Konfliktmanagement

Wenn zwei sich streiten …

... fragt sich der Dritte. Viele Konflikte sind für Aussenstehende kaum nachvollziehbar und gründen auf banalen Unstimmigkeiten. Wer sich dessen bewusst ist, kann sehr einfach frühzeitig die Bremse ziehen und die Kommunikation wieder in friedlichere Tonlagen zurücklenken.

Oft begegnen wir Konflikten, über die wir uns wundern, da sie auf den ersten Blick banal erscheinen. Wir fragen uns: «Wie können sich zwei erwachsene Menschen wegen einer solchen Kleinigkeit dermassen heftig streiten?» Doch jeder heftige Konflikt hat eine Vorgeschichte. Was harmlos begann, hat sich zum Teil über Jahre durch fehlende Kommunika-tion hochgeschaukelt. Auch im Arbeitsalltag sind Konfliktherde zu finden. Wie die Parteien damit umgehen, ist entscheidend dafür, ob sie weiter zusammenarbeiten können. 

Der offene Konflikt ist sichtbar und deshalb  auch für Aussenstehende einfach zu erkennen. Die beiden Konflikt-involvierten halten nicht mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen hinter dem Berg. Anders verhält es sich mit unsichtbaren Konflikten. Diese brodeln unter der Oberfläche und werden oft mit betont höflichem Umgang kaschiert. Doch beide Kon-flikt-arten – die offene und die geschlossene – stellen eine Herausforderung dar.

Konflikte sind Zeitrauber

Konflikte kosten uns im Arbeitsalltag viel Zeit und Energie – und die brauchen wir eigentlich an anderer Stelle. Natürlich gehört die Auseinandersetzung mit anderen Teammitgliedern zu jeder Zusammenarbeit. Doch die Art und Weise, mit der das geschieht, ist entscheidend. Jeder Konflikt durchläuft mehrere Etappen. Die meisten werden natürlich beizeiten beigelegt und entwickeln sich nicht zu kräftezehrenden Kriegen. Im Konfliktmodell nach Glasl (siehe Grafik) sind die Konfliktebenen anschaulich dargestellt. Vor allem die Entwicklung vom ungelösten Konflikt bis hin zur scheinbar unlösbaren Auseinandersetzung ist nachvollziehbar dargestellt. Glasl unterscheidet Konflikte dabei nach verschiedenen Ebenen: 

Auf der Win-win-Ebene ist eine Diskussion von unterschiedlichen Positionen ohne Streitatmosphäre machbar. Werden allerdings die getroffenen Abmachungen nicht eingehalten, rutschen die Parteien unabwendbar in die nächste Konfliktebene. 

Streitigkeiten auf der Win-lose-Ebene lassen sich ohne Vermittler oder Mediator nicht mehr zum Positiven wenden. Spätestens in dieser Phase ist der Konflikt für das Umfeld offensichtlich. Das bedeutet: Es geht jetzt um Gewinnen oder Verlieren. Einer der beiden Parteien droht ein Gesichtsverlust, wenn zum Beispiel eine dritte Person schlichtet und dabei einer Konfliktpartei recht gibt. Zeigt ein solcher Vermittler jedoch sein diplomatisches Geschick, kann die Zusammenarbeit noch gerettet werden.

Ist keine Rettung mehr möglich, verschiebt sich der Konflikt in die Lose-lose-Ebene. Jetzt geht es nur noch darum: Hauptsache, der andere gewinnt nicht – egal ob ich dabei auch verliere. Diesem Grundsatz wird alles untergeordnet; koste es, was es wolle. Es gibt kein Zurück mehr und nur noch eine «richterliche» Instanz, dies kann auch ein Vorgesetzter sein, kann abschliessend in der Sache befinden. 

In einem Arbeitsumfeld ist das die Konfliktebene, auf der alle Ressourcen für den Konflikt eingesetzt werden und die tägliche Arbeit brach liegt. Eine Lösung zu finden, ist dann nicht mehr möglich. Oft endet der Konflikt damit, dass eine Partei entlassen oder versetzt wird. 

Wie ein Konflikt verläuft, hat viel mit den Persönlichkeiten der Einzelnen zu tun. Alle kennen Menschen, die immer wieder in die gleiche Situation geraten, sich oft angegriffen fühlen, launisch sind oder tendenziell eher auf Krawall gebürstet sind. Auf der anderen Seite stehen Personen, die den Konsens suchen und auf eine friedliche Zusammenarbeit aus sind. Je nach Konstellation der Konfliktparteien ist absehbar, wie sich ein Konflikt entwickelt. 

