Recht

Ferien ohne Ärger

Streitigkeiten um die Ferien beschäftigen regelmässig die schweizerischen Gerichte. Der folgende Artikel gibt Antworten auf die häufigsten Rechtsfragen rund um die Ferien.

Das Obligationenrecht sieht einen Mindestanspruch von vier Wochen bezahlten Ferien pro Jahr vor. Jugendliche bis zum 20. Altersjahr dürfen sich fünf Wochen lang vom Berufsstress erholen. Auch für den Lehrvertrag ist ergänzend festgehalten, dass einem Lehrling wenigstens fünf Wochen Ferien zu gewähren sind. Diese Vorschriften sind Mindestvorschriften zugunsten des Arbeitnehmers. Von ihnen darf nur zugunsten, jedoch nicht zulasten eines Arbeitnehmers abgewichen werden. In der Praxis oft anzutreffen sind Verträge und Gesamtarbeitsverträge, bei denen die Anzahl Ferientage an die Dienstjahre oder das Alter des Arbeitnehmers gekoppelt sind.

Die Regelungen gelten auch für Teilzeitarbeitsverhältnisse. Die Berechnung der Anzahl Ferientage kann sich jedoch im Einzelfall als komplizierter erweisen. Für unvollständige Dienstjahre sind die Ferien pro rata zu gewähren. Sodann können die Ferien in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen gekürzt werden (Art. 329b OR).

Verunfallt oder krank

Erkrankt ein Arbeitnehmer in den Ferien oder erleidet er einen Unfall, so hat das oft zur Folge, dass er seine Ferien nicht geniessen und sich somit auch nicht erholen kann. Ist der Erholungszweck der Ferien durch die Krankheit oder den Unfall vereitelt, gilt ein Arbeitnehmer als ferienunfähig und die entsprechenden Ferientage gelten als nicht bezogen. Es ist hingegen in solchen Fällen klar zwischen Arbeits- und Ferienunfähigkeit zu unterscheiden, denn das eine bedeutet nicht zugleich auch das andere. Verunfallt ein Arbeitnehmer in den Ferien, muss er neben dem Unfall zugleich nachweisen, dass er sich aufgrund dieses Umstands in den Ferien nicht erholen konnte, damit ihm die entsprechenden Ferientage wieder gutgeschrieben werden können. Es ist anhand des Einzelfalls zu beurteilen, ob die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind. Die Praxis zeigt jedoch, dass die meisten Arbeitgeber etwas grosszügiger sind als das Gesetz. Oft lassen Arbeitgeber oder die entsprechenden Personalverantwortlichen gelten, dass ein Arbeitnehmer ein Arztzeugnis vorlegt, um die entsprechenden Ferientage erneut gutzuschreiben, ohne die Ferienfähigkeit weiter abzuklären.

Verjährung und Verwirkung

Was passiert mit nicht bezogenen Ferien Ende Jahr? Können diese auf das folgende Jahr transferiert werden? Verbreitet ist die Ansicht, dass nicht bezogene Ferien am Ende des Jahres verfallen. Auch allgemeine Arbeitsreglemente sehen oft ähnliche Regelungen vor. Das Bundesgericht hat jedoch gegen die Zulässigkeit solcher Regelungen entschieden. Das heisst, nicht bezogene Ferien werden ohne Weiteres auf die nächsten Jahre übertragen, wodurch sich das Ferienguthaben erhöht. Der Arbeitgeber muss daher den Ferienbezug anordnen, will er exorbitante Ferienguthaben verhindern. Hingegen ist zu beachten, dass der Anspruch auf Ferien nach fünf Jahren verjährt. Dabei sind Ferien, die bezogen werden, mit dem ältesten Ferienanspruch zu verrechnen.

Ferien dürfen auch nicht durch Lohnpauschalen oder Zuschläge abgegolten werden. Dies ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die Berechnung der Ferien sehr schwierig ist (oder bei sehr kurzen Arbeitsverträgen), der Arbeitsvertrag dies vorsieht und die entsprechenden Lohnpauschalen in den Lohnabrechnungen ausgewiesen sind. Spezielle Regelungen über die rein finanzielle Abgeltung nicht bezogener Ferien können bei einer Kündigung zur Anwendung gelangen, insbesondere wenn der Bezug der Ferien keinen Sinn mehr ergibt oder faktisch nicht mehr möglich ist. Bei einer Freistellung ist im Einzelfall zu beurteilen, ob die Ferien noch angeordnet werden können (beziehungsweise ob sie während der Freistellungsdauer als bezogen gelten) oder ob sie zu entschädigen sind.

Der Zeitpunkt der Ferien

Der Arbeitgeber bestimmt den Zeitpunkt der Ferien. Er muss jedoch – soweit möglich und soweit das mit den Interessen des Betriebs vereinbar ist – auf die Wünsche des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen. So dürfen etwa bei einem Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern die Ferien nicht überwiegend ausserhalb der Schulferien angeordnet werden.

