Vereinbarkeit von Karriere und Familie
Jeannine Tanner ist seit über acht Jahren in verschiedenen Funktionen bei IWC Schaffhausen tätig. Aktuell arbeitet die 34-Jährige, die 2024 Mama geworden ist, in einem 60-Prozent-Pensum als Executive Assistant to Chief People Officer René Behr sowie als People Experience Manager. Ein Beispiel dafür, dass Verantwortung kein Pensum kennt.

Foto: Aniela Lea Schafroth
Offen, fröhlich und engagiert: Diese drei Adjektive beschreiben Jeannine Tanner treffend. Sie ist ein Mensch, der andere mit ihrer Ausstrahlung sofort in ihren Bann zieht, und wenn sie lacht, dann lacht man mit. «Ich war schon immer eine fröhliche Persönlichkeit», sagt die 34-jährige Executive Assistant to Chief People Officer René Behr sowie People Experience Manager, die wir an diesem Vormittag an ihrem Arbeitsplatz bei IWC Schaffhausen besuchen. Der Hauptsitz der Schweizer Luxusuhren-Manufaktur im Herzen von Schaffhausen ist ein mondäner Ort.
Wie das Produkt, so die Räumlichkeiten: stilvoll und edel, und doch alles andere als steif. Das liegt wohl daran, dass man bei IWC eine Du-Kultur und ein herzliches Miteinander pflegt und auch sonst viel für die Mitarbeitenden tut – angefangen von Benefits wie Verpflegungs- und Nahverkehr-Abonnement-Zuschüssen über eine 40-Stunden-Woche bis hin zu finanzieller Unterstützung bei der externen Kinderbetreuung, lobt Tanner ihren Arbeitgeber. Seit 2017 ist sie nun ein Teil des 1868 vom amerikanischen Uhrmacher und Unternehmer Florentine Ariosto Jones als International Watch Company gegründeten Unternehmens, das seit dem Jahr 2000 zum Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont gehört.
Interner Karriereschritt
Auf IWC Schaffhausen aufmerksam geworden ist die gebürtige St. Gallerin, als sie 2017 aufgrund ihres damaligen Freunds einen Stellenwechsel in die Stadt am Hochrhein in Betracht zog. «Ich habe mich gefragt: Wo möchte ich arbeiten? Als ich auf der Website von IWC die ausgeschriebene Stelle als Executive Assistant für den HR Director, heute Chief People Officer, entdeckte, bewarb ich mich sofort. Der Mix der verschiedenen Tätigkeitsbereiche sprach mich auf Anhieb an.»
Wenige Tage später wird Tanner zum Gespräch eingeladen, und nach drei Interviews steht fest: Es passt, sie bekommt die Stelle. Das ist nun über acht Jahre her. In ihrer damaligen Funktion betreut sie nicht nur den CPO als persönliche Assistentin, sondern organisiert auch Mitarbeiterevents, engagiert sich in der internen Kommunikation und wirkt an weiteren Projekten mit. So startet sie beispielsweise gemeinsam mit einer Kollegin ein internes BGM-Programm, das bis heute besteht und kontinuierlich weiterentwickelt wird.
2022 macht Tanner einen entscheidenden Karriereschritt: «Nachdem ich unseren CEO während rund sechs Monaten ad interim zusätzlich zu meinen bisherigen Aufgaben unterstützen durfte, wurde ich zur Executive Assistant to CEO und CPO befördert und konnte erstmals eine kleine Führungsverantwortung übernehmen.» So betreute sie zusammen mit einer ihr unterstellten Kollegin von da an beide Offices. «Ich schätzte diese Zusammenarbeit, da sie den hektischen Assistenzalltag doch oft sehr erleichterte.»
Durch diesen Wechsel rutscht Tanner allerdings fast vollständig in die klassische Assistenzrolle: «Ich war fast ausschliesslich für meine beiden Vorgesetzten tätig, weil die Vielzahl an koordinativen Aufgaben kaum Zeit für weitere Projekte liess.» So verantwortet Tanner in dieser Zeit das gesamte Agenda- und Reisemanagement, das grosse Koordinationsaufgaben bis hin zu Visaformalitäten mit sich bringt. Das erklärt sich dadurch, dass IWC seinen Hauptsitz zwar in Schaffhausen hat, weltweit aber in über 30 Ländern präsent ist. Auf den Reisen ihrer Chefs ist Jeannine Tanner aber jeweils nicht selbst mit dabei: «Die Fäden zog ich im Hintergrund und stimmte mich jeweils eng mit unseren lokalen Brand-Managerinnen und -Managern und den Teams vor Ort ab.» Einzige Ausnahme: Zwei Mal konnte sie den CEO in ihrer neuen Funktion an die Uhrenmesse «Watches and Wonders» in Genf begleiten: «Das war einerseits natürlich sehr spannend, gleichzeitig aber auch herausfordernd, da ich beim Agendamanagement vor Ort einen kühlen Kopf bewahren musste bei all diesen kurzfristigen Änderungen und eng getakteten Zeitplänen, aber ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen.»
