Textarbeit

Mehr Spielraum mit Geschichten

Tagtäglich sind Menschen einer Informationsflut ausgesetzt. Aufgenommen und erinnert wird grösstenteils das, was direkt im Unterbewusstsein landet. Das, was emotional berührt. Geschichten stehen deshalb hoch im Kurs – auch im geschäftlichen Umfeld.

Nicht nur im Journalismus, sondern auch in der externen und internen Unternehmenskommunikation ist die Geschichte zu einem der beliebtesten Text- und Informationsgefässe avanciert. Der Begriff «Storytelling» ist in vieler Munde.
Geschichten geben viel Gestaltungsspielraum und haben drei Dimensionen, die sie besonders attraktiv machen:

1. Sie erlauben die Verbindung von

  • Emotion
  • Information
  • Unterhaltung
  • Spannung

2. Sie sind ein erstklassiger Informationsträger, weil

  • sie hauptsächlich unbewusst wirken
  • 
sie in bekannten/gelernten Mustern -ablaufen
  • sie Gefühle wecken
  • sie bildhaft sind («Kopfkino»)

3. Sie laden zum Dialog ein, denn

  • sie liefern Gesprächs-/Diskussionsstoff
  • sie bieten Anknüpfungspunkte
  • sie lassen sich fortsetzen

Das Gros der Texte im geschäftlichen Umfeld dient dem informativen Dialog. Es ist also unbedingt lohnenswert, sich mit der Geschichte als einer weiteren Textstrategie für das eigene Repertoire näher zu befassen. Damit Informationen ankommen und bleiben.

Kultur mit grosser Tradition

Weltweit haben Geschichten und mit ihnen ihre Erzählerinnen und Erzähler eine oft jahrtausendealte Tradition. Sei es der Kaffeehaus-Erzähler im Orient oder ein heimisches Familienmitglied, zum Beispiel das Grosi. Intuitiv haben sich Menschen schon immer dieser sehr wirksamen Kommunikationsform bedient. Die meisten von uns sind daher mit der Geschichte als Textgefäss von Geburt an bestens vertraut.

Autobahn ins Gehirn

Der Mensch denkt in Bildern. Wer glaubt, das Gehirn arbeite in erster Linie logisch und linear, das heisst in Worten, Zahlen, Daten und Fakten (ZDF), liegt falsch. Nur ein bis zwei Prozent der vorhandenen Kapazitäten sind damit beschäftigt. Die restlichen 95 bis 98 Prozent unserer grauen Zellen funktionieren anders. Sie verarbeiten Bilder, Gefühle, Geräu-sche, Gerüche und weitere Sinneswahrnehmungen.

Mit ihren klassischen Eigenschaften einer ebenso bildhaften wie klangvollen Sprache, lebendigen emotionsgefärbten Szenen und einer Dramaturgie ist die Geschichte absolut «gehirnkompatibel». Sie präsentiert dem Gehirn ihren Inhalt in komfortabelster Form.

Geschichten ruhen auf vier Säulen

Der Titel kündigt das Thema an und macht neugierig, beispielsweise so: «Garantiert frische Pausenverpflegung dank cleverer Logis-tik» anstatt «Firma X schliesst Projekt Y er-folgreich ab». Ein guter Titel ist kurz, drei bis sieben Wörter sind optimal. Er darf auch unterhaltsam oder zumindest spielerisch sein, zum Beispiel «Mehr Herz fürs Herz». Das gilt, wenn es das Thema zulässt. Im Zweifel lieber etwas seriöser bleiben, bevor Emotionen, Ethik oder Unternehmenswerte verletzt werden. Und bitte keine verkrampft kreativen Experimente à la «Reim dich oder ich fress dich».

Der Einstieg setzt einen ersten Höhepunkt im Spannungsbogen der Geschichte und zeigt auf, wohin die Reise geht. Wem es hier gelingt, direkt das Kopfkino seiner Leserschaft an-zuwerfen, der ist gut unterwegs, beispielsweise so: «Angeregte Gespräche, warmer Lichterglanz und viele strahlende Gesichter. Besser kann es nicht sein – perfekte Stimmung beim Firmenanlass XY.» Mit wenigen Worten ist eine Szene kreiert, die Lust auf mehr macht, anstatt ganz nüchtern in ZDF-Manier zu verkünden, wie viele Personen wo und wann teilgenommen haben. Dann kommt ein Bericht über den jüngsten Kunden- oder Mitarbeiteranlass, zum Beispiel in der Mitarbeiterzeitung oder im Intranet, gleich viel ansprechender daher.

