexibel und zahlen nur das, was sie nutzen, und auch nur für den Zeitraum, in dem sie es nutzen», erklärt Mirko Stocker, Dozent für Informatik an der Ostschweizer Fachhochschule. Eigene Server oder auch auf dem eigenen Rechner manuell installierte Software werden durch Cloud Computing überflüssig. Manche Experten vergleichen den Schritt zum Cloud Computing mit der industriellen Revolution. Dies weil die Cloud-Technologie Speicherplatz, Serverkapazität und Software-Nutzung in ein Gebrauchsgut verwandelt und für jeden verfügbar gemacht hat – wie damals die grossen Elektrizitätsversorger den Strom.

Wenn wir heute von der Cloud sprechen, meinen wir eigentlich meist die sogenannte Public Cloud. Hier läuft alles über das Internet, es ist keinerlei physische Hardware mehr vor Ort notwendig. Ein Beispiel dafür ist Speicherplatz, den man heutzutage bei Dropbox oder ähnlichen Anbietern anmietet. Aber auch Software kann direkt über das Netz angesteuert werden, ohne dass ein Programm installiert werden muss. Die meisten Videokonferenzsysteme arbeiten zum Beispiel so. Anders sieht es bei der sogenannten Private Cloud aus. Hier kaufen Kunden Hardware, die dann auch wirklich physisch am eigenen Ort steht. Server zum Beispiel. «Da hat man einen Vorteil beim Datenschutz, aber die anderen Vorteile der Cloud, sprich die Flexibilität und die variablen Kosten, fallen weg», erklärt Mirko Stocker. Interessant sei das deshalb vor allem für Entwickler. Für Endanwender sieht der Experte da weniger Vorteile gegenüber der klassischen IT-Infrastruktur.

Auch Mischformen sind möglich, denn manch einer möchte oder muss sensible Daten auf einem Server vor Ort speichern, wohingegen für andere Bereiche die Nutzung einer Public Cloud reicht. «Da muss jeder schauen, was am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt», sagt Stocker.

Wer hat’s erfunden?

Den Grundgedanken von Cloud-Systemen gab es schon länger, aber populär machte es erst einer von den grossen Playern vor 15 Jahren. «Amazon hat als erstes Unternehmen angefangen, Speicherplatz für Entwickler und Programmierer zu vermieten», so der Informatiker. Kurz danach sprangen weitere Big Player wie Microsoft oder Google auf den Zug auf und Cloud-Dienste wurden mehr und mehr auch an Unternehmen und Privatpersonen vermietet. Heute tummeln sich sehr viele Anbieter auf dem Markt, die meisten davon richten sich an eine grosse Bandbreite von Kunden. Der Vorreiter Amazon hat seine Dienste allerdings bisher nicht auf den Bedarf der breiten Masse ausgebaut. «Amazon hat dafür die Infrastrukturservices für Entwickler immer mehr ausgeweitet.»

Wie funktioniert´s?

Das Prinzip ist einfach: Cloud-Anbieter halten riesige Mengen Speicherplatz, Software oder Rechenzeit bereit und zwar an Standorten, die sie selbst auswählen. Meist an einem Ort, an dem es günstig Strom gibt. Die genauen Standorte sind oft geheim. Die Kunden können über das Internet jederzeit darauf zugreifen, sofern sie einen Dienst gebucht haben. Voraussetzung für einen reibungslosen Zugriff ist neben einem Vertrag eine ausreichende Internetbandbreite.

Was bringt’s?

Der grösste Vorteil für Cloud-Nutzer ist wohl der finanzielle. Server sind teuer und das nicht nur in der Anschaffung. «Man braucht Mitarbeitende, die sie betreuen. Solche Mitarbeitende kosten auch nochmal und sind rar», weiss Stocker. Wer stattdessen Speicherplatz mietet, spart Geld. Die Kosten für Bereitstellung, Betrieb und Mitarbeitende werden von den Cloud-Anbietern zwar angepriesen, aber da es sich auf dieser Seite um riesige Server-Farmen handelt, ist der Aufwand pro Server geringer. Speicherplatz in der Cloud ist deshalb günstiger als Speicherplatz auf dem eigenen Server. Ein weiterer Vorteil auf Kundenseite ist, dass sie immer nur genau das in der Cloud buchen können, was sie gerade brauchen. Jeder Kunde kann flexibel Speicherplatz dazu mieten oder Software abbestellen, je nach Bedarf. «Man muss kein Kapital investieren, für etwas, das man nicht nutzt», sagt der Experte. Einen weiteren Vorteil sieht er in punkto Sicherheit. «Die Cloud-Anbieter sind da sehr professionell, sie schützen ihre Cloud-Systeme oft professioneller als normale Unternehmen ihre Server», erklärt er.

Für die Cloud-Anbieter lohnt sich das Geschäft, weil Speicherplatz günstiger wird, je mehr man davon betreibt. Die Anbieter geben pro Kunde weniger aus, als der Kunde selbst es müsste. Ausserdem können sie ihren Speicherplatz viel besser ausnutzen als Endverbraucher oder einzelne Unternehmen.

Macht’s auch Probleme?

Natürlich gibt es auch Nachteile beim Cloud Computing. Einer der grössten Nachteile ist wohl der Datenschutz. «Die grossen Anbieter sind amerikanisch oder chinesisch, da gibt es rechtliche Hürden für Anwender und Unternehmen in der EU und in der Schweiz», warnt Mirko Stocker. Gerade wenn es um sensible Daten geht, ist die Nutzung von Cloud-Speicherplatz in den USA oder in China rechtlich manchmal gar nicht erlaubt. Da bleibt dann nur der Wechsel zu lokalen, aber oft kleineren Anbietern. «Und die können in Bezug auf die Menge an Services und die globale Infrastruktur nicht mit den grossen Playern mithalten.»

Ein anderes Problem wird häufig erst spät bemerkt: Das Wechseln von einem Anbieter zu einem anderen ist nicht so einfach möglich. Je nach Anwendungszweck geht es manchmal gar nicht. «Je länger man bei einem Anbieter bleibt, desto schwieriger wird das oft», warnt der Experte. Die Anbieter würden dadurch zu Monopolisten, mit negativen Folgen für die Kunden.

Trotz Sicherheitsbemühungen gibt es auch bei Cloud-Anbietern Server-Ausfälle oder gar Totalabstürze. Selbst wenn nicht gleich eine ganze Server-Farm in Flammen aufgeht wie im März 2021 in Frankreich, kann das ärgerlich sein und zu Datenverlusten führen. Die Verantwortung für seine Daten sollte nicht gänzlich abgegeben werden, rät Mirko Stocker. «Regelmässige Back-ups kann man gleich dazubuchen und am besten sichert man seine Daten an mehreren Standorten eines Unternehmens», empfiehlt der Experte.

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