Familie und neuer Fokus
Im Jahr 2024 wird die damals 32-jährige Mutter einer Tochter. Von Anfang an war für sie klar, dass sie nach der Elternzeit in den Beruf zurückkehren wollte, allerdings nicht mehr zu 100 Prozent. «Ich entschied mich bewusst für ein Pensum von 60 Prozent. Es war mir wichtig, zwei Tage pro Woche für meine Tochter da zu sein und sie aufwachsen zu sehen, gleichzeitig aber berufstätig zu bleiben.»
Für Tanner ist es zentral, den Anschluss im Arbeitsalltag nicht zu verlieren, um sich auch eine finanzielle Unabhängigkeit zu bewahren. «Inzwischen ist die Arbeit für mich zu einem wichtigen Ausgleich zum Familienalltag geworden. Die Reduktion von 100 auf 60 Prozent ist keine Selbstverständlichkeit, klappt aber tadellos, denn in einem offenen Gespräch mit ihrem Vorgesetzten ergibt sich die Lösung, dass Tanner nach ihrer Elternzeit in einer neuen Doppelfunktion zu IWC zurückkehrt: als Executive Assistant des CPO Réne Behr und zugleich als People Experience Manager, eine Rolle, in der sie auch HR-Projekte verantwortet. «Das entsprach genau meinem Interesse», sagt sie.
Ihr 60-Prozent-Pensum verteilt sie auf Montag, Mittwoch und Donnerstag. Je nach Situation liegt der Schwerpunkt stärker bei den Assistenzthemen oder bei den HR-Projekten. «Beide Seiten zeigen dafür grosses Verständnis», sagt Tanner. «Ein grosser Vorteil ist natürlich, dass mein Chef mein Engagement in den verschiedenen Projekten nicht nur versteht, sondern auch aktiv unterstützt.»
Mit René Behr arbeitet Tanner seit Beginn ihrer Tätigkeit bei IWC eng zusammen, was eine von Vertrauen geprägte Zusammenarbeit ermöglicht. Behr könne sich darauf verlassen, dass Aufgaben, die bei ihr ankommen, zuverlässig erledigt werden, während sie umgekehrt wisse, dass er selbständig arbeite, wenn sie durch ihre andere Funktion mal absorbiert ist oder mit der Familie Urlaub macht. «Wir stimmen uns wöchentlich darüber ab, was jeweils ansteht. Früher sassen wir fast täglich zusammen, inzwischen genügt ein Jour fixe.» Da die beiden räumlich nah beieinander arbeiten und zusätzlich über Teams verbunden sind, erreichen sie sich jederzeit schnell. «Diese unkomplizierte und speditive Art der Zusammenarbeit empfinde ich als ideal und möchte ich nicht anders haben.»
Meine Wahl

Foto: Aniela Lea Schafroth
St. Gallen oder Schaffhausen?
Ich bin in St. Gallen aufgewachsen, dort schlägt mein Herz. Gleichzeitig erinnert mich vieles in Schaffhausen an St. Gallen, was mir ein Gefühl von Heimat gibt: die Erker, die engen Gassen, die kompakte Stadt.
Analoge Uhr oder Apple Watch?
Für mich ganz klar die mechanische Uhr. Ich besitze zwar eine Apple Watch, trage sie aber nie. Mein Mann sagt manchmal, ich solle sie wenigstens, wenn ich draussen unterwegs bin, anziehen. Aber irgendwie passt sie nicht zu mir. Vermutlich werde ich sie irgendwann ganz weggeben.
Vorspeise oder Dessert?
Ich bin ein absoluter Dessert-Mensch und liebe Süsses über alles. Am liebsten würde ich das Dessert schon als Vorspeise essen. Auch beim Selbstzubereiten ist es das, was mir am meisten Freude bereitet.
Podcast oder Zeitung?
In letzter Zeit habe ich Podcasts für mich entdeckt. Ich nutze dafür gern meinen Arbeitsweg, da liegt eine 35- bis 40-minütige Folge gut drin. Momentan höre ich Finanz-Podcasts, unter anderem «FinanzFabio», aber auch Formate rund um das Familienleben und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Frühaufsteherin oder Snooze-Queen?
Eigentlich bin ich eher diejenige, die den Wecker wegdrückt. Mit Kind stehen wir aber ohnehin früher auf. Ich habe für mich entdeckt, dass es sehr schön ist, wenn ich morgens schon wach bin, während die Kleine noch schläft.
Assistenz und Projekte
Jeannine Tanners Tag beginnt meist zwischen acht und halb neun mit einem Kaffee und einem Blick auf die wichtigsten Prioritäten. Steht ein bedeutender Besuch oder ein Meeting mit ihrem Chef an, hat das oberste Priorität. Dazwischen koordiniert sie unterschiedliche Aufgaben – von der Begleitung der «Welcome Days» über ein «Lunch & Learn» bis hin zu weiteren HR-Projekten. «Dabei plane ich nicht strikt nach festen Blöcken, sondern füge die Tätigkeiten so zusammen, dass alles reibungslos abläuft».
