Persönlichkeitsrecht schliesst auch Liebesbeziehungen ein
Gemäss Umfragen lernt sich in der Schweiz jedes fünfte Paar am Arbeitsplatz kennen. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage, wie mit Liebesbeziehungen umzugehen ist.

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Eine Liebesbeziehung zwischen zwei Mitarbeitenden gehört eigentlich in deren Privatsphäre und ist daher für das Arbeitsverhältnis nicht von Belang. Rechtlich relevant wird diese Beziehung dann, wenn sie sich störend auf die Arbeitsleistung oder generell auf das Betriebsklima auswirkt. In solchen Fällen kann sich die Frage stellen, ob sich das Büropaar an seine arbeitsrechtlichen Treuepflichten gemäss Art. 321a OR hält. Der Arbeitgeber seinerseits kann, oder muss, von seinem Weisungsrecht gemäss Art. 321d OR Gebrauch machen. Im Extremfall ist gar eine fristlose Kündigung denkbar. Zu diesem Schritt wird der Arbeitgeber aber nur in sehr seltenen Fällen berechtigt sein.
Gibt es ein Beziehungsverbot?
Arbeitsrechtlich gesehen dürfen Schweizer Betriebe ihren Mitarbeitenden eine Beziehung am Arbeitsplatz nicht verbieten. Eine Ethikrichtlinie etwa, die Liebesbeziehungen zwischen den Mitarbeitenden verbietet, greift in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmenden ein und dürfte in aller Regel unzulässig sein. Vertragliche Beziehungsverbote werden in der Schweiz als unzulässig erachtet, ebenso eine vertragliche Verpflichtung, mit der Mitarbeitende im Falle des Eingehens einer Beziehung am Arbeitsplatz zur Kündigung verpflichtet sind.
Gleiches würde für eine Vertragsklausel gelten, wonach das Arbeitsverhältnis bei Eingehen einer Liebesbeziehung am Arbeitsplatz automatisch endet. Generell gilt, dass eine solche Liebesbeziehung unter Mitarbeitenden Privatsache ist, solange deren Leistung sowie berechtigte Interessen des Arbeitgebers dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Auswirkungen auf das Arbeitsklima
Wenn die Arbeitsleistung oder generell das Arbeitsklima aufgrund einer Liebesbeziehung am Arbeitsplatz leidet – etwa, weil sich das Paar am Arbeitsplatz streitet – oder sich andere Mitarbeitende stark gestört fühlen, kann sich der Arbeitgeber auf sein Weisungsrecht gemäss Art. 321d OR berufen und das betroffene Paar zurechtweisen.
Wenn sich andere Mitarbeitende durch die Bürobeziehung gestört oder gar sexuell belästigt fühlen, muss der Arbeitgeber sogar vom Weisungsrecht gemäss Art. 321d OR Gebrauch machen, da ihn gegenüber sämtlichen Mitarbeitenden, also auch denjenigen, die sich durch das Verhalten des Liebespaars gestört fühlen, eine Fürsorgepflicht trifft (Art. 328 OR). Gemäss dieser Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit aller Arbeitnehmenden zu achten und zu schützen. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass Arbeitnehmende nicht sexuell belästigt werden.
Eine Weisung kann etwa darin bestehen, dass insbesondere in Anwesenheit von Arbeitskolleginnen und -kollegen ein Austausch von verbalen oder körperlichen Interaktionen mit erkennbarem Bezug zur bestehenden Liebesbeziehung zu unterlassen ist.
Helfen die Weisungen nicht weiter, kann der Arbeitgeber das Paar allenfalls sogar in verschiedene Abteilungen versetzen. Bei einer Versetzung hat er den betroffenen Arbeitnehmenden allerdings eine gleichwertige Position anzubieten. Weigern diese sich, den Weisungen nachzukommen, kann eine Kündigung, in Extremfällen sogar eine ausserordentliche Kündigung in Betracht kommen.
Pflichten der Arbeitnehmenden
Das Liebespaar seinerseits muss sich an die vertraglichen Pflichten halten, insbesondere an die Treuepflicht gemäss Art. 321a Abs. 1 OR. Es hat sich stets um eine befriedigende Arbeitsleistung zu bemühen und im Büro Professionalität an den Tag zu legen. Falls sich eine Arbeitnehmende oder ein Arbeitnehmender nicht an ihre oder seine vertraglichen Pflichten hält und sich das Verhalten trotz Abmahnung nicht bessert, kann ihr oder ihm ordentlich gekündigt werden, in Extremfällen kann wiederum eine ausserordentliche Kündigung in Betracht kommen.
Weitergehende Verpflichtungen gelten für Führungspersonen in Liebesbeziehungen mit Unterstellten. Das kann der Fall sein, wenn es sich um eine Beziehung zwischen Personen handelt, die Arbeitsleistung, Objektivität oder Professionalität beeinträchtigen könnte. Ferner besteht eine Meldepflicht, wenn die Beziehung die Arbeitsabläufe oder die Teamdynamik beeinflusst, beispielsweise bei enger beruflicher Zusammenarbeit.
Beziehung zwischen Chef und Angestellter
Zusätzliche Probleme ergeben sich, wenn zwischen beiden Partnern ein Abhängigkeitsverhältnis besteht: Falls ein Vorgesetzter und eine ihm unterstellte Mitarbeiterin eine Beziehung eingehen, besteht das Problem, dass der Vorgesetzte die Mitarbeiterin bei Entscheidungen bevorzugen oder benachteiligen könnte oder dass er seine Führungsposition bewusst ausnutzen könnte.
Viele Firmen versetzen in solchen Situationen eine der beiden Personen in eine andere Abteilung, was grundsätzlich zulässig ist, sofern es sich um eine gleichwertige Position handelt. Wenn Vorgesetzte mit unterstellten Mitarbeitenden eine Beziehung eingehen, sollte das aufgrund der Treuepflicht bei den Vorgesetzten gemeldet und eine Versetzung in eine andere Abteilung in die Wege geleitet werden.
Interne Richtlinien
Es stellt sich die Frage, ob interne Richtlinien zum Thema Bürobeziehungen unabdingbar sind. Pauschal lässt sich das allerdings nicht sagen. Insbesondere bei kleineren Unternehmen kann es ausreichen, allfällige Probleme im Rahmen von Bürobeziehungen direkt anzusprechen, wenn sie auftreten. Bei grösseren Unternehmen kann es in Einzelfällen ratsam sein, spezifische Richtlinien zu erlassen. Nicht fehlen sollten in solchen Fällen dann insbesondere Hinweise, wie bei Bürobeziehungen vorzugehen ist – im Speziellen bei solchen mit einem Abhängigkeitsverhältnis.