Berufsbild Assistenz

Herrinnen der Lage

Miss Moneypenny ist genau ein Jahr alt. Ein guter Anlass, um mit fünf ­Assistentinnen und einem Assistenten über das Berufsbild, das Selbst­verständnis und den Chef zu diskutieren.

Frau Zahnd, Sie sind seit 35 Jahren Assis­tentin. Wie hat sich der Job in all der Zeit entwickelt?

Ursula Zahnd: Damals hatte ich noch viel mehr einen Assistenzjob im klassischen Sinne, vor allem mit sehr viel Korrespondenz. Der Stenoblock und eine Kugelkopfschreibmaschine mit Korrekturband waren die wichtigsten Utensilien, um viele Briefe zu schreiben. Durch die modernen Medien sind die Chefs heute viel selbständiger und beantworten vieles selbst. Und seit E-Mails die Briefe ersetzen, geht die Korrespondenz auch schneller. Darum besteht der Job heute viel mehr aus Office Management als aus Assistenz.

Manuela Leonhard: Ich finde vor allem, dass die Informationsmenge extrem zugenommen hat. Neben E-Mails und Briefen für die Stadtpräsidentin und für mich, kommen noch die so­zialen Medien hinzu. Ich bin sehr vernetzt auf Facebook, Xing, LinkedIn und kontrolliere diese Kanäle jeden Tag. Ich versuche immer als erste zu liken, wenn etwas über meine Chefin gepostet wird. Das ist ein Wettlauf gegen die Zeit. (lacht).

Wie geht die Entwicklung weiter? Werden sich die Vorgesetzten noch mehr selbst organisieren?

Leonhard: Vielleicht, aber ohne Assistentinnen geht es auf oberster Ebene nicht. Es braucht die klassische Perle im Vorzimmer, die eine Allroundbetreuung sicherstellt. Auf Kaderebene ist das vielleicht etwas anders. Kaderchefs sind heute schon viel selbständiger. Wenn sie eine Assistenz haben, dann ist diese oft noch in Projekte eingebunden.

Fühlen sich beim Wort Perle alle angesprochen?

Sandra Heim: Ich werde auch häufiger so vorgestellt. Oder als gute Fee. (alle lachen). Ich deute das aber als Anerkennung. Wenn mich mein Chef als die Person vorstellt, «die an alles denkt», zeigt mir das, er weiss, dass er sich auf mich verlassen kann. Ich denke auch, dass es unsere Position auf der obersten Ebene immer geben wird. Die Geschäftsleitung ist ein People Business. Der Chef braucht jemanden, der mit ihm vorausdenkt. Das kann man nicht ersetzen. Auf tieferen Ebenen wird aber sicher mehr und mehr auch einmal eine Assistentin geteilt oder ganz gestrichen.

Herr Weiss, werden Sie auch mal als Perle bezeichnet?

Christian Weiss: Nein, sicher nicht. (lacht). Aber ich gehe mit den Damen überein, dass die Funktion unverzichtbar ist. Vor allem auch aufgrund des Netzwerks, das sich eine Assis­tentin aufbaut, wenn sie länger dabei ist. Sie kennt die Leute, die Leute kennen sie, das vereinfacht die Abläufe. Zum anderen hat sie ein enormes Dossier-Wissen. Sie sieht jeden vertraulichen Bericht, kann alle Protokolle lesen und hat Zugriff auf Informationen, die andere nicht haben. Und auch wenn sie da und dort ein Schattendasein fristet, ist sie ein wichtiger Sparringspartner für den Chef.

Heim: So sehe ich meine Position auch. In den acht Jahren hat sich meine Rolle extrem ­gewandelt. Am Anfang war ich noch eher ­zurückhaltend und habe in den Sitzungen ­geschaut, dass mein Protokoll vollständig ist. Heute rede ich in den Sitzungen auch mal mit und obwohl ich keine Entscheidungsbefugnis habe, wird meine Meinung abgeholt, gehört und geschätzt.

Frau Fellmann, wie geht Ihnen das? Sie sind erst seit einem Jahr im Job, reden Sie in Sitzungen auch mit?