Situation aus dem Alltag

Der Verlauf eines eskalierenden Konfliktes lässt sich an folgendem Beispiel gut illustrieren: Die Parkplätze von zwei Teammitgliedern befinden sich gleich nebeneinander. Der eine dieser Parkplätze grenzt an eine Mauer und das Ausladen von grösseren Gegenständen vom Hintersitz wird dadurch eingeschränkt. Mitarbeiter Huber mit jenem Parkplatz stellt sein Auto deshalb jeweils nicht ganz korrekt auf das Parkfeld. Für Mitarbeiter Streuli wird die Lücke zwischen den Autos deshalb kleiner und enger zum Aussteigen. So weit, so gut.

Mitarbeiter Streuli macht in der Pause mit anderen Teammitgliedern eine Bemerkung im Spass, um die Parkkünste von Huber sei es nicht so gut bestellt, da sein Auto immer schief im Parkplatz stehe. Damit möchte Streuli auf seine Mühen mit der engen Lücke hinweisen und wählt eine weit verbreitete Art, jemanden auf die Situation aufmerksam zu machen: ihn mit der Nase draufzustossen. Sicherlich hat Streuli in der Pause die Lacher auf seiner Seite. Was er nicht weiss: Im Pausenraum anwesend ist auch der ehemalige Chef von Huber. Die beiden hatten in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen über Hubers Defizite und Huber hat darum auch die Abteilung gewechselt. Doch die vermeintlich spassige Bemerkung von Streuli streut Salz in die ohnehin offene Wunde, und der ehemalige Chef nutzt seine neuen Informationen nur zu gern. 

Spass ist nicht für alle spassig

Idealerweise finden Huber und Streuli eine Möglichkeit, diese Situation zu besprechen und zu bereinigen. Bleibt es bei einer Bemerkung im Pausenraum, kann diese weggesteckt werden. Vielleicht bemerkt Streuli auch die verhaltene Reaktion von Huber und stellt fest, dass sein Spass nicht für alle ein Spass ist.

 

Konflikte verhindern

  • Kommunizieren Sie ehrlich und zeitnah. Besprechen Sie Unstimmigkeiten, bevor daraus Probleme und Konflikte entstehen.
  • Versetzen Sie sich in die Situation der anderen Partei und nehmen Sie die Position des Gegenübers ernst.
  • Überdenken Sie Anliegen von anderen, bevor Sie diese als nichtig taxieren. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, abzuschätzen, welche Reaktion Sie selber erwarten würden, wäre es Ihr Anliegen.
  • In Konflikten geht es meist um summierte, kleine, vergangene und für nicht wichtig eingestufte Situationen.
  • Kehren Sie Unstimmigkeiten nicht unter den Teppich. Damit sind sie nicht gelöst. Angestauter Ärger entlädt sich unweigerlich irgendwann. Ist der Ärger zu gross, wird viel Geschirr zerschlagen.
  • Suchen Sie richtig gute Lösungen, welche für alle im Team stimmig sind, und halten Sie getroffene Abmachungen ein.
  • Schliessen Sie keine faulen Kompromisse. Nicht jeder, der Forderungen stellt, bekommt automatisch ein Entgegenkommen. Fairness geht vor schnellen und bequemen Lösungen.
  • Bauen Sie Vertrauen auf. In einer vertrauensvollen Umgebung können Unstimmigkeiten angesprochen und gelöst werden, bevor diese zu (fast) unlösbaren Problemen werden.
  • Zeigen Sie Wertschätzung gegenüber einer ehrlichen Kommunikation. Wenn Sie Teammitglieder auffordern, Unstimmigkeiten auf den Tisch zu legen, dann ist es Ihre Pflicht, für eine gute Lösung zu sorgen.
  • Belassen Sie es bei der Auslegeordnung und kümmern Sie sich danach nicht um eine Konfliktbehebung, kann dieser Vertrauensmissbrauch kaum mehr gekittet werden.

Stört Streuli der knappe Platz zwischen den Parkplätzen, ist das direkte Ansprechen der ideale Weg. Dann erfährt er von Huber vielleicht, dass dieser jeden Tag gleichzeitig seine Sporttasche aus dem Auto hievt, um in der Mittagspause zu trainieren. Da der Kindersitz auch auf der Rückbank festgemacht ist, kann er nur die Seite an der Parkplatzmauer für das Ausladen nutzen. Und schon ist man mitten im Gespräch, in dem Streuli seine enge Aussteigemöglichkeit beschreiben kann, und eine machbare Lösung scheint nah.

