Karriere

Weiblich, wild & weise

In ihrem Buch fordert Management-Coach und Keynote-Speakerin Nicole Brandes Frauen auf, ihr Selbstwertgefühl nicht länger unter den Scheffel zu stellen. Ein Gespräch über Frauen in Führungspositionen und Chancengleichheit.

Sie teilen in Ihrem Buch «Weiblich, wild & weise» Ihre persönliche Lebensgeschichte und Ihre Coaching-Erfahrungen und fordern Frauen auf, ihre beruflichen sowie privaten Träume zu verwirklichen. Wie befähigen sich Frauen im Berufsalltag?
Nicole Brandes: Selbstbewusstsein, Durchsetzungskraft, Schöpferkraft und Resilienz zählen heute zu den wichtigsten Schlüsselkompetenzen. Die Realität ist aber, dass die meisten Frauen ausschliesslich auf Fachkompetenzen setzen. Menschen, die wissen, wer sie sind, was sie wollen und was sie auszeichnet, führen und fühlen sich jedoch besser. Das kommt nicht nur der Person zugute, sondern auch dem Unternehmen.

Welchen Nutzen hat die Selbstkompetenz?
Wenn wir uns mit Leadership 4.0 befassen, sprechen wir von menschlicher Führung. In einer Zeit, in der alles digitalisiert wird, was digitalisiert werden kann, wird das, was Maschinen nicht können, immer kostbarer. Führungskräfte müssen deshalb nicht nur digital, sondern auch «menschlich aufrüsten». Das heisst, Kompetenzen fördern, menschliche Bedürfnisse abholen sowie Mitarbeitende begeistern und bewegen. Die beste Voraussetzung dafür ist die Selbstkompetenz.

… und wie gelangen Frauen in Kaderpositionen?
Zum einen sollten Frauen sich klar werden, was sie wollen und das mit aller Deutlichkeit einfordern. Also nicht auf angebotene Chancen warten, sondern diese selbst wahrnehmen. Zum anderen können Unternehmen starke Signale setzen, indem sie Frauen als Vorbilder fördern, frauengerechte Arbeitsmodelle einführen und mehr Managementpositionen mit Frauen besetzen. Vor allem HR-Fachleute können Frauen unterstützen und ermutigen, klare Visionen für sich und ihren Berufsalltag zu entwickeln.
Daneben müssen Frauen lernen, taktisch zu netzwerken und sich Leadership-Skills anzueignen. Zu Guter Letzt sollten wir aufhören, von Diversität zu reden und sie stattdessen aktiv fördern. Etwa mit der umstrittenen Frauenquote, die als Katalysator dienen könnte, um den Frauenanteil in Führungspositionen rasch zu erhöhen. Das ist keine Schande.

Geht Frauenförderung auch ohne Frauenquote?
Schon, aber viel zu langsam. Die Diskussionen sind so konfliktreich, weil Emanzipation und Gleichberechtigung völlig unterschiedlich verstanden werden. Auch das Rollenverständnis ist diffus, weil es völlig im Umbruch ist. Viele Frauen fühlen sich als Opfer und Männer fühlen sich als Feindbild. Der Dialog sollte aber auf Augenhöhe erfolgen.
Tatsache ist, dass Frauen und Männer unterschiedliche Wesen mit eigenen Qualitäten sind. Einfach ausgedrückt: Männer sind kompetitiver und machtorientierter, während Frauen über Jahrtausende hinweg Gemeinschaften zusammengehalten haben und entsprechend kollaborativer und beziehungsorientierter sind. Beides sind Qualitäten, die wir brauchen. Um Chancengleichheit sicherzustellen, sind Ansätze notwendig, die diesen Unterschieden gerecht werden.

