Ein Tag mit …

«Für eine Bundesrätin machen wir Platz in der Agenda»

Einen Nachmittag lang hat Miss Moneypenny die CEO-Assistentinnen von Swisscom begleitet. Sibylle Baumgartner und Amanda Schnegg haben den Tagesablauf von Urs Schaeppi voll im Griff. Und nicht nur den. Auf den Schreibtischen der beiden Assistentinnen landen auch eine Reihe anderer Probleme. 

Einen Tag lang wollte Miss Moneypenny den Assistentinnen des CEO der Swisscom bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Als Sibylle Baumgartner, Leiterin des CEO-Office, nach der Anfrage zurückruft, warnt sie: «Einen ganzen Tag? Das könnte langweilig für Sie werden. Meist schauen wir nur auf den Bildschirm, schreiben und lesen Mails und managen die Agenda.» Wir einigen uns auf einen halben Tag vor Ort am Swisscom-Hauptsitz in Worblaufen. Was man als «Vorzimmer» bezeichnet, ist bei der Swisscom ein grosses offenes Büro mit zwölf Arbeitsplätzen neben einer Glasfront mit fünf Einzelbüros. Hier arbeitet nicht nur CEO Urs Schaeppi, sondern auch der Präsident des Verwaltungsrats, der Leiter Strategie & Board Services, der Finanzchef sowie der Leiter Verwaltungsratsmandate. 

Dinner für den Teamgeist

Sibylle Baumgartner hat ihren Arbeitsplatz gleich links am ersten der drei Vierertische des Büros. Ihr gegenüber sitzt Amanda Schnegg, die zweite Assistentin des CEO. Beide sitzen mit Blick auf das Büro von Schaeppi, das aussieht wie ein normales Sitzungszimmer. Es gibt keinen klassischen Schreibtisch, ein kleines Regal mit ein paar Fächern dient als einzige Ablage. Ordner, Papierstapel, Büroutensilien? Fehlanzeige. «Als er die Position übernommen hat, habe ich ihn gefragt, was er für sein Büro braucht. Aber er wollte nichts, das etwas kos-tet», erinnert sich Baumgartner. Meistens sei ihr Chef ohnehin unterwegs. Vielleicht ein oder zweimal pro Woche arbeitet er am Swisscom-Hauptsitz.

Der Tag unseres Besuchs ist so ein Tag. Neben dem Interviewtermin (siehe Seite 37) ist noch ein Nachtessen mit den Mitarbeiterinnen des CEO-Office geplant. Nach Feierabend gehen alle zusammen in das Berner Restaurant Casa Novo. Das Thema Teambuilding ist wichtig; in der jetzigen Konstellation arbeitet die Abteilung erst einige Monate zusammen. 

Sibylle Baumgartner hat den Job als Leiterin des CEO-Office Anfang 2014 übernommen und das Team von heute fünf Mitarbeitenden neu aufgebaut. Seit 14 Jahren ist sie bereits bei der Swisscom, zuvor als Assistentin des Leiters Network & IT. «Das ist meine erste Führungsposition im eigentlichen Sinne. Aber als Assistentin führt man immer Menschen, auch wenn diese einem nicht unterstellt sind», erklärt sie. Die ersten sechs Monate in der neuen Position seien dennoch eine Herausforderung gewesen, denn als Assistentin sei sie es gewohnt gewesen, allein zu arbeiten. 

Seit letztem November ist sie zusammen mit Amanda Schnegg für Schaeppi zuständig. Schnegg hat schon ihre Ausbildung bei der Swisscom gemacht, hatte dann aber zur Post gewechselt, von wo die Swisscom sie zurückholte und sie mit nur 24 Jahren Assistentin des CEO wurde. Zu Baumgartners Team gehören noch zwei weitere Assistentinnen, die unter anderem den Leiter Group Strategy & Board Services und das gesamte Strategieteam unterstützen, eine Lernende und der Chauffeur des CEO und der Konzernleitung. 

Die einzelnen Aufgaben haben Baumgartner und Schnegg genau zwischen sich aufgeteilt. Baumgartner kümmert sich um das Kreditorenmanagement und die Kreditkartenabrechnungen, die Jahresplanung der Agenda, Management-Complaints, den Konzernleitungssitzungsprozess und die Führung des CEO-
Office. «Mir ist wichtig, dass ich mich mit meinem Team gut ergänze und jeder entsprechend seinen Stärken eingesetzt wird. Sprachen zum Beispiel sind bei uns wichtig. Ich bin in Bezug auf das Französische nicht so talentiert, habe aber den Luxus, dass alle meine Mitarbeiter französisch sprechen und ich sie jederzeit um Hilfe bitten kann», betont Baumgartner. Sie wünscht sich, dass mit solchen Schwächen transparent umgegangen wird: «Wir sind ja alle nur Menschen.» 