Wie es der Arbeitsalltag will, nehmen wir uns diese Zeit nicht immer. Ergeben sich dann mehrere Situationen, in denen sich Huber von Streuli brüskiert und blossgestellt fühlt, verhärten sich die Fronten.

Suche nach Gleichgesinnten

Huber erzählt es der Teamkollegin und sucht nach Zustimmung, dass Streuli doch ein «Trampel» in seinem Verhalten anderen gegenüber sei. Schnell sind weitere Situationen aufgezählt, bei denen Streuli sich angeblich in den Vordergrund gedrängt und keine Rücksicht auf andere genommen hat. Weiter nicht schlimm, kennen wir ja alle?

Sicherlich noch kein grosser Konflikt, aber der erste Schritt in die falsche Richtung. Die Streitsituation ist nach wie vor lösbar, dazu gehört allerdings Kommunikation. Die Kommunikation verläuft in beide Richtungen. Was als Information mitgeteilt wird und was beim Empfänger ankommt, sind oftmals unterschiedliche Dinge. 

Am Beispiel der Parkplatzdiskussion hört Huber vielleicht wie schon so oft: «Du bist nicht gut genug», und kann die Bemerkung über die Parkkünste nicht auf die leichte Schulter nehmen. Durch die Kränkung finden Abwehrmechanismen gegenüber Streuli statt. Dies ist noch die Konfliktebene: Debatte führen. Doch zu der oft fehlenden Zeit kommen noch Kommunikationshürden im Alltag: 

  • Wie geben wir Feedback?
  • Was «hört» der Feedbackempfänger?

Ist es gerade ein schlechter Tag, an dem uns der Zug vor der Nase abgefahren ist, und der Post-eingang ist am Morgen schon voll, dann sind wir dünnhäutiger und bekommen einen Spass in den falschen Hals.

Welche Möglichkeiten stehen uns zur Konfliktlösung zur Verfügung? Ein erster Schritt: selbst erkennen und sich eingestehen, dass etwas für einen nicht stimmt. Dann kommt der schwierige Schritt, auf die andere Partei zuzugehen und die Situation zu besprechen. Dazu gehört eine Portion Mut und Offenheit. In der Parkplatzsituation von Huber und Streuli können dies folgende Szenarien sein:

Huber bittet Streuli um ein Gespräch und teilt ihm mit, dass Situationen wie im Pausenraum mit Sticheleien zu seinen Fähigkeiten ihn verunsicherten und unangenehm seien. Er bittet ihn, solche Spasskommentare nicht mehr in Anwesenheit von anderen zu äussern.

Die Reaktion entscheidet

Elementar ist die Reaktion. Fasst sich ein Gegenüber ein Herz und spricht offen seine Schwachstellen an, ist es wichtig, diese ernst zu nehmen und nicht abzutun mit weiteren Äusserungen wie: «Ach komm, stell dich nicht so an, es war doch nur ein Witz.» Finden Huber und Streuli eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre, ist für Streuli auch Platz, sein Anliegen rund um die Parkplatzangelegenheit anzusprechen. Er macht Huber auf die engen Parkverhältnisse aufmerksam und äussert den Wunsch, mehr Platz zum Aussteigen zu bekommen. Die Lösung kann sein, dass die Sporttasche nicht mehr auf dem Hintersitz, sondern im Kofferraum verstaut wird und so das Auto näher an der Mauer und somit korrekt im Parkfeld parkiert wird. 

So einfach kann es sein. Doch der Alltag zeigt, dass Konflikte oft nicht im Stadium der Debatte gelöst werden. Manche Konflikte ziehen sich über die weiteren Ebenen hin. 

Verschärfung von Konflikten

Findet über längere Zeit keine Veränderung der streitbaren Angelegenheit statt, entwickelt sie sich automatisch in die falsche Richtung. Gegenmassnahmen sind die Realität: Jede Partei möchte Recht er- und behalten. Und das Gesicht zu verlieren, ist das Schlimmste, was passieren kann. Deshalb schliessen die Betroffenen Koalitionen mit Beteiligten und Unbeteiligten, um die eigene Position zu stärken. 

Als Nächstes folgt die Drohphase: «Wenn du nicht dies oder jenes änderst, dann…» -Damit befinden wir uns mitten in der Phase, die uns die meiste Zeit und Energie kostet. Kleinigkeiten rücken in den Mittelpunkt und Eskalationen sind an der Tagesordnung. Dabei ging es doch ursprünglich bloss um ein Auto, das nicht ganz konform auf dem Parkplatz stand. 

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Angelika Mittermüller ist Beraterin, Kommunikationstrainierin und Mediatorin. 

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