Weshalb warten? Weibliche Talente können doch auch ein eigenes Unternehmen gründen …
Die Technologie verändert tatsächlich, wie wir leben, wirtschaften und arbeiten. Dadurch entstehen ganz neue und vielfältige Arbeitsmodelle, die auch Frauen entgegenkommen. Es war noch nie so einfach, ein Unternehmen zu gründen. Früher konnte man ein Einzelunternehmen nicht skalieren, heute gibt es keine Grenzen nach oben. Ob als Solopreneur, Freelancer oder Influencer, jeder kann riesige Menschenmassen erreichen und eine Dienstleistung oder ein Produkt anbieten: Mit oder ohne Kinder, von zu Hause aus oder von irgendwoher auf der Welt.
Ich selbst habe seit über fünf Jahren eine virtuelle Firma, reise viel, arbeite mit einem Team, das überall auf der Welt verstreut ist und habe Kunden aus verschiedenen Ländern. Es spielt keine Rolle, ob ich in der Karibik oder am Zürichsee weile. Für meine Kunden und mein Team bin ich immer da. Für diese Möglichkeiten bin ich dankbar.

In Ihrem Buch fordern Sie, dass wir uns «hohe Ziele im Leben setzen sollen». Wie erreichen wir das?
Wir sind uns gewohnt, Ziele zu erreichen. Trotzdem haben wir oft das Gefühl, dass uns etwas fehlt. Warum? Die meisten Menschen setzen sich viel zu niedrige Ziele, die weit unter ihren Kapazitäten liegen. Dabei sind es die grossen, atemraubenden Ziele, die uns zur Höchstform auflaufen lassen und uns glücklich machen. Dafür müssen wir gross denken und den Mut haben, immer noch eins obendrauf zu setzen. Das inspiriert uns und katapultiert unsere Kapazitäten in eine ganz andere Dimension.

Die meisten Menschen wissen aber nicht, was sie wollen …
Wir bekommen alle von unseren Eltern, Lehrern und der Gesellschaft sogenannte «Lebensentwürfe». Die sind gut, aber sie sind Standard. Da kann es dann sein, dass wir zwar erfolgreich sind, aber spüren, dass uns etwas fehlt. Warum? Weil wir nur ein Leben leben können: unser eigenes.
Wenn wir glücklich sein wollen, müssen wir wissen, was wir wollen. In meinen Coachings stelle ich immer wieder fest, wie gestandene, erfolgreiche Menschen sich zwar nach etwas Eigenem sehnen, sich damit aber schwertun. Wenn sie ihre Lebensvision klar und deutlich entwickelt haben, führt das zu einem enormen Glücksgefühl.

Sie sprechen in diesem Zusammenhang von «Herzintelligenz». Was meinen Sie damit?
Viele Menschen haben die Tendenz, Situationen mit dem Verstand anzugehen. Vor allem, wenn sie vor wichtigen und schwierigen Entscheidungen stehen. Sie bleiben im Job, weil er sicher ist, obwohl sie ihn nicht mehr ausstehen können, oder in einer Beziehung, wegen der Kinder oder weil sie pflichtbewusst sind, obwohl sie leiden. Der Verstand führt uns immer in die Sicherheit.
Wenn wir aber auf unser Herz hören, ob sich etwas richtig oder falsch anfühlt, dann beginnen wir, unser Leben mit der inneren Zustimmung zu gestalten. Das mag in manchen Fällen nicht pragmatisch sein, aber stark, denn wir bleiben uns selbst treu.

Zur Person

Nicole Brandes ist ein internationaler Management-Coach, eine weltweit gefragte Vortragsrednerin und Autorin. Brandes blickt auf fast zwei Jahrzehnte internationale Management-Erfahrung in Unternehmen wie beispielweise der Swissair zurück, leitete eine internationale Stiftung von Königin Silvia von Schweden und baute den VIP-Club der weltweit grössten Privatbank auf.
Sie beschäftigt sich mit Herausforderungen von Führungskräften in einem immer komplexeren Umfeld und damit, wie Manager diesen mit neuen Skills, agilen Organisationsformen und identitätsstiftendem Sinn begegnen können.
Brandes hat Kommunikation, Strategisches Management und Interkulturelle Mediation studiert, bei chinesischen Grossmeistern die Erfolgsstrategien des Taoismus erlernt, studiert Existenzialphilosophie und spricht fünf Sprachen fliessend. nicolebrandes.ch

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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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