Ein eigenmächtiger Ferienbezug durch den Arbeitnehmer ist nur zulässig, wenn sich der Arbeitgeber trotz ausdrücklicher Aufforderungen weigert, Ferien überhaupt oder in der vom Gesetz geforderten Weise zu gewähren. Dabei ist die entsprechende Absicht durch den Arbeitnehmer rechtzeitig anzukündigen, ansonsten setzt er unter Umständen einen Grund für eine zulässige fristlose Entlassung durch den Arbeitgeber.

Ausserdem gilt, dass die Ferien in der Regel im laufenden Dienstjahr zu gewähren sind. 
Sie müssen frühzeitig zugewiesen werden, damit eine vernünftige Planung möglich ist. Als Faustregel wird von einer Frist von etwa zwei bis drei Monaten im Voraus ausgegangen, wobei mindestens zwei Wochen Ferien zusammenhängen müssen. Die übrigen Ferientage sind in der Regel wochenweise, bei beidseitigem Einverständnis tageweise zu beziehen.

Bereits zugesicherte Ferien darf der Arbeitgeber nur in Notfällen verschieben. Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch auf Ersatz des Schadens, der durch die Verschiebung entstanden ist (Annullierungskosten).

Nicht rechtzeitig zurück?

Kommt ein Arbeitnehmer nicht rechtzeitig aus den Ferien zurück, ist für die Rechtsfolge der Grund für die verspätete Heimreise relevant. Es gelten hier die allgemeinen Regeln bei Nicht-Ausführen der Arbeit. Der Arbeitgeber muss den Lohn nur dann weiter zahlen, wenn die Gründe für die Verhinderung in der Person des Arbeitnehmers liegen (zum Beispiel Krankheit oder Unfall). Nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen Verhinderungsgründe, die auf äussere Umstände und höhere Gewalt zurückzuführen sind: Verkehrsstaus, Naturkatastrophen, blockierte Bahnstrecken, Streiks. Eine unfreiwillige Verlängerung der Ferien geht dann zulasten des Arbeitnehmers, was dazu führt, dass bei entsprechenden Absenzen auch kein Lohn geschuldet ist. Ist der Arbeitnehmer jedoch beispielsweise erkrankt und kann deshalb nicht pünktlich zurückkehren, ist der Lohn trotzdem geschuldet.

Ständige Erreichbarkeit

Grundsätzlich ist vom Erholungszweck der Ferien auszugehen. Dies führt dazu, dass wenn der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die ständige Erreichbarkeit erwartet, die entsprechenden Tage nicht als Ferien angerechnet werden können, da sich ein Arbeitnehmer in einem solchen Zustand nicht angemessen erholen kann. Anderes gilt, wenn ein Arbeitnehmer freiwillig den Kontakt zum Arbeitgeber sucht und sich auf dem Laufenden hält. Ebenso gilt die Erreichbarkeit nicht als Ferien, wenn die Erreichbarkeit lediglich für betriebliche Notfälle erwartet und auch nur für solche Fälle beansprucht wird. Dies gilt grundsätzlich auch für leitende Angestellte.

Zu viel bezogene Ferien?

Was gilt, wenn zu viel Ferien bezogen werden? Lässt es der Arbeitgeber zu, dass ein Arbeitnehmer im laufenden Dienstjahr zu viele Ferientage bezieht, ist das meist kein Problem. Der negative Saldo wird in aller Regel im Folgejahr mit dem Ferienanspruch des Arbeitnehmers verrechnet.

Am Ende des Arbeitsverhältnisses werden die bestehenden Ferienansprüche saldiert. Ist der Saldo negativ, konnte der Arbeitnehmer also mehr als die ihm zustehenden Ferientage beziehen, sind die Rechtsfolgen, gerade in den Detailfragen, nicht geklärt. Grundsätzlich gilt aber bei ordentlicher Kündigung, dass zu viel bezogene Ferien bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur «zurückbezahlt» werden müssen, wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Wurden die Ferien durch den Arbeitgeber angeordnet, muss der Rückforderungsanspruch sogar ausdrücklich vereinbart sein. Bei ausserordentlicher (fristloser) Kündigung gilt gemäss einschlägiger Doktrin, dass bei gerechtfertigter fristloser Kündigung durch den Arbeitgeber oder bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung durch den Arbeitnehmer die Rückzahlungspflicht grundsätzlich zu bejahen sei. Bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung durch den Arbeitgeber oder bei gerechtfertigter fristloser Kündigung durch den Arbeitnehmer sei sie hingegen grundsätzlich zu verneinen.

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Nicolas Facincani, lic.iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner und berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. vfs-partner.ch

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