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Welche Nebenbeschäftigung ist erlaubt?

Immer mehr Mitarbeitende gehen neben ihrer Hauptanstellung einer zweiten beruflichen Tätigkeit nach, engagieren sich ehrenamtlich oder bauen eine Selbständigkeit auf. Doch wann kann eine Nebenbeschäftigung problematisch werden?

Im Arbeitsrecht existiert kein grundsätzliches Verbot für Nebenbeschäftigungen. Arbeitnehmende haben die Freiheit, auch ausserhalb eines Hauptarbeitsverhältnisses tätig zu werden. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen Nebentätigkeiten problematisch sein können. 

Das Gesetz sieht deshalb vor, dass es Arbeitnehmenden während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses untersagt ist, gegen Entgelt für einen Dritten zu arbeiten, wenn das ihre Treuepflicht verletzt oder den Arbeitgeber konkurrenziert (Art. 321a Abs. 3 OR). Man spricht hierbei auch vom sogenannten «Schwarzarbeitsverbot».   

Aber Achtung: Was umgangssprachlich oft als «Schwarzarbeit» bezeichnet wird, betrifft häufig die öffentlich-rechtliche Problematik einer Beschäftigung ohne ordnungsgemässe Meldung bei Sozialversicherungen oder Steuerbehörden. 

Das «Schwarzarbeitsverbot» nach Obligationenrecht stellt demgegenüber eine Konkretisierung der Treuepflicht der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers dar und gilt sowohl für Nebenbeschäftigungen im Anstellungsverhältnis als auch für selbständige Tätigkeiten. 

Konkurrenzierung des Arbeitgebers 

Heikel wird es, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer den Arbeitgeber direkt konkurrenziert. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Angestellter eines Transportunternehmens in seiner Freizeit eigenständig Transporte auf eigene Rechnung ausführt oder Kundinnen und Kunden für ein künftiges eigenes Unternehmen abwirbt. 

Zulässig ist hingegen die Vorbereitung einer späteren, allenfalls konkurrenzierenden Tätigkeit, etwa durch die Gründung einer Gesellschaft oder das Einholen von Informationen, sofern kein nachvertragliches Konkurrenzverbot vereinbart wurde. Nicht erlaubt ist jedoch, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses Kundinnen oder Mitarbeitende abzuwerben.  

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt eine Konkurrenzierung bereits dann vor, wenn gleichartige Leistungen für denselben oder einen teilweise überschneidenden Kundenkreis angeboten werden, auch wenn die Tätigkeit unentgeltlich erfolgt. So wurde eine fristlose Kündigung als gerechtfertigt angesehen, nachdem ein Arbeitnehmer ohne Bezahlung für die Konkurrenzfirma eines Verwandten tätig war. Entscheidend war, dass die familiäre Nähe zur Nebentätigkeit das Risiko erhöhte, die Interessen des Verwandten über jene des Arbeitgebers zu stellen. Anders verhält es sich bei gelegentlichen, privaten Gefälligkeiten, etwa wenn eine Coiffeuse in ihrer Freizeit Freunden die Haare schneidet.

Wenn das Ansehen des Arbeitgebers leidet 

Eine Nebentätigkeit, die das Ansehen des Arbeitgebers beeinträchtigt, kann unzulässig sein. Besonders relevant ist das in sogenannten Tendenzbetrieben – also Organisationen mit politischer, religiöser, karitativer oder weltanschaulicher Zielsetzung. Mitarbeitende solcher Betriebe müssen auch ausserhalb ihrer Arbeitszeit darauf achten, dass ihr Verhalten oder ihre Nebentätigkeiten nicht in Widerspruch zu den Grundwerten ihrer Arbeitgebenden stehen. Eine politisch extreme Nebentätigkeit könnte beispielsweise ein negatives Licht auf den Arbeitgeber werfen. 

Leistungsfähigkeit und gesetzliche Grenzen 

Auch wer nicht konkurrenzierend tätig ist, kann seine Treuepflicht verletzen, sofern die Nebenbeschäftigung die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers so stark einschränkt, dass die Hauptarbeitspflichten nicht mehr vollständig erfüllt werden können. So etwa ein Lastwagenfahrer, der während seiner Freizeit als Taxifahrer arbeitet und dadurch gegen die gesetzlichen Ruhezeiten verstösst. Auch wenn die Nebentätigkeit unentgeltlich erfolgt, kann sie eine Beeinträchtigung der vertraglich geschuldeten Leistung zur Folge haben. 

