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Von Kurz- und Langschläfern

Für die einen ist schlafen die schönste Sache der Welt, für die anderen verschwendete Lebenszeit. Der Schlaf fasziniert Schlafforscher Kai Spiegelhalder so sehr, dass er ihm ein Buch gewidmet hat. Warum schlafen für unsere Gesundheit essenziell ist, erzählt er im Gespräch.

Viele Menschen brüsten sich damit, mit möglichst wenig Schlaf auszukommen. Doch warum ist das «ungesund» – oder sogar «dumm»? 

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Kai Spiegelhalder

Foto: zVg

Kai Spiegelhalder: Es hat viele positive Auswirkungen, wenn wir ausreichend lange und erholsam schlafen. Nebst dem Offensichtlichen – weniger Müdigkeit, mehr Leistungsfähigkeit – ist guter Schlaf auch gesund. Im Schlaf werden Stoffe abgebaut, die unserem Körper schaden, das Immunsystem wird aktiviert und der Schlaf tut auch dem Herz-Kreislauf-System gut. Es ist aber auch richtig, dass es Kurz- und Langschläfer gibt, die mit wenig oder viel Schlaf gut auskommen. Mit genetisch bedingten Unterschieden anzugeben kann man machen, muss man aber nicht.  

Wie viel Schlaf brauchen wir im Durchschnitt? 

Die meisten Menschen brauchen sieben bis acht Stunden Schlaf. Eine klare Grenze dafür, was «zu wenig» ist, gibt es allerdings nicht. Das liegt unter anderem daran, dass sich Menschen sehr stark in ihrem Schlafbedarf unterscheiden und somit zum Beispiel vier Stunden Schlaf für eine Kurzschläferin etwas völlig anderes sind als für eine Langschläferin. Letztlich ist es sinnvoll, auf das eigene Gefühl zu hören. Wenn Sie sich morgens erholt und ausgeschlafen fühlen, haben Sie offenbar ausreichend viel Schlaf bekommen. 

Manch einer kann problemlos überall schlafen, während sich andere Menschen erst noch ewig hin und her wälzen. Weshalb «schlafen» wir Menschen so unterschiedlich?  

Das ist zum Teil Veranlagung. So haben unsere Gene einen Einfluss auf unseren Schlaf, und viele Menschen, deren Eltern schlecht schlafen, schlafen auch schlecht. Darüber hinaus spielt Stress eine Rolle. Menschen, die sich durch ihre Lebensumstände überfordert fühlen, haben ein höheres Risiko, Ein- oder Durchschlafstörungen zu entwickeln. Zudem ist es langfristig ungünstig, dem Auftreten von Schlafstörungen dadurch zu begegnen, dass ich länger im Bett bleibe, um das zu wenig an Schlaf auszugleichen. Dadurch gewöhnen wir uns eher an einen häufig unterbrochenen und oberflächlichen Schlaf. Und es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem Ausmass der Sorgen, die sich Menschen um ihren Schlaf machen, und der Fähigkeit, gut ein- und durchzuschlafen.  

Wie verändert sich der Schlafbedarf im Laufe des Lebens, etwa im Alter oder bei Kindern? 

Der Schlafbedarf und auch die Zusammensetzung des Schlafs verändern sich in der Kindheit extremer als im Erwachsenenalter. So schlafen Säuglinge 16 bis 18 Stunden pro Tag, und fast die Hälfte dieser Zeit wird im REM-Schlaf verbracht. Im Vergleich dazu ändert sich der Schlaf im höheren Lebensalter wenig, wobei die Schlafdauer noch etwas abnimmt und weniger Tiefschlaf auftritt. 

Wie wichtig sind Träume, und spielt es eine Rolle, ob wir uns daran erinnern oder nicht? 

Warum wir träumen und ob das eine grosse Relevanz für unser Leben hat, ist nicht abschliessend geklärt. Klar ist, dass wir eher schlechte Träume haben, wenn wir psychisch belastet sind, und dann auch eher zu Albträumen neigen. Das Vergessen von Träumen ist vermutlich ganz nützlich, damit wir tagsüber nicht andauernd über unsere Träume nachdenken.  

