Chefwechsel

Willst du mit mir gehn?

Dreamteams am Scheideweg: Führungskräfte wechseln ihren Posten heute oft schon nach wenigen Jahren. Hat der Chef sich auf seine Assistentin eingespielt, kommt dann oft die Frage auf: Geht sie mit ins neue Unternehmen – oder sucht sie sich in der alten Firma eine neue Aufgabe?

Zweieinhalb Jahre war Nicole Kohler Assistentin des Geschäftsführers bei der Ferienhausvermittlung Interhome in Zürich. «Es war eine super Zusammenarbeit. Als er sich dann entschied, das Unternehmen zu verlassen, war das für mich ein Schock», sagt die 33-Jährige. Als er sie fragte, ob sie mit ihm wechseln würde, war sie zunächst überglücklich – aber der neue Job beim E-Bike-Hersteller Biketec wartete in Huttwil (BE), fast 100 Kilometer entfernt. «Es war klar, dass ich dafür umziehen muss.» 

Das musste sie sich jedoch nicht nur alleine überlegen, sondern auch mit ihrem Mann besprechen. «Wir hatten beide damals einen Arbeitsweg von 20 Minuten.» Doch ihr Partner reagierte verständnisvoll: «Er wusste, dass es nicht einfach ist, einen Vorgesetzten zu finden, mit dem man sich so gut versteht und der spannende Aufgaben hat. Er wollte, dass ich glücklich bin.» Ausserdem war auch sie einst ihrem Mann von Frankfurt nach Zürich gefolgt. Nach einer Woche Bedenkzeit stand fest: Sie geht mit, und so suchten sie und ihr Mann sich eine neue Wohnung auf halber Strecke zwischen Zürich und Huttwil.

Endlich passte mal alles

«So manche hat eine regelrechte Leidens-geschichte hinter sich, bevor sie einen Chef bekommt, von dem sie sagt: Das ist der Richtige. Wenn man dann den perfekten Chef für sich gefunden hat, dazu ungebunden ist und offen für Neues, kann es sinnvoll sein, sich auf den gemeinsamen Wechsel einzulassen», meint Marit Zenk, First Secretary Coach aus Hamburg. 

Für den Chef sei eine Assistentin, die auf ihn eingestellt ist, ein grosser Vorteil. «Sie weiss meist sehr viel Privates, oder zum Beispiel, wann der nächsten Medizincheck ansteht.» Für viele Chefs sei es aber auch ein Statusthema: «Das geht nach dem Motto: Ich finde, ich habe es verdient, mir meine Sekretärin selbst auszusuchen.» Für dieses Denken zeigt Marit Zenk aber Verständnis, denn: «Es ist einfach eine besondere Art der Beziehung. Wenn die Assistentin nicht voll hinter dem Chef stehen kann, kann sie ihren Job nicht machen. Oder wenn der Chef sagt: Ich mag ihr einfach nicht alles anvertrauen, ich mag sie nicht in mein Leben blicken lassen.» Andererseits gebe es auch Fälle, in denen das Verhältnis gar nicht so innig sein müsse: «Job ist Job und privat ist privat – das kann auch funktionieren, wenn beide das so wollen. Es geht immer um die Passung.»

Vorsicht, Abhängigkeit!

Jedenfalls: Ist man ein gutes Team, ist es eine Win-win-Situation, wenn zumindest angesprochen wird, ob die Assistentin mitwechselt. Marit Zenk warnt aber auch: «Man begibt sich in eine gewisse Abhängigkeit. Das kann zum Problem werden, wenn der Vorgesetzte zum Beispiel die Probezeit im neuen Unternehmen nicht übersteht.» 

Manager auf Top-Level, berichtet sie, handelten oft Verträge für nur drei bis fünf Jahre aus. «Und gerade diese ziehen für den neuen Posten oft an das andere Ende des Landes.» Sie schätzt die «Mitgehquote» der Assistentinnen als nicht besonders hoch ein: «Wenn dafür ein Umzug nötig ist, lassen sich vielleicht zehn Prozent darauf ein. Ohne Wohnortwechsel ist es rund ein Drittel.» 

Ein Argument fürs Bleiben könne durchaus sein, dass man sich im aktuellen Team sehr wohl fühlt. Bringt der neue Chef dann aber seine eigene Assistentin mit, muss das Unternehmen eine neue Aufgabe für die bisherige finden. Dann kann es aber sein, dass die neue Stelle nicht auf demselben Level angesiedelt ist. Die kann man annehmen – oder man muss selbst suchen. «So manche Vorstandssekretärin sagt sich auch: Dieses Allroundpaket, bei dem ich nur für einen zuständig bin, das ist mir viel zu stressig. Ich würde gerne mal eine Ebene runter», so die Erfahrung von Marit Zenk. 