Nebst vertraglichen Vereinbarungen ist auch das Arbeitsgesetz (ArG) zu beachten. Insbesondere Höchstarbeitszeiten sowie Ruhezeiten müssen eingehalten werden. Hat eine Arbeitnehmerin mehrere Arbeitgebende, hat jeder einzelne sicherzustellen, dass diese Vorschriften unter Berücksichtigung aller Beschäftigungen der Arbeitnehmerin eingehalten werden. 

In der Praxis ist das jedoch oft schwierig, da die verschiedenen Arbeitgebenden meist keinen Kontakt miteinander haben. Umso wichtiger ist es, dass Arbeitnehmende ihre Nebentätigkeiten offenlegen. Nur so können Arbeitgebende gewährleisten, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Ein «unkontrollierter» Nebenerwerb kann sonst rasch zu ernsthaften Problemen führen.

Teilzeit: besondere Situation, gleiche Regeln? 

Viele Teilzeitkräfte sind finanziell auf einen Nebenerwerb angewiesen. Grundsätzlich gelten auch für sie die vorgenannten ­Einschränkungen. Jedoch müssen Arbeitgebende bei Teilzeit­mitarbeitenden oft implizit davon ausgehen und akzeptieren, dass diese auch noch weiteren beruflichen Tätigkeiten nachgehen, sofern hierdurch kein Interessenskonflikt entsteht und die Treuepflicht gewahrt bleibt.

Zwei Beispiele: Ein Mitarbeiter arbeitet mit Teilzeitpensum an der Kasse eines Supermarkts und übernimmt an seinen freien Tagen eine ähnliche Tätigkeit bei einem anderen Detailhändler. Diese Situation ist in der Regel unproblematisch. Kritisch ist hingegen, wenn eine Kundenberaterin gleichzeitig für zwei konkurrierende Versicherungsgesellschaften arbeitet. Hier liegt eine klare Verletzung der Treueplicht vor, und der beziehungsweise die Arbeitgebenden dürfen einschreiten, um ihre Interessen zu schützen. 

Arbeit statt Erholung 

Ferien dienen der Erholung, weshalb erwartet wird, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer in dieser Zeit keine Arbeit für Dritte verrichtet. Der Arbeitgeber kann im Fall einer Nebentätigkeit während der Ferien den Ferienlohn verweigern oder bereits bezahlten Lohn zurückfordern, wenn die Erholungswirkung der Ferien dadurch beeinträchtigt wurde (Art. 329d OR). Ausnahmen gibt es, wenn die Nebentätigkeit der Erholung dient, wie etwa ein Job als Skilehrerin in den Ferien. Der Arbeitgeber muss dann individuell beurteilen, ob die Tätigkeit als erholsam gilt. 

Transparenz statt Verboten 

Die Vorgaben in Art. 321a OR können im Arbeitsvertrag erweitert oder präzisiert werden, etwa indem Nebentätigkeiten grundsätzlich der vorgängigen Zustimmung des Arbeitgebers bedürfen. Solche Regelungen schaffen Transparenz und helfen, mögliche Interessenskonflikte frühzeitig zu vermeiden. Ein pauschales Verbot sämtlicher Nebenbeschäftigungen ist hingegen selten sinnvoll, zumal die persönliche Freiheit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers dadurch zu stark einschränkt werden könnte.  

In der Praxis wird bei einer unzulässigen Nebentätigkeit zunächst häufig eine Verwarnung ausgesprochen. In besonders schweren Fällen, etwa bei aktiver Konkurrenzierung, kann jedoch auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, sofern sie zeitnah nach Entdeckung der Nebentätigkeit erfolgt. 

Für Arbeitnehmende gilt deshalb: offen kommunizieren. Wer geplante Nebentätigkeiten frühzeitig meldet, beugt Missverständnissen und arbeitsrechtlichen Problemen vor.

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Alexandra Williams-Winter ist Rechtsanwältin bei der Winterthurer Anwaltskanzlei Probst Partner AG. Sie berät und vertritt schweizerische und ausländische Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen in wirtschaftsrechtlichen Fragen. Nebst dem Gesellschafts- und dem allgemeinen Vertragsrecht ist sie spezialisiert im öffentlichen Beschaffungsrecht.
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