Warum haben manche Menschen Albträume, und was hilft dagegen? 

Albträume, die ein dauerhaft sehr belastendes Ausmass erreichen, treten zum Beispiel nach traumatischen Erlebnissen auf, also nach Ereignissen, die mit einer aussergewöhnlichen Bedrohung einhergehen und unser Selbst- oder Weltbild erschüttern. Die sogenannte «Imagery Rehearsal Therapy» ist hierfür eine ­hilfreiche Behandlung. Die Grundidee ist relativ einfach: Ich stelle mir meinen Albtraum mehrfach täglich möglichst intensiv vor, verändere aber das Ende so, dass ich die Bedrohungssituation in der Vorstellung bewältige. Wenn ich das regelmässig tue, treten die Albträume weniger auf oder verlieren ihren Schrecken dadurch, dass das Ende im Traum positiv ist. 

Wie stark beeinflussen Koffein, Alkohol oder digitale Geräte vor dem Schlafengehen unseren Schlaf? 

All dies kann einen substanziellen Einfluss auf unseren Schlaf haben, natürlich in Abhängigkeit von der Menge an Koffein oder Alkohol oder der Art und des Umfangs der Nutzung digitaler Geräte. Alkohol ist dabei besonders tückisch, da er uns schneller einschlafen lässt. Leider kann Alkohol aber starke Durchschlafstörungen auslösen und macht unseren Schlaf insgesamt weniger erholsam. Letztlich gibt es aber auch grosse Unterschiede dahingehend, wie stark Menschen auf Koffein, Alkohol oder abendliche Mediennutzung reagieren. Insofern ist es auch ratsam, dies für sich selbst systematisch zu beobachten und herauszufinden. 

Wie lässt sich das «Kopfkino» stoppen? 

Eine einfache Methode gegen nächtliches Grübeln ist ein Zettel am Bett, auf dem ich mir kurze Notizen machen kann. Das sollte damit verbunden werden, dass ich mir am nächsten Tag gezielt Zeit nehme, um über die Themen nachzudenken, die ich mir notiert habe. Wenn ich dies einige Wochen lang so mache, kann es mithilfe dessen gelingen, das nächtliche Grübeln zu verringern. Oft ist es ja auch so, dass das Nachdenken am Tag viel sinnvollere Lösungen oder eine viel bessere Verarbeitung von Themen hervorbringt als das Nachdenken in der Nacht. 

Vier Stadien nebst dem Wachzustand

Stadium N1 ist der Übergang zwischen Wachen und Schlafen und nimmt bei gesunden Erwachsenen etwa 5 Prozent der Schlafzeit ein.  

Stadium N2 ist der Hauptteil des Schlafes mit spezifischen Mustern in der Elektroenzephalographie (Schlafspindeln und K-Komplexe) und umfasst etwa 50 Prozent der Schlafzeit.  

Stadium N3, das auch als Tiefschlaf oder «slow-wave sleep» bezeichnet wird, nimmt bei gesunden jungen Erwachsenen etwa 20 Prozent der Schlafdauer ein, wobei der Anteil mit steigendem Lebensalter abnimmt.  

Stadium R (REM-Schlaf) ist durch eine ausgeprägte Muskelatonie und schnelle Augenbewegungen sowie ein EEG-Muster gekennzeichnet, das dem des Stadiums N1 ähnlich ist. Der REM-Schlaf nimmt etwa 20 bis 25 Prozent der Schlafdauer in Anspruch. Bei Weckungen aus diesem Schlafstadium berichten Menschen von längeren und lebhafteren Träumen als bei Weckungen aus anderen Schlafstadien.

Buchtipp: «Das Besser-schlafen-Prinzip»

Guter Schlaf ist unerlässlich, um Körper und Psyche fit und gesund zu halten. Kai Spiegelhalder zeigt in seinem Buch, wie jeder gesund schlafen und Schlafstörungen überwinden kann.

Das Besser-schlafen-Prinzip
Kai Spiegelhalder
Verlag Stiftung Warentest
2024, 176 Seiten

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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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