Der Neue will es anders 

Nun kommen viele neue Vorgesetzte aber auch solo. Dann sei es erste Priorität, «sich an sein Dienstleister-Gen zu erinnern, den Reset-Knopf im Kopf zu drücken. ‹Bei Herrn Meier war das aber so und so› – das will keiner hören», betont Marit Zenk. Hilfreich ist statt-dessen einfühlsames An-die-Hand-Nehmen: «Für den Neuen kann es praktisch sein, wenn er auf eine Assistentin trifft, die schon weiss, wie der Hase läuft, zum Beispiel wer mit wem gut kann.»

Margrit Stein hat in ihrem Berufsleben schon einige Chefs begleitet. Seit acht Jahren arbeitet die 55-Jährige als Assistentin der Geschäftsführung bei der Credit Suisse in Zürich, allein dort hat sie gerade ihren dritten Vorgesetzten bekommen – und ist dafür in der Hierarchie aufgestiegen. «Für eine Assistentin ist es erste Voraussetzung, dass sie sich den Gegebenheiten anpassen kann», erklärt sie. Sie selbst hat schon viele verschiedene Charaktere erlebt: «Der eine Chef will eine Rundumbetreuung, der andere ist selbstständiger.» 

Sie empfiehlt für den Anfang grundsätzlich vornehme Zurückhaltung: «Man muss erst herausfinden, wie viel Kommunikation gewünscht ist. Persönliches sollte dann aussen vor bleiben. Zuerst muss es auf der Arbeits-ebene funktionieren. Dann sollte man abwarten, bis der Chef selbst zum ersten Mal fragt: Wie war das Wochenende?» Bis eine Beziehung gewachsen sei, brauche es schon ein bis zwei Jahre. «Ein Vertrauenslevel muss aber von Anfang an da sein.»

Ihrer Erfahrung nach wünschen sich Vorgesetzte meist Kontinuität: «Diejenigen, die lange gut mit einer Assistentin zusammen gearbeitet haben, würden diese am liebsten für immer behalten.» Trotzdem sei die erfahrene Mitarbeiterin, die gut im Unternehmen eingeführt ist, für viele ein Glücksgriff: «Ein Netzwerk ist wichtig. Zum Beispiel bei schwierigen Meetings ist es von Vorteil, wenn die Assistentin die hohen Vorgesetzten und deren Assistentinnen schon kennt.»

Es hat nicht geklappt – und dann?

Aber wie geht es weiter für eine Assistentin, die den Wechsel gewagt hat und sich nun an einer neuen Stelle einfügen muss? Nicole Kohler berichtet: «Ich hatte das Glück, dass ich vom bestehenden Team eine riesige Akzeptanz erhalten habe. Es ist ja schwierig, sich gleich auf ein Doppelpack neu einzustellen. Ich kann mir vorstellen, dass es auch anders laufen kann, zum Beispiel wenn die Vorgängerin für einen gehen musste.»

Doch dann passierte, was nun einmal passieren kann: Nicole Kohlers Chef schied nach zwei Jahren beim neuen Arbeitgeber aus und sie machte sich alleine auf die Suche nach einer neuen Stelle. Was ihr dank Netzwerken gelang: Am 1. Juli stieg sie bei Nik Ammann Consulting ein – das Unternehmen hatte bei ihrem bisherigen Arbeitgeber die SAP-Einführung projektiert. Bereuen mag sie den Wechsel mit Chef trotzdem nicht: «Es war eine Möglichkeit, noch einmal eine neue, spannende Branche kennenzulernen.» Dennoch, betont sie, müsse ein Wechsel sehr gut überlegt und geplant sein. «Heute würde ich mich mit der Entscheidung etwas schwerer tun.»  

Für Margrit Stein stand bei einem früheren Arbeitgeber in einer anderen Stadt einmal die Frage im Raum, ob sie den scheidenden Chef begleiten würde. Er wechselte in die Zentrale des Konzerns, der das Unternehmen übernommen hatte: «Dort war dann aber eine andere Assistentin schon auf dem Posten. Sonst hätte ich angenommen und wäre dann länger gependelt. Auch mein Mann hatte damals immer Jobs anderswo und meine Freunde arbeiten rund um den Globus.» Ob sie sich heute vorstellen könnte, noch ein weiteres Mal umzuziehen? «Ja – aber erst nach meinem Ruhestand.» 

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