Networking im Sinne der Agenda

Im Alltag der Assistentinnen ist vor allem Dranbleiben gefordert: Die Inbox und die Agenda eines CEO sind ständig in Bewegung: «Ich checke mehrmals pro Stunde die Mails. Mein Ziel ist es, schneller zu sein als Urs. Ich versuche die Mails soweit ich kann ohne Nachfragen zu bearbeiten», so Baumgartner. 

An der täglichen Agendaführung hat vor allem Amanda Schnegg viel Freude: «Es ist ein bisschen wie Tetris für Erwachsene», beschreibt sie. Der Kalender von Urs Schaeppi ist dementsprechend farbenfroh: «Bei den gelben Terminen ist er am Telefon, die Fahrten mit dem Chauffeur sind grün, dort kann ich Calls planen, bei denen er allein sein sollte, alles was rot markiert ist, versuchen wir, nicht zu verschieben; zum Teil sind das Termine, die schon mehrmals verschoben wurden, und hellgrün sind Zeiten, die wir blocken, damit er zwischendurch ein paar Freiräume hat, um Mails oder Telefonate  zu erledigen», erklärt Schnegg und betont die Wichtigkeit des Netzwerkens für ihren Job: «Wenn ich mich mit den Assistentinnen anderer CEOs gut verstehe, macht es das natürlich leichter, schnell einen Termin zu finden.» Schaeppi selbst ändert in der Agenda höchstens etwas, wenn er einen privaten Termin einträgt. Den Rest erledigen seine beiden rechten Hände. 

Kurz nach zwei kommt Urs Schaeppi von seinem Lunchtermin zurück. Ein kurzer Blick auf den Bildschirm mit der offenen Agenda zeigt: Er war mit Petra Jenner, der Chefin von Microsoft Schweiz, im Schweizerhof lunchen.

Sibylle Baumgartner begrüsst ihn und überreicht ihm seinen Mac, auf dem sie vorher ein paar Schriften installiert hat. Sie weist ihn darauf hin, dass eine Mitarbeiterin, die gerade ein Baby bekommen hat, sich sicher darüber freuen würde, wenn er kurz gratuliert. Doch daran hat Urs Schaeppi bereits selbst gedacht. Der Umgang ist kollegial: «Bei uns sind alle miteinander per Du», erklärt Baumgartner. Auch der CEO ist hier einfach der Urs. 

Kampf um freie Abende

Dieser unkomplizierte Umgang und die kurzen Wege zum CEO findet Baumgartner in ihrem Job immens wichtig: «Ich brauche den Sichtkontakt, um zu wissen, ob er im Gespräch ist und wann ein guter Moment ist, ihn anzusprechen.» Rein formal ist sie zwar dem Leiter Strategy & Board Services unterstellt, im Alltag hat sie aber vor allem mit Urs Schaeppi zu tun. Sie weiss, was er braucht, um sich möglichst frei von organisatorischen Problemchen um die Belange des Unternehmens kümmern zu können: «Er schätzt es, vor 9 Uhr keine Termine zu haben, denn seine Tage sind auch so schon ziemlich lang.» Zweimal pro Woche versuchen die Assistentinnen ausserdem, ihm den Abend freizuhalten. Gelingen tut das nicht immer: «Ich könnte ihn jeden Abend verbuchen. Wir haben aber am Anfang unserer Zusammenarbeit besprochen, dass wir ihm wenn möglich zwei Abende freihalten. Fragt dann aber eine Bundesrätin an, machen wir natürlich Platz in der Agenda. Das können wir nicht steuern.» 

Um 14:21 meldet sich der nächste Termin von Schaeppi. Er sitzt im Raum B3.012 und muss jetzt abgeholt werden. Amanda Schnegg, die unter vielem anderen für die Gästebetreuung zuständig ist, macht sich auf den Weg durch das Gebäude, um den Mann aus dem Sitzungszimmer abzuholen und zum CEO zu begleiten. 

Ausserdem ist Schnegg für die Agendaführung auf täglicher Basis zuständig, sie bedient das Telefon im CEO-Office, bearbeitet den physischen Posteingang und die Briefkorrespondenz. Besonders die Kundenreklamationen, die oft per Post eintreffen, haben hohe Priorität. Kunden, die schon länger mit einem Problem kämpfen und auf normalem Weg über die Callcenter zu keiner Lösung kommen, adressieren ihr Anliegen nicht selten an den CEO persönlich. «Zum Teil sind das sehr ausführliche handgeschriebene Briefe», so Schnegg. Sie nimmt sich dieser Fälle an, fasst die Inhalte verständlich zusammen, leitet sie an den Kundenservice und an Schaeppi weiter. Für ihn ist es wichtig zu sehen, wo den Kunden der Schuh drückt. Zusammen mit den Experten klärt Schnegg dann, wie sich die Fälle lösen lassen. Zum Teil antwortet Urs Schaeppi den Kunden dann persönlich. Die Reklamationen gehören zu den wenigen Dokumenten, die bei Schnegg und Baumgartner noch in Papierform abgelegt sind. Der Rest ist elektronisch. 

CEO ein Jahr im Voraus verplant

Um 14:50 startet das Team-Meeting. Es liegt in der Regel so, dass auch Schaeppi während dieser Zeit in einer Sitzung ist: «Wir möchten immer für ihn ansprechbar sein, wenn er etwas braucht. Auf dieser Ebene herrscht nun einmal ein gewisser Qualitätsanspruch», findet Baumgartner. Das Telefon wird trotz Meeting abgenommen, der Austausch dann kurz unterbrochen. Doch generell, so Baumgartner, klingle ihr Telefon nicht sehr oft. Die meisten Anliegen würden per Mail erledigt, denn das störe weniger bei der Arbeit. 

Die Themen im Team-Meeting sind breit: Zuerst geht es um die Agendaplanung 2016. Zu diesem Zeitpunkt Anfang August ist sie bereits weitestgehend abgeschlossen. Schon jetzt steht fest, wann Schaeppi 2016 in die Ferien gehen kann. Ein weiteres Thema ist das Geburtstagsgeschenk für den Leiter Strategie: Drei Flaschen Rotwein kommen aus dem CEO-Office. Seine Assistentin erhält den Ratschlag, vielleicht nicht das Gleiche zu schenken. Dass Urs Schaeppi per SMS gratuliert, wird ebenfalls kurz erwähnt. 

Mit dem Chauffeur René Schär werden die anstehenden Termine und offene Fragen besprochen. Reicht die laut Agenda eingeplante Zeit für eine Fahrt nach Chur? Kann er unterwegs noch ein Konzernleitungsmitglied mitnehmen?

Die Sitzordnung im Büro, die bei einer vorherigen Sitzung schon einmal Thema war, wird nochmal aufgegriffen. Die beiden Assistentinnen, die zwar zu Baumgartners Team gehören, aber nicht für den CEO zuständig sind, hatten vorgeschlagen, näher bei Baumgartner zu sitzen. Wegen des Teamgedankens. Diese findet die Idee zwar gut, hat aber mit ihrem direkten Vorgesetzten entschieden, dass die beiden dann zu weit weg von jenen sind, denen sie assistieren, und dass eine neue Sitzordnung mehr Nach- als Vorteile hätte: «Die Kundenperspektive geht vor. Das können wir leider nicht umsetzen. Aber vielleicht haben wir ja andere Ideen, was wir für das Teambuilding tun können», ermuntert sie ihre Mitarbeiterinnen. 

Nächster Agendapunkt: die Datenablage. Die Daten sind zum Teil noch auf traditionellen File-Servern abgelegt, sollen jetzt aber gezügelt werden, damit alle auf die gleichen Daten zugreifen können. Alle werden angehalten, sich über eine sinnvolle Struktur Gedanken zu machen. Ebenfalls Thema ist das Onboarding von zwei neuen Mitarbeitern, die am 1. September anfangen. Sie sollen verschiedene Bereiche durchlaufen, die Schüsselpersonen kennenlernen, erst einmal ankommen. «Das zu organisieren, ist Fleissarbeit, die aber sehr geschätzt wird», erklärt Baumgartner. 

Wer sich vorstellt, dass die Assistentinnen eines so hochrangingen CEO quasi rund um die Uhr im Einsatz sind, täuscht sich. «Ich fange meist um halb acht an und gehe gegen 18 Uhr nach Hause.» Nur am Montag ist für Sibylle Baumgartner sozusagen Grosskampftag. Dann tagt die Konzernleitung und sie protokolliert. Um nicht am Dienstagmorgen für operative Aufgaben blockiert zu sein, schreibt sie das Protokoll jeweils am Montagabend: «Wenn ich nach Hause komme, gibt es ein Glas Rotwein und eine Zigarette und dann schreibe ich im Garten oder auf der Terrasse die 10 bis 20 Seiten Protokoll.» Darüber, dass sie von überall aus arbeiten kann, ist sie sehr froh. «So kann ich auch mal an einem Sonntag auf der Rückfahrt vom Tessin kurz die Mails checken und bin dann gut auf den Montag vorbereitet».

Kommentieren 0 Kommentare

Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

Weitere Artikel von Stefanie Zeng
Log in to post a comment.

KOMMENTARE

ADD COMMENT

Das könnte Sie auch interessieren