Ungestörtes Arbeiten ermöglicht sie sich durch bewusst reservierte Zeitfenster. Die «Welcome Days» für neue Mitarbeitende, die alle zwei Monate stattfinden, begleitet sie dabei ebenso wie die Organisation des aktuellen «Lunch & Learn»-Formats «Energized!», das Ende August nach der Sommerpause wieder startet und monatlich stattfindet. «‹Energized!› ist Teil eines ganzjährigen Programms zur Förderung von Gesundheit, Wohlbefinden und Weiterentwicklung der Mitarbeitenden.» Fachpersonen gäben im «Lunch & Learn»-Format Inputs zu Themen wie beispielsweise Schlaf, Resilienz, Stressmanagement, Ernährung oder soziale Beziehungen. «Die Teilnahme ist freiwillig, die Veranstaltungen finden vor Ort über Mittag statt und beinhalten ein gemeinsames Essen», erklärt Tanner. Ihre Rolle umfasst die gesamte Organisation von der Ausschreibung im Intranet über die Kommunikation bis hin zur Durchführung, Feedbackauswertung und dem Abschluss. «Derzeit arbeite ich mit dem ‹Energized›-Committee an der Programmplanung für das kommende Jahr.»
Neues zu lernen
Dass sie sich für Themen wie Gesundheit und Resilienz einsetzt, hat viel mit ihrer eigenen Geschichte zu tun. Während ihrer Lehrzeit musste sie den Betrieb wechseln und verlor dadurch ein Jahr. «Damals habe ich mich gefragt, was die anderen wohl über mich denken», erinnert sie sich. «Heute weiss ich, dass gerade solche Hürden einen stark machen. Sie prägen und sensibilisieren.» W
eitere Höhen und Tiefen in ihrem Leben lehrten sie, jeder Herausforderung gewachsen zu sein und eigene Strategien zu entwickeln, um mit schwierigen Situationen umzugehen. «Das gibt mir bis heute ein Gefühl von Sicherheit.» Gleichzeitig hätten sie Tanner zu der Macherin geformt, die sie heute ist. Eine, die ihr 60-Prozent-Pensum mit voller Energie ausfüllt und dabei höchst effizient arbeitet. Effizienz liegt ihr am Herzen; das zeigt sich nicht zuletzt in ihrer Sprache. Sie spricht unglaublich schnell, manchmal zu schnell, wie sie selbst schmunzelnd einräumt: «Dann denke ich jeweils: Jeannine, warum warst du nicht einfach einmal ruhig.» Doch sie könne auch anders. In Meetings sei sie durchaus die überlegte Stimme, die erst das Wort ergreift, wenn sie sich ihrer Botschaft sicher ist. Diese Balance steht ihr hervorragend.
Acht Jahre bei IWC, ob es ihr nie langweilig geworden ist? «Nein, denn hier kann ich mich immer wieder neu einbringen, Ideen umsetzen, Projekte gestalten. Es gibt zwar Strukturen, aber nicht alles ist vorgegeben. Diese Freiheit, meinen Arbeitsalltag mitzugestalten, ist für mich sehr wertvoll.» Und auch, dass sie immer wieder ihren Arbeitsalltag verändern kann. So wird sie zwischen Oktober und Januar in diesem Jahr ihr Pensum kurzfristig auf achtzig Prozent erhöhen, weil sie eine Kollegin vertritt, die unbezahlten Urlaub nimmt. «Ich bin gespannt, wie das wird, und freue mich darauf.» Das wird sicher gut, denn auch das wird Jeannine Tanner eloquent meistern.

Foto: Aniela Lea Schafroth
Jeannine Tanner
Jeannine Tanner wird 1991 geboren und wächst als ältestes von drei Kindern in St. Gallen auf. Nach ihrer kaufmännischen Ausbildung bleibt sie ihrem Lehrbetrieb, der Ruckstuhl Transport AG, treu und arbeitet dort ab 2011 zunächst als Sachbearbeiterin Verwaltung, ab 2013 dann als Assistentin der Geschäftsleitung weiter. Parallel dazu absolviert sie von 2014 bis 2015 die Ausbildung zur Direktionsassistentin. 2015 wechselt sie zur Cicor Management AG, wo sie als Executive Assistant tätig ist.
Zwei Jahre später, 2017, zieht es sie zu IWC nach Schaffhausen, zunächst als Executive Assistant to Director HR. Im gleichen Jahr absolviert sie zudem die Ausbildung zur Sachbearbeiterin Personalwesen. Ab 2022 übernimmt sie mehr Verantwortung und wird Executive Assistant to CEO und Chief People Officer. Nach einer achtmonatigen Elternzeit im Jahr 2024 kehrt sie in Teilzeit (60 Prozent) zu IWC zurück und ist dort seit September 2024 als Executive Assistant to Chief People Officer und People Experience Manager tätig. Tanner ist verheiratet und Mutter einer Tochter.