Der Mittelteil liefert die Informationen, die zum Thema gehören, essenziell sind und dem Verständnis dienen. Für eine gute Selektion sind hier sind die journalistischen sieben «W» –Wer, Was, Wann, Wo, Wie, Warum, Wozu – sehr hilfreich (siehe Miss Moneypenny 5/2014, Seite 44). Sie sorgen für eine sinnvolle Reihenfolge der Informationen. Zudem zählt jetzt eine bildhafte und klangvolle Sprache, die das Kopfkino am Laufen hält. Das gelingt beispielsweise mit Wendungen wie knackige Kälte, schallender Applaus, gleissendes Licht, … Frau XXX betont in ihrem Vortrag …, Herr XXX untermalt mit seiner Gestik …

Das Ende/Fazit rundet die Geschichte ab, bildet einen Kreisschluss zum Anfang, idealerweise zum Titel, und bietet durchaus auch den Dialog an. Für den Abschluss eines Projekt-berichts / einer Erfolgsstory eignet sich hier sehr gut ein Kundenzitat, zum Beispiel: «Ausschlaggebend für unsere Auftragsvergabe an die Firma XX war … So konnten wir das Projekt erfolgreich umsetzen. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.» Das dazuge-hörige Dialog-angebot könnte so lauten: Für Fragen und weiteren Informationsbedarf erreichen Sie uns unter Telefon XXX XXX XX XX oder per E-Mail an xx@xxx.

Wie viel Geschichte darf wo sein?

Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Niemand soll hier zum ungebremsten Geschichtenerzählen und schon gar nicht zur Märchenstunde animiert werden. Im Businesskontext dient die Form der Geschichte als eine Textstrategie. Einige Einsatzmöglichkeiten sind, wie teilweises bereits erwähnt, eine Erfolgsstory, ein Bericht über einen externen oder internen Anlass für das Intranet oder die Kundenzeitung, der einleitende Teil eines Geschäftsberichts.

Manchmal ist im schriftlichen Dialog kein Platz für ganze Geschichten. Doch schon einige Stilmittel aus dem Storytelling können Wunder wirken. Einladungen sind ein gutes Beispiel. Beginnt eine solche beispielsweise so: «Die sanfte Hügellandschaft unserer Rebberge, eingetaucht in herbstliche Farbenpracht. In diesem wunderschönen Ambiente heissen wir Sie herzlich willkommen zu unserer Weindegustation …», malt sich der Empfänger bereits aus, wie es wäre, dabei zu sein, entwickelt aus dem Impuls seine eigene Geschichte.
Analogien haben einen ähnlichen Effekt. Sie sind sozusagen Miniaturgeschichten und animieren die Vorstellungskraft, zum Beispiel: «Ein Ver-mögen ist wie ein schöner Garten. Soll es wachsen und gedeihen, braucht es Zeit, sorgfältige Pflege und sachkundige Unterstützung.» Durchaus ein sympathischer Weg für einen Finanzdienstleister, um sein Produkt schmackhaft zu machen.

Zu guter Letzt ein Blick auf mögliche Stolpersteine: Auch beim Storytelling entscheiden die Unternehmenswerte darüber, in welcher Art und mit welchem Mass es eingesetzt wird. Steht ein Unternehmen für Sicherheit und Serio-sität, ist es wichtig, dass das Fazit einer -Geschichte genau diesen Eindruck vermittelt. Die Essenz einer Geschichte muss kongruent mit den Werten eines Unternehmens sein. Im Zweifelsfall lieber einen Gang zurückschalten, anstatt unglücklich übers Ziel hinaus zu schiessen.
Fazit: Geschichten, achtsam erzählt, eröffnen einen wunderbaren (Sprach-)Spielraum. Viel Spass.

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Dorit Schmidt-Purrmann ist Inhaberin 
der iAngels smart communcation services, PR-Beraterin und Expertin/Trainerin 
für Storytelling. www.iangels-pr.ch

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