Keine Arbeitskräfte zweiter Wahl
Arbeitskräfte ab 50 bringen nicht nur Erfahrung mit, sondern auch wertvolle Kompetenzen und Perspektiven, die Unternehmen heute dringend brauchen. Besonders in der Assistenz können Frauen über 50 neue Stärke entfalten – wenn man sie lässt.

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Viele Eltern, meist Frauen, stellten über Jahre hinweg ihre Karriere zugunsten der Familie zurück. Mit 50 möchten sie beruflich nochmals neu durchstarten: sprich ihr Pensum erhöhen, mehr Verantwortung übernehmen und sich wieder sichtbar machen. Doch der Wiedereinstieg oder das Aufstocken von Pensen ist oft von Vorurteilen geprägt.
Zurück auf Start? Von wegen.
Wenn Frauen ab 50 ins volle Berufsleben zurückkehren, beginnt für viele ein neuer Abschnitt. Die Kinder sind selbstständig(er), die familiären Verpflichtungen werden weniger und plötzlich ist Raum da: für persönliche Ambitionen und Entwicklung. Besonders, wenn ihre Karriere über Jahre dem Familienleben untergeordnet worden ist, spüren viele Frauen nun den Wunsch, ihr Potenzial wieder stärker einzubringen.
Doch was sie antreibt, trifft nicht immer auf offene Türen: Bewerbungen bleiben unbeantwortet, Fragen zu digitaler Affinität oder dem letzten Karriereschritt werden skeptisch gestellt. Dabei bringen Frauen ü50 genau jene Stärken mit, die heute gefragt sind: Durchhaltevermögen, emotionale Intelligenz, Organisationstalent und Führungsqualität – ideal in koordinativen, kommunikativen Rollen wie der Assistenz.
Aus der beruflichen Praxis zeigt sich dabei immer wieder ein zentrales Muster: Wer durchgehend berufstätig war, bekommt oft weniger kritische Rückfragen. Selbst mit einem Alter über 50 Jahren scheint dann ein Wechsel vorstellbar. Anders ist es bei Frauen, die länger ganz aus dem Erwerbsleben ausgestiegen sind. In ihrem Fall werden bereits in der frühesten Phase der Bewerbung vorschnell falsche Schlüsse gezogen: «Diese Person war zu lange weg.» Der unausgesprochene Zweifel lautet oft: Ist sie noch «fit genug» für den heutigen Arbeitsalltag?
Diese Skepsis ist zwar unbegründet, aber dennoch spürbar. Dabei bringen gerade jene Frauen, die bewusst den Wiedereinstieg anstreben, besonders viel mit: Klarheit über ihre Stärken, Motivation, neue Energie und ein hohes Mass an Lernbereitschaft. Diese Frauen entscheiden sich bewusst für diesen Schritt – und genau das macht sie zu einer Bereicherung für jedes Team.
Viele Frauen arbeiteten während ihrer Familienphase freiberuflich, ehrenamtlich oder auf Projektbasis. Sie haben gelernt, sich selbst zu organisieren, Kundinnen und Kunden zu führen oder Prozesse aufzusetzen. Doch diese Erfahrungen werden oft übersehen. Gerade im Office-Umfeld bringen solche Freelancerinnen ein hohes Mass an Eigenständigkeit, Flexibilität und Pragmatismus mit. Eigenschaften, die in agilen, schlanken Teams einen echten Unterschied machen.
Wiedereinstieg aus Überzeugung
Diese Frauen kommen nicht zurück, weil sie «müssen». Sie kommen, weil sie wollen. Sie wissen, was sie können, aber auch, was sie nicht mehr wollen. Sie haben gelernt, mit knappen Ressourcen Grosses zu managen, und sie bringen die seltene Fähigkeit mit, auch in fordernden Situationen Ruhe und den Überblick zu bewahren. In der Assistenz ist das Gold wert.
Natürlich bringt der Wiedereinstieg nach einer längeren Pause auch Herausforderungen mit sich, beispielsweise neue Tools oder andere Prozesse. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen gezielt begleiten:
- mit klaren Einarbeitungskonzepten,
- mit Schulungen und
- mit einer Kultur, die Ideen als Chance zulässt.
In Zeiten des Fachkräftemangels kann es sich niemand leisten, auf dieses Potenzial zu verzichten. Es geht nicht um eine soziale Geste, sondern um eine kluge, zukunftsorientierte Personalstrategie.
Jobsharing und generationsübergreifende Tandems
Gerade im Assistenzbereich bietet sich Jobsharing in zwei Varianten an: Zwei erfahrene Personen teilen sich eine Position, oder eine jüngere Person übernimmt die operative Führung, während die erfahrene Co-Leitung strategische Tiefe und Ruhe in den Alltag bringt oder bei Bedarf sogar als Mentorin agieren kann. Solche Modelle vereinen unterschiedliche Perspektiven und schaffen Effizienz, Vertrauen und Professionalität – intern wie extern. Und sie reduzieren Stress: Es entsteht automatisch eine gegenseitige Stellvertretung bei Ferien, Krankheit oder kurzfristigen Ausfällen. Das stärkt die Resilienz im Team.
Zudem können die Beteiligten ihre persönlichen Stärken oder Präferenzen gezielter einbringen: Ist eine Person beispielsweise besonders stark im kommunikativen Umgang mit Stakeholdern, die andere aber souveräner und erfahrener in der Strukturierung von Prozessen, können solche Aufgaben aufgeteilt werden. So haben beide Tandempartnerinnen oder -partner eigene Verantwortungsbereiche und können auf ihr Gegenüber zählen, um die eigenen Schwächen auszugleichen – ohne Mehraufwand für die Führung.
Ein weiterer Vorteil: Jobsharing ermöglicht es, erfahrene Fachpersonen mit Teilzeitwunsch oder Personen mit Wiedereinstiegsziel sinnvoll ins Arbeitsleben zu integrieren – ohne Qualitätsverlust. Eine nachhaltige Lösung für moderne Arbeitswelten.
Sichtbar sein und Haltung zeigen Frauen ab 50 nehmen zudem eine besondere Rolle im Generationengefüge ein: Sie verbinden Welten. Mit ihrer Lebens- und Berufserfahrung sind sie ein wertvolles Bindeglied zwischen jungen Teammitgliedern und älteren Mitarbeitenden in Fach- und Führungspositionen mit teils kontrastierenden Erwartungen. Sie bringen Verständnis für beide Seiten mit und können vermitteln, strukturieren und deeskalieren – ein weiterer Vorteil für komplexe, interdisziplinäre Teams. Diese Stärke zu zeigen, erfordert Selbstvertrauen. Und darin liegt für viele Frauen ü50 der vielleicht schwierigste Teil des Wiedereinstiegs: Selbstbewusstsein zulassen. Nicht in Frage stellen, was man kann, sondern benennen, was man mitbringt:
- Ruhe im Chaos,
- Überblick, wo andere den Faden verlieren und
- Menschlichkeit in einer zunehmend technisierten Arbeitswelt.
Es braucht Mut, sich (wieder) zu zeigen. Doch dieser Mut lohnt sich – für jede Einzelne und für alle, die sie erleben dürfen.
Fazit: kein Neubeginn, sondern ein Re-Start mit Rückenwind
Frauen ab 50, die nach Jahren wieder durchstarten, sind keine «zweite Wahl». Sie sind oft die erste Wahl, wenn man bereit ist, veraltete Bilder von Alter oder Karriereverläufen über Bord zu werfen. Sie starten nicht bei null. Sondern mit Tiefe, Erfahrung und oft mit mehr Motivation als je zuvor.