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Liebe im Büro verbieten?

Unternehmen, die Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz kategorisch verbieten, setzen auf Kontrolle statt auf Kultur. Gefühle lassen sich nicht reglementieren, sehr wohl aber die Art, wie man damit umgeht. Denn wer auf Professionalität und Offenheit setzt, schafft Vertrauen.

Beziehungen am Arbeitsplatz sollen gemeldet werden – so oder so ähnlich steht es in so manchem Personalreglement. Zusätzlich gibt es sogar Unternehmen, die die Weisung an ihre Mitarbeitenden geben, dass Beziehungen im Kollegium komplett untersagt seien. In der Praxis zeigt sich aber schnell, dass kaum jemand sich konsequent daran hält. Besonders im Assistenzbereich ist das Thema präsent, wo die Nähe zu Führungskräften sowie Kolleginnen und Kollegen zum Alltag gehört – und gleichzeitig tabu bleibt. 

Warum Regeln im Alltag scheitern

1. Nähe gehört zum Job
Assistenzen verbringen sehr viel Zeit mit ihren Vorgesetzten und Teammitgliedern und teilen Termine, Reisen, Erfolge und Krisen. Diese Nähe schafft Vertrauen und manchmal eben auch mehr. Ein Reglement auf Papier kann das nicht verhindern. 

2. Liebe ist nicht planbar
Kaum jemand entscheidet sich bewusst: «Jetzt verliebe ich mich im Büro.» Wer mitten in dieser Situation steckt, denkt nicht an Compliance oder interne Vorgaben. Darum werden Regeln ignoriert oder elegant umgangen. Besonders heikel wird es, wenn eine zunächst freundschaftliche Nähe langsam kippt.

3. Regeln wirken oft realitätsfern
Gerade Assistenzen erleben, dass Vorschriften im Alltag wenig greifen. Ein Verbot von Beziehungen wirkt übergriffig und führt dazu, dass Betroffene schweigen, statt offen zu sprechen. Damit wächst die Heimlichkeit, und die Gerüchteküche brodelt umso stärker. 

Vor Konsequenzen nicht gefeit 

Für Assistenzen ist das Risiko besonders hoch, mitten in den Strudel zwischenmenschlicher Spekulationen hineingezogen zu werden. Die enge Zusammenarbeit mit Führungskräften und dem Kollegium macht sie zu einer bevorzugten Zielscheibe für Bürogerüchte und schafft heikle Situationen, denn bereits ein harmloses gemeinsames Mittagessen kann ausreichen, und die Fantasie der Mitarbeitenden läuft mitunter auf Hochtouren. Gerüchte im Team entstehen schnell und sind schwer zu kontrollieren. Diese Dynamik verstärkt sich durch die natürliche Hierarchie im Büro, in der Assistenzen ohnehin in einer exponierten Position zwischen verschiedenen Unternehmensebenen agieren. 

Noch komplizierter wird es, wenn tatsächlich romantische Gefühle im Spiel sind. Interessenkonflikte entstehen fast automatisch, da eine romantische Beziehung zu einer in der Hierarchie höher gestellten Person das Vertrauen anderer Mitarbeitender beeinträchtigen kann. Selbst wenn Entscheidungen völlig objektiv getroffen werden, wirken sie plötzlich verdächtig und werden durch die Brille der vermuteten Beziehung betrachtet. 

Der Druck durch Geheimhaltung verstärkt diese Problematik zusätzlich: Beziehungen, die verschwiegen werden müssen, erzeugen enormen psychischen Stress. Assistenzen stehen in solchen Situationen doppelt unter Beobachtung, sowohl fachlich als auch privat, und müssen permanent darauf achten, keine verräterischen Signale zu senden. 

Besonders dramatisch wird die Situation, wenn eine Beziehung scheitert. Anders als in anderen Lebensbereichen bleibt die berufliche Nähe bestehen, und genau das macht es für Assistenzen besonders schwierig, professionell weiterzuarbeiten. Die Gerüchte verstummen nicht automatisch, und die tägliche Zusammenarbeit wird zur emotionalen Belastungsprobe.  

Ein Beispiel aus einem Schweizer Konzern zeigt das deutlich: Eine Assistenz war jahrelang mit einem Bereichsleiter liiert. Als die Beziehung endete, musste sie nicht nur die gemeinsame Trennung verkraften, sondern auch täglich mit ihm Termine koordinieren, Meetings vorbereiten und in engem Austausch bleiben. Der Druck war enorm. Am Ende entschied sie sich für einen internen Stellenwechsel. Für Angestellte kleinerer Unternehmen kann eine solche Lösung jedoch mitunter keine Option sein. 

Chancen statt nur Risiken 

Eine Liebesbeziehung zu einer Kollegin oder einem Kollegen ist nicht automatisch ein Risiko. Manche Beziehungen haben zu stabilen Partnerschaften geführt und damit auch zu stabileren Arbeitskonstellationen. Wenn beide Partner professionell mit der Situation umgehen und klare Grenzen ziehen, kann sogar ein Mehrwert für das gesamte Arbeitsumfeld entstehen. 

  • In Unternehmen, in denen offen über solche Situationen gesprochen wird, zeigen sich Vorteile:
  • Paare, die achtsam mit Transparenz umgehen, leben ein Stück Unternehmenskultur vor.
  • Die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber steigt, wenn Betroffene das Gefühl haben, nicht heimlich handeln zu müssen.
  • Teams, die gelernt haben, Vielfalt auch in persönlichen Konstellationen zu akzeptieren, sind oft resilienter.

Damit wird deutlich: Pauschale Verbote sind das eine; eine reflektierte, erwachsene Haltung zum Thema ist etwas völlig anderes, und oft der weitaus konstruktivere Weg. 

Fazit

Liebe am Arbeitsplatz lässt sich nicht verhindern, deshalb hält sich auch kaum jemand irgendwelche Regeln, die mal aufgestellt wurden. Für Assistenzen ist das Thema besonders sensibel, weil sie nah an Führungskräften arbeiten und automatisch stärker im Fokus stehen. Entscheidend ist nicht, Vorschriften einzuhalten, sondern einen erwachsenen Umgang zu finden

Was Unternehmen lernen können

Unternehmen, die Liebe am Arbeitsplatz konsequent verbieten wollen, bewegen sich auf dünnem Eis, denn Gefühle lassen sich nicht steuern. Stattdessen sollten sie ihre Energie darauf verwenden, eine Kultur der Professionalität und Offenheit zu fördern:

  • Klare Erwartungen: Es braucht keine Vorschrift über Gefühle, wohl aber klare Ansagen über professionelles Verhalten.
  • Dialog statt Kontrolle: Statt Meldepflichten helfen Gesprächseinladungen. Betroffene spüren so, dass sie nicht allein gelassen werden.
  • Schulung für Teams: Wer weiss, wie man Gerüchte im Keim erstickt und fair mit allen Beteiligten umgeht, schützt die Unternehmenskultur.
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Text: Diana Roth

Diana Roth ist HR-Trainerin, Buchautorin, Speakerin und HR-Podcasterin (Abenteuer HRM). Ausserdem ist sie «TopCoach 2020».
dianarothcoaching.com

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