Caterina Fellmann: Ich habe letztes Jahr im Juli begonnen, als Executive Assistant zu ­arbeiten. Nach einem viertel Jahr hatten wir einen Ausfall im Management und von da an lief viel Arbeit über meinen Schreibtisch. Im Unternehmen war man froh, dass wenigstens ich da war und wusste, was läuft. Zusammen mit den Mitarbeitern und dem restlichen ­Management habe ich den Betrieb aufrecht erhalten. Das war Krisenmanagement pur. Mein neuer Chef ist zum ersten Mal CEO. Er wollte am Anfang alles selber machen und hat der Zentrale gesagt, sie könnte alle Anrufe direkt zu ihm durchstellen (alle lachen). Natürlich wollte Hinz und Kunz dann immerzu den CEO sprechen. Irgendwann hat er dann ein­gesehen, dass es gut ist, eine Assistentin zu haben. Jetzt sind wir dabei herauszufinden, wie wir uns am besten organisieren. Aber ein fixes Jobprofil habe ich heute noch nicht.

Zahnd: Das ist doch ein gutes Beispiel, wie wichtig der Job ist.

Heim: Vor allem wenn wir nicht da sind, fällt auf, wie viel Arbeit wir von den Chefs fern­halten.

Wie schwer fällt es, sich in der Position auch mal abzugrenzen? Oder klar zu ­machen, dass gewisse Aufgaben, wie zum Beispiel Kaffee bringen, nicht zum Job­profil gehören?

Zahnd: Ich habe kein Problem damit, den Kaffee zu bringen. Ich mache das nicht automatisch von mir aus, aber wenn mein Chef mich darum bittet, bin ich mir nicht zu schade. Wenn er Gäste hat, bringe ich schliesslich auch Getränke. Nur einmal habe ich mich geweigert: Ein Fernseh-Team wollte, dass ich in einer Aufnahme dem Chef Kaffee hinstelle. Darauf reduziert zu werden, war nicht mein Ding.

Heim: Wir bringen uns auch mal gegenseitig Kaffee. Aber wenn das als Teil des Jobs vorausgesetzt würde, hätte ich Mühe.

Leonhard: Die heutigen Assistentinnen erziehen ihre Chefinnen und Chefs auch. Gibt es den klassischen Chef, der solche Sachen verlangt, überhaupt noch?

Wohin verändert sich der Job? Oder welche Veränderungen wünschen Sie sich?

Nicole Künzi: Mir erscheint das Berufsbild so ausgeklügelt, dass schwer vorstellbar ist, wo die Reise noch hingehen soll. Sicher werden manche Sachen technologisch noch einfacher werden, aber das birgt natürlich auch wieder das Risiko, dass Teile des Jobs nicht mehr gebraucht werden. Letztlich ist es wie bei der Technologie, da kann man sich auch nie vorstellen, was noch kommen soll. Aber ich denke, die Veränderungen werden sich nicht mehr so schnell vollziehen.

Leonhard: Ich glaube, das Gespür für Menschen wird in unserem Job immer wichtiger. Die Technologie kann sich noch so weit entwickeln, das Zwischenmenschliche entscheidet. Ich erlebe es oft, dass Kaderleute vor ihrem Termin bei meiner Chefin ihren Ballast bei mir abladen und sich ihr gegenüber nichts anmerken lassen. Unglaublich! Ich muss dann schon sehr genau unterscheiden und kanalisieren können, was ich von meinen Informationen an sie weitergebe und womit ich sie besser nicht belaste.
Künzi: Für mich ist auch gerade der Austausch über Situationen und Personen, zentraler Teil meines Jobs. Das macht ihn interessant und wichtig.

Weiss: Vor allem für den Chef ist das unentbehrlich. Es heisst nicht umsonst, dass es nirgends so einsam ist wie an der Spitze. Ein Vorgesetzter ist auf das Feedback einer Vertrauensperson angewiesen. Bei einem Peer kann er das nicht immer abholen, der sägt vielleicht schon an seinem Stuhlbein.

Wir haben vorher davon gesprochen, dass man den Chef erziehen kann. Geht das wirklich?

Fellmann: Erziehen ist vielleicht zu viel gesagt, aber eine Assistentin hat Einfluss. Und zwar mehr als sich die meisten bewusst sind. Wenn ein Mitarbeiter beim Chef eine Verän­derung durchbringen will, geht das sicher schneller und einfacher, wenn ich das gleiche Thema auch nochmal bei ihm platziere. Wir können mehr mitreden, als viele meinen.

Heim: Ich würde es auch nicht erziehen nennen. Es ist mehr ein Zusammenwachsen. Aber es gibt Grenzen: Ich probiere meinem Chef schon lang die papierne Agenda auszureden, denn der Abgleich mit der elektronischen ist nicht immer einfach. Aber bisher sind meine Versuche gescheitert.

Zahnd: Einige Eigenheiten bringt man nicht weg und muss damit leben.

Erfolgt die Anpassung immer nur von Seiten Assistentin oder macht der Chef auch mal einen Schritt auf sie zu?

Leonhard: Ich kenne eine Assistentin, die war jahrzehntelang im gleichen Betrieb und hatte viele unterschiedliche Vorgesetzte, die allesamt grossen Respekt vor ihr hatten, denn sie hatte die Zügel fest in der Hand und war durch ihr Know-how unverzichtbar. Veränderungswünsche waren bei ihr nur schwer durchsetzbar. Das gibt es also schon. Meine Chefin und ich haben aber gemeinsam entschieden, wie wir in Zukunft zusammen­arbeiten wollen. Jede hat ihre Vorschläge eingebracht und sie hat auch von mir Kritik an­genommen. Wenn die Chefin oder der Chef Vertrauen hat, kommt sie oder er sicher auch den Wünschen einer Assistentin entgegen. Ich kenne aber auch anderes, wo Assistentinnen sich die Türklinke in die Hand geben, weil die Vorgesetzten stur sind. Da verwundern einen die vielen Wechsel auch nicht.

Mit dabei:

  • Nicole Künzi, Assistentin Leitung Informationsmanagement und Technologie, Die Schweizerische Post
  • Ursula Zahnd, Assistentin CEO, Swiss International Air Lines
  • Sandra Heim, Assistentin CEO und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung bei hotelleriesuisse
  • Manuela Leonhard, Präsidialdepartement Stadt Zürich, Assistentin der Stadtpräsidentin
  • Christian Weiss, Head of staff CEO a.i., Skyguide
  • Caterina Fellmann, Executive Assistant, ­Sodastream

Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Künzi: Durch meine Art entspricht mir der Job einfach. Ich helfe und unterstütze gern, muss aber nicht unbedingt im Vordergrund stehen und brauche auch nicht jeden Tag sofort die Anerkennung für meine Arbeit. Mir gefällt es, jemandem die Arbeit zu erleichtern und so etwas Positives zum Geschäftsgang beizutragen. Denn wenn es dem Chef gut geht, hilft das dem grossen Ganzen. Und der Job ist einfach extrem spannend, das sind sich viele nicht bewusst.

Erleben Sie das alle manchmal, dass der Job unterschätzt wird?

Leonhard: Die meisten Leute wissen, was sich dahinter verbirgt. Am schönsten ist es, wenn Altbundesrat Leuenberger vorbeikommt. Er erzählt mir immer, was für einen wichtigen Job ich habe. An meinem Pult habe ich auch ein Schild auf dem steht «Herrin der Lage». Ich sag im Spass immer, wenns meiner Chefin gut geht, gehts der Stadt Zürich auch gut und was will man mehr.

Weiss: Das mit dem Schild gefällt mir, denn es bringt den speziellen Reiz des Jobs auf den Punkt. Auch wenn man natürlich nicht ganz immer Herr der Lage ist. Aber die Drehscheibenfunktion ist faszinierend. Das, was man auf den ersten Blick sieht: E-Mails, Termine, Besuch begleiten macht vielleicht 20 Prozent des Jobs aus. Die restlichen 80 Prozent aber bringen einen in die Lage, dass man neben dem Chef die einzige Person ist, die den Überblick behält. Und ja, das wird oft unterschätzt.

Warum werden so wenige Männer Assis­tenten?

Weiss: Vielleicht lassen sie sich vom Wort Assistent abschrecken und wollen lieber Chef sein.

Heim: Das tönt extrem klischeehaft, aber ich fürchte der Grund ist in dieser Richtung zu suchen.

Weiss: Wenn der Job vielleicht Office Manager hiesse, würde man vielleicht zwei bis drei Prozent mehr Männer anziehen.

Heim: Schlussendlich ist es auch genau das. Ich bin mehr Office Managerin als Assistentin. Natürlich besteht der Job auch daraus, Dienstleister zu sein. Aber hauptsächlich bin ich Sparringspartner für meinen Chef. Es ist nicht so, dass ich immer auf Anweisungen warte und dann meine Dienste erbringe. Ich kann auch weiterarbeiten, wenn er in den Ferien ist. Mit allem anderen hätte ich auch Mühe.

Zahnd: Je nachdem gibt es umso mehr zu tun, wenn der Chef verreist ist.

Heim: Alles andere wäre ja schlimm. Zumal er die Hälfte der Zeit ja gar nicht sieht, was ich mache. Er kennt das Resultat, aber im einzelnen hat er wenig Einblick in meine Arbeit.

Zahnd: Ich habe das Gefühl, ganz viele Chefs wissen gar nicht, was wir alles machen. Sie wissen bloss, was sie uns selbst aufgetragen haben, aber was hintenrum noch automatisch gemacht wird, ist ihnen nicht bewusst.

Fellmann: Und nicht nur den Chefs. Zum Teil auch den Mitarbeitern. Es ist nicht leicht zu sehen, was eine Assistentin den ganzen Tag macht. Denn oft gibt es keine sichtbaren Resultate. Das führt zu Missverständnissen.

Zahnd: Es geht uns vermutlich allen so, dass sie sich am Abend fragen, was sie eigentlich gemacht haben. Trotz acht Stunden intensiver Arbeit ist nicht immer ein Resultat sichtbar.

Weiss: Weil man zu einem gewissen Mass fremdgesteuert ist.

Heim: Aber gerade von anderen CEOs, die auch eine Assistentin haben und wissen, was sie ihr verdanken, bekomme ich viel Anerkennung. Es sind eher Leute, die mein berufliches Umfeld wenig kennen, die manchmal das ­Gefühl haben, man habe in dem Job keine Perspektiven und bringe nur Kaffee.

Apropos Perspektiven. Herr Weiss, Sie ­haben gesagt Männer wollen lieber Chef sein. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Weiss: Wenn man so eine Funktion hat, ist man de facto in einer Chefrolle, finde ich.

Heim: Obwohl man keine Entscheide fällen kann?

Weiss: Wenn ihr ehrlich seid, könnt ihr das schon. Ihr fällt jeden Tag Dutzende von Entscheiden.

Heim: Aber keine geschäftsrelevanten oder zumindest nicht in letzter Konsequenz.

Weiss: Was man als Assistent entscheidet und an Entscheidungsgrundlagen vorbereitet, ist sehr wohl geschäftsrelevant. Die Qualität, in der man seine Arbeit zur Verfügung stellt, hat einen grossen Einfluss. Man ist vielleicht nicht selbst Chef, aber sehr nah dran.

Wie gut sind die Chancen, sich aus der Assistenz weiterzuentwickeln?

Weiss: Als Direktionsassistent ist man an einem hervorragenden Ort, um in verschiedene Departemente reinzuschauen. Je nach Stärken und auch Netzwerk kann man sich so relativ einfach weiterentwickeln. Die Position ist ein ideales Sprungbrett. Aber die Vorteile, die die Assistenz mit sich bringt, fallen dann weg.

Heim: Intern ist es sicher leichter sich zu entwickeln. Extern weiss ich es nicht. Aber ich bin jetzt an einem so interessanten Ort, ich kann mir gar nichts Besseres vorstellen. Man muss für den Job halt Generalist sein, mit vielen Informationen umgehen können, ein Gespür für Menschen haben, netzwerken können und Sparringspartner sein. Aber wenn ich sage, man muss der Typ sein, meine ich nicht, dass man der Helfertyp sein muss.

Fellmann: Eine Assistentin muss für alles offen sein. Am Morgen weiss man oft nicht, was der Tag bringt. Zum Teil kommen Herausforderungen, von denen ich nie gedacht hätte, damit je konfrontiert zu sein.

Künzi: In der Weiterbildung zur Direktionsassistenz hatten wir das Fach Arbeitstechnik und es ging darum, in einem Buch jeden Morgen aufzuschreiben, was man wann erledigt und wie lange jede Aufgabe dauert. Auch E-Mails sollte man nur zu bestimmten Zeiten lesen und zwischendurch anderes erledigen. Das ist eine Illusion. Es kommt so viel Unvorhergesehenes, man hat keine Chance seinen Tag auf eine solche Art zu planen.

Möchte von Ihnen jemand Chef werden?

Kopfschütteln bei allen.

Weiss: Schon zu viel gesehen?

Heim: Man muss der Typ dafür sein. Ich habe zum Beispiel das Glück, dass ich in meinem Job viele Reden schreiben darf. Ich liebe das. Aber wenn ich die Reden halten müsste, ich würde sterben. Wenn ich jedoch zuhöre und sehe, wie die Leute reagieren, ist das für mich eine grosse Anerkennung.

Weiss: Beim zehnten Mal wird es auch besser ...

Heim: Ja schon, aber es fehlt mir nicht. Und die Verantwortung ...

Weiss: Das ist ein spannender Punkt. Frau Heim hat das Talent zum Reden schreiben, jemand anders hat vielleicht ein technisches Flair. Ich denke, dass man neben dem normalen Assistentendasein ohne all zu grosse Probleme ein zweites Expertenstandbein aufbauen kann. Es muss ja nicht immer eine Führungsposition sein, es gibt auch Fachexperten. Falls einem der Assistenzjob überhaupt zu wenig wäre und man sich weiterentwickeln möchte.

Künzi: Unser Job ist so vielfältig und ich habe manchmal das Gefühl, da kommt jeden Tag neuer Input und ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie einem als Assistentin lang­weilig werden kann.

Beobachten Sie einen Trend dazu, Assis­tentinnen solche Zusatzaufgaben zu übertragen? HR, Marketing, Projekt­mana­ge­ment?

Fellmann: Ich habe tatsächlich die Verantwortung für die ganze IT. Innerhalb eines Jahres habe ich mir ein umfassendes Wissen über Telefonanlagen und Computer aneignen müssen und mittlerweile landet alles, was IT angeht, erst einmal auf meinem Tisch. Unser Support sitzt in Israel und ist nicht so schnell greifbar.

Heim: Das zeigt wieder, wie unterschiedlich der Job von jeder Einzelnen ausgeprägt ist. Jede hat noch ein Spezialgebiet oder ein Steckenpferd und es ist doch gut, wenn der Job ein bisschen auf die jeweilige Person zugeschnitten ist.

Was halten Sie von Jobsharing in der Assistenz?

Zahnd: Wenig. Wir kumulieren so viel Wissen und können im Voraus reagieren, oft bevor der Chef überhaupt das E-Mail gelesen hat. Das mit jemandem zu teilen, ist fast unmöglich. Das müssten zwei sein, die gewohnt sind zusammenzuarbeiten, ich kann mir das nicht vorstellen.

Heim: Wenn man davon ausgeht, dass sich zwei eine Stelle fünfzig fünfzig teilen, bekommt man nur die Hälfte der Informationen mit. Das muss man dann zusätzlich zur eigentlichen Arbeit noch nachlesen, mit dem Problem, dass in Protokollen auch wieder nur die halbe Wahrheit drinsteht.

Künzi: Alles, was zwischen den Zeilen passiert, bekommt man auch nicht mit. Aber ­genau diese Zwischentöne sind wichtig für unsere Arbeit. Schon bei der Ferienvertretung ist es nicht einfach, aber Jobsharing wäre eine grosse Herausforderung.

Weiss: Was haltet ihr von Assistenzpools auf Top-Level?

Zahnd: Nicht so viel. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll. Jeder Chef ist so individuell, jeder hat seine Eigenheiten und die Assistentin weiss genau, wie sie ihn nehmen muss. Bei einem Pool müsste jede Assistentin auf jeden Manager so eingehen können. Zum Teil bekomme ich Anweisungen, die nur aus einzelnen Worten bestehen, aber ich weiss trotzdem ganz genau, was mein Chef eigentlich sagen will. Wir wissen, wie sie denken und was sie denken.

Künzi: Manchmal erhascht man bloss ein paar Wortfetzen von einem Telefon und weiss genau, gleich steht er neben mir und ich soll was organisieren. In einem Pool ginge so etwas unter. Jede Assistentin müsste ihre Fühler gleichzeitig bei mehreren Chefs haben.

Fellmann: Eine Kollegin von mir arbeitet in einem solchen Pool. Ich finde das gut, wenn mal jemand ausfällt oder Ferien hat.

Fühlen Sie sich oft als Einzelkämpferinnen?

Leonhard: Frau Mauch hat neben mir noch eine weitere rechte Hand, die Stabschefin. Mit ihr kann ich mich sehr gut über alles austauschen, denn sie ist genau wie ich in einer Funktion, in der sie nicht viel reden kann. Manchmal brennt es wirklich auf den Nägeln und muss einfach raus. Dann kann ich zu ihr gehen.

Zahnd: Bei mir sind es die anderen GL-Assis­tentinnen. Wir sind vier und treffen uns regelmässig. Da kann man wirklich auch mal den Kopf leeren und weiss, es bleibt in diesem Kreis und wird nicht weitergetragen. Schliesslich haben alle die gleichen Probleme. Der Austausch ist sehr wichtig.

Heim: Ich bin als sehr kommunikative Person auch darauf angewiesen, mich auszutauschen. Bei mir ist es der Leiter Kommunikation, der auch bei allen Sitzungen dabei ist, und drum auch weiss, was läuft. Es ist wichtig, die richtigen Leute dafür zu haben.

Meist ist der Chef ein Mann. Bei Ihnen, Frau Leonhard, nicht. Inwiefern ist das Verhältnis anders?

Leonhard: Ich kann mich mit einer Frau oft vertiefter austauschen und auch mal Gespräche von Frau zu Frau führen. Ich kann mit Frau Mauch auch gut über private Probleme reden. Und sie lässt mich so sein, wie ich bin. Ich kann meine Persönlichkeit in diesem Job voll ausleben, gehe an viele Anlässe und weiss, dass ich dort ihre Visitenkarte bin. Das finde ich total schön und das bringt mir auch viel fürs Netzwerk. Ich kenne aber auch Frauen, die keine weiblichen Vorgesetzten wollen. Aber wir haben uns gefunden und sind ein absolutes Dreamteam.

Künzi: Mein Chef ist ein ausgeprägter Frauenversteher, er hat fünf Kinder, vier davon Mädchen und ist so immer von Frauen um­geben.

Zahnd: Die Familienkonstellation macht ­ohnehin viel aus. Man merkt schnell, ob ein Chef Töchter hat oder mit Schwestern aufgewachsen ist.

Wie wichtig ist die Ausbildung zur Direk­tionsassistentin?

Künzi: Assistentin ist man oder eben nicht –mit oder ohne Weiterbildung. Aber mir persönlich hat die Weiterbildung den Horizont geöffnet. Wir haben viel über Betriebswirtschaft, Projekt- oder Eventmanagement gelernt. Ich denke zwar nicht, dass ich meinen Job jetzt besser kann oder anders mache, aber für mich persönlich hat diese Weiterbildung viel gebracht und das ist genauso wichtig.

Heim: Es ist für das Ansehen eines Berufes gut, wenn es auch eine entsprechende Ausbildung gibt. Oder auch ein Fachmagazin wie Miss Moneypenny. So kann das Verständnis für unser Berufsfeld wachsen, das finde ich ziemlich wichtig.

Zahnd: Mir hat die Ausbildung eine gewisse Sicherheit gegeben. Ich habe ein breites theoretisches Wissen erlangt, dass ich dann auch in der Praxis verwenden konnte.

Fellmann: Ich habe die Ausbildung absolviert, um überhaupt Assistentin werden zu können. Ohne den Abschluss hätte ich keine Chance gehabt. Meist suchen Unternehmen Assistentinnen ab 30 Jahren und mit Erfahrung. Wenn man jünger ist, wird einem der Job nicht